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Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische
Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya
17. Dezember 2004
Weiter Unklarheit über das Schicksal von Tenzin
Delek Rinpoche
China lässt die internationale Staatengemeinschaft weiter im Unklaren,
ob die Exekution von Tenzin Delek Rinpoche vollzogen wird. Dieser war
vor zwei Jahren nach einem als nicht rechtsstaatlich angesehenen Verfahren
wegen angeblicher Beteiligung an Bombenattentaten zum Tode verurteilt
worden. Im Gegensatz zu seinem Mitangeklagten, Lobsang Dhondup, wurde
der Vollzug der Exekution jedoch für 2 Jahre suspendiert. Diese Frist
endete kürzlich. In Antwort auf eine weltweite Kampagne für
Tenzin Delek Rinpoche sagte eine Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums
lediglich, dass dieser wegen “Gefährdung der Staatssicherheit
und Beteiligung an terroristischen Aktivitäten im Einklang mit dem
Gesetz” verurteilt sei. Ein Offizieller in der Gefängnisadministration
der südchinesischen Provinz Sichuan deutete hingegen an, dass die
Todesstrafe möglicherweise in eine Haftstrafe umgewandelt wird.
Glückliches Ende im Verwirrspiel um Besuch des
Dalai Lama
in Russland
Das Verwirrspiel um den Besuch des Dalai Lama in Russland [vergl. Tibet-Information
vom 11. November 2004; UM] fand mit seiner kurzfristigen Einreise am 29.
November für einen dreitägigen Aufenthalt ein glückliches
Ende.
Der Einreise gingen über zwei Wochen lang verwirrende Stellungnahmen
voraus. Am Tage des zunächst angekündigten Besuches in der Russischen
Republik Kalmükien, dem 13. November, zitierte das russische Aussenministerium
eine Stellungnahme des Dalai Lama, er habe auf die Beantragung eines Einreise-Visums
verzichtet. Er wolle niemanden in Schwierigkeiten bringen. Wenige Tage
später gab der Präsident der Buddhistischen Vereinigung in Kalmükien
an, dass er mit “99.9 Prozent” Sicherheit mit einem Besuch
noch im November rechne. Ein Visa-Antrag werde gerade bearbeitet. Das
russische Aussenministerium gab wiederum einige Tage später bekannt,
ein Visum sei erteilt, nur, um wenige Stunden diese Stellungnahme dahingehend
wieder zu revidieren, dass ein Visum “im Prinzip” erteilt
werde. Schliesslich erfolgte die Einreise so kurzfristig, dass mit Rücksicht
auf die weiteren Verpflichtungen des Dalai Lama ein Privat-Jet gechartert
werden musste. Das russische Aussenministerium rechtfertigte die Erteilung
des Einreisevisum mit der überaus grossen Nachfrage durch die buddhistische
Gemeinschaft in Russland. Die Auflage an den Dalai Lama war, dass er sich
nicht zu politischen Fragen äusserte. Nach unbestätigten Gerüchten
soll ihm sogar diesbezüglich eine schriftliche Zusicherung an Präsident
Putin abverlangt worden sein.
Personelle Veränderungen in der tibetischen Justiz:
Chinesen statt Tibeter
Kürzlich wurden in den offiziellen chinesischen Medien eine Reihe
von personellen Veränderungen in der Autonomen Region Tibet (TAR)
bekanntgegeben. Neubesetzungen gibt es vor allem in den Mittleren Volksgerichten
und der Anklagebehörden (“Prokuraturen”) aller sechs
Präfekturen. Diese personellen Veränderungen zeigen, dass immer
häufiger chinesische Kader gegenüber tibetischen bevorzugt werden
und die “regionale Autonomie” von Beijing nicht ernst genommen
wird.
Innerhalb des chinesischen Justizsystems sind drei Instanzen für
die Einhaltung der Gesetze zuständig: die Prokuratur, die Gerichte
und die Polizei, und alle drei unterstehen der direkten Kontrolle der
Partei. Ein tibetischer Offizieller bestätigte TIN gegenüber
die Rolle der Partei: “Was anderswo Gesetz genannt wird, ist in
China und Tibet nichts als ein Werkzeug der Partei, ein Instrument, das
der Partei zu Diensten steht.”
Nur sehr wenige von den in den Prokuraturen oder auf Provinzebene neu
besetzten Stellen werden mit Tibetern versehen, die Chinesen ablösen.
Diese Stellenbesetzungen schaffen ein ethnisches Ungleichgewicht, das
im Widerspruch zu der 1984 erklärten Autonomie-Politik Chinas steht,
die in entsprechenden regierungsoffiziellen Weissbüchern immer wieder
gerühmt wird.
Quellen: PTI; UPI; Associated Press; Tibet
Information Network (überarbeitete Uebersetzung von IGFM München)
11. November 2004
Neue Kampagne zur “Patriotischen Erziehung”
Bei einem Treffen hochrangiger Funktionäre in Lhasa im Oktober wurde
eine erneute Kampagne zum “harten Durchgreifen gegen separatistische
Kräfte” beschlossen. Wie der Chef des “Büros für
Öffentliche Sicherheit” in Lhasa erklärte, zielt diese
Kampagne zur “Wahrung der sozialen Stabilität” vor allem
auf “separatistische Kräfte” in Klöstern. Ende Oktober
fand ebenfalls in Lhasa ein mehrtätiges Treffen von Regierungsvertretern
statt, die für die “Patriotische Erziehung” in Klöstern
verantwortlich sind. Hier wurden Details der Kampagne festgelegt. Nach
Worten des Vorsitzenden des “Kommitees für Patriotische Erziehung”
soll die Kampagne “separatistische Aktivitäten” in den
Klöstern unterbinden und speziell auch die “Infiltration”
von Literatur aus dem Exil stoppen. In einer Pilotphase sollen die Massnahmen
in wenigen Klöstern in Lhasa implementiert und dann im nächsten
Jahr entsprechend der Erfahrungen landesweit ausgedehnt werden.
Diese Kampagne erinnert an die vorigen Kampagnen “Strike Hard”
und “Patriotische Umerziehung”, die vor mehreren Jahren in
Tibet zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen führten.
Verwirrspiel um Besuch des Dalai Lama in Russland
Laut Information einer Radiostation in der Russischen Republik Kalmükien
soll der Dalai Lama am 13. November zu einem religiösen Besuch in
der überwiegend buddhistischen Republik eintreffen. Auch der Präsident
der Republik, Kirsan Ilyumzhinov, bestätigte, dass der Dalai Lama
in Kürze erwartet werde. Kurz darauf dementierte jedoch das russische
Aussenministerium, dass ein Visum erteilt wurde. Laut einem Sprecher des
Ministeriums sei kein Visa-Antrag eingegangen, werde jedoch “innert
kurzer Zeit” bearbeitet, wenn dieser noch gestellt werde. Mehrere
Reisen des Dalai Lama waren in den vergangenen Jahren wegen Verweigerung
eines Einreise-Visums – jeweils unter massivem Druck aus China -
gescheitert.
Tibetische Schriftstellerin wegen kritischer Ansichten
bestraft
Die tibetische Schriftstellerin Oser ist wegen kritischer Ansichten in
ihrem Buch „Notizen aus Tibet“ gravierenden Sanktionen ausgesetzt
[wegen Details zur Autorin und zum Buch vergl. Tibet-Information vom 2.
April 2004; UM]. Sie verlor nicht nur ihren Arbeitsplatz bei einer tibetischen
Zeitschrift in Lhasa, sondern auch ihre Wohnung und die Zuschüsse
des Arbeitgebers zur Gesundheits- und Altersversorgung, und sie darf keinen
Reisepass beantragen.
Die Regierungsstellen in Lhasa waren zu dem Schluss gekommen, dass die
Schriften von Oser “politische Entgleisungen” enthalten. Der
Direktor des Huacheng Verlags und der Herausgeber des Buches bekamen beide
einen Verweis. Die Arbeitseinheit von Oser, die Tibetan Cultural Association,
bildete ein besonderes Komitee, um sie einer “Korrektur des Denkens”
zu unterziehen, während die Parteiorgane mehrere Kader entsandten,
die täglich mit Oser und ihren Angehörigen sprachen. Oser selbst
wurde damit beauftragt, einen lobenden Artikel über die Qingzang
[Qinghai-Tibet] Eisenbahn zu schreiben, obwohl sie vorher eine eindeutig
kritische Position bezogen hatte. Sie wurde auch aufgefordert, von ihrer
Ausübung des tibetischen Buddhismus Abstand zu nehmen. Nachdem sie
von allen Seiten unter Druck gesetzt wurde, sah sie sich dazu gezwungen,
Lhasa zu verlassen und bei Freunden in Peking Unterschlupf zu suchen.
Quellen: Lhasa Evening [regierungsoffizielle Zeitung]; Tibetan Center
for Human Rights and Democracy (TCHRD); Ekho Moskvy Radio; Interfax; IGFM
München
31. Oktober 2004
Hunderte arbeitsloser Tibeter protestieren
Über zwei Wochen lang protestierten mindestens 200 vorwiegend tibetische
Studenten vor Regierungsgebäuden der Präfektur Golog, einem
traditionell tibetischen Gebiet im Südosten der westchinesischen
Provinz Qinghai (Nordost-Tibet), weil ihnen die von den Behörden
versprochenen Arbeitsplätze nicht zur Verfügung standen. Ein
chinesischer Regierungsbeamte gab gegenüber Radio Free Asia an, die
Studenten hätten am 21. September ihr Lager aufgebaut und einen Sitzstreik
begonnen.. “Örtliche Regierungsvertreter appellierten an die
überwiegend tibetischen Jugendlichen, ihren Protest einzustellen,
und sicherten ihnen zu, sie würden Arbeitsplätze bekommen, sobald
welche verfügbar seien. Trotzdem wichen die Jugendlichen nicht von
der Stelle.”
Informanten berichteten, einige der Beamten hätten sogar Zelte und
Nahrung angeboten und wären so in Sorge gewesen, dass sie die Ferienwoche
um den chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober durchgearbeitet hätten,
um die Studenten zur Beendigung ihrer Protestaktion zu bewegen.
Die Studenten seien hauptsächlich deswegen aufgebracht gewesen, weil
ihnen nach ihrem Studienabschluss sichere Arbeitsplätze in der Region
versprochen worden waren. Viele Familien hätten Land oder Vieh verkaufen
müssen, um die hohen Studiengebühren für das Studium ihrer
Kinder zu zahlen. Als Beweis wiesen einige der Protestierenden sogar entsprechende
schriftliche Zusagen der Behörden vor.
Protest gegen illegalen Talsperren-Bau in Provinz
Yunnan
NGOs, ausländische Experten und lokale Bewohner fordern die Einstellung
des Baus einer Talsperre in der "Schlucht des springenden Tigers"
(chinesisch Hutiaoxia-Schlucht, tibetisch tak chonggak) in einer tibetisch
geprägten Region der chinesischen Provinz Yunnan. Mit der Unterstützung
von Lokalpolitikern, die von diesem Projekt profitieren wollen, wurden
die Bauarbeiten ohne eine ordentliche Genehmigung begonnen. Mit dem Bau
war Ende Juli begonnen worden, ohne dass zuvor die diversen Gutachten,
die das chinesische Gesetz vorschreibt, eingeholt worden wären. Der
Bau zerstört ein Naturmonument in der Region der “drei parallelen
Flüsse” sowie kulturhistorisch bedeutsame Bauwerke.
In einer Petition der ortsansässigen Bevölkerung heisst es:
"Die Einheimischen sind nicht reich, aber sie haben genug für
ein einfaches Leben.... Durch das Talsperren-Projekt würden fast
100.000 Menschen zur Umsiedlung gezwungen. Wenn die Talsohle überflutet
wird, müssen die Menschen in höher gelegene Hanglagen und Grasland
ausweichen. Dadurch würde die landwirtschaftliche Produktion wesentlich
geringer ausfallen und der Lebensstandard sinken. Ältere und behinderte
Personen müssten negative Auswirkungen auf ihren Lebensstil und ihren
Unterhalt befürchten, was wiederum die soziale Stabilität der
ethnischen Minderheiten in der Region beeinträchtigen würde…Etliche
Stätten kulturellen Erbes liegen an beiden Seiten des Flusses. Ist
der Staudamm erst einmal gebaut, werden diese unter Wasser gesetzt.”
Erst im April hatte Chinas neuer Staatspräsident Hu Jintao ein umstrittenes
Staudammprojekt in Ost-Tibet gestoppt [vergl. Tibet-Information vom 21.
April 2004; UM].
Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Justice Center (adaptiert nach deutscher
Uebersetzung von IGFM München)
18. Oktober 2004
Gesandte des Dalai Lama aus China zurück
Die Gesandten des Dalai Lama sind nach zweiwöchiger Reise am 29.
September aus China zurückgekehrt. Sie wandten sich erst am 12. Oktober
nach einem Gespräche mit dem Dalai Lama, der einen Tag vorher von
einer Mittelamerika-Reise heimgekehrt war, an die Öffentlichkeit.
Die Gesandten hatten auch die Osttibetische Präfektur Kardze und
einige Sonderwirtschaftszonen in China besuchen können.
Ihre Eindrücke fasste der Leiter der Delegation, Lodi Gyari , in
einer Medienmitteilung folgendermassen zusammen: “Wir hatten den
bisher umfassendsten und ernsthaftesten Meinungsaustausch…Die Diskussionen
wurden in einer offenen, aber freundschaftlichen Atmosphäre gehalten.
Es wurde… deutlich, dass es erhebliche Differenzen über eine
ganze Zahl von Themen gibt, darunter einige fundamentale. Beide Seiten
anerkannten die Notwendigkeit für weitere substanzielle Diskussionen,
um die Kluft zu überwinden und zu Gemeinsamkeiten zu kommen. Wir
betonten die Notwendigkeit, dass beide Seiten Flexibilität, Weitsicht
und Vision zeigen müssen, um die Differenzen zu überwinden.”
[dt. Uebersetzung aus englischer Medienmitteilung; UM]. Die Medienmitteilung
enthält auch positive Worte zu den Gesprächen mit lokalen tibetischen
Funktionären in Kardze, die sie als “gut ausgebildet, kompetent
und hingebungsvoll” bezeichneten. In ihren Gesprächen hätten
sie auf die Notwendigkeite der Bewahrung der tibetischen Kultur hingewiesen,
anerkannten aber auch die Bedeutung wirtschaftlichen Fortschritts. Auch
ässerten sich die Delegierten lobenden über die chinesischen
Sonderwirtschaftszonen.
Der China-Experte John Kamm, gleichzeitig Direktor der Dui Hua Foundation,
welche schon mehreren politischen Langzeitgefangenen die Ausreise aus
Tibet verschafft hatte, bezeichnete das Interesse Chinas an einem Dialog
mit den Tibetern als ernsthaft.
Maoisten in Nepal sind auch in Tibet aktiv
Eine Analyse des in London ansässigen Tibet Information Network zeigt,
dass die Maoisten in Nepal nun auch in Tibet aktiv sind und dort Geld
für Waffenkäufe verdienen. Ein Schlaglicht auf diese Aktivitäten
warfen zwei Todesurteile, die der Mittlere Volksgerichtshof in Shigatse,
Tibets zweitgrösster Stadt, im September gegen zwei Nepali wegen
Waffen- und Munitionsschmuggels erliess.
Die Maoisten scheinen vor allem Geld durch den illegalen Handel mit Grundstoffen
für tibetische Heilmittel zu verdienen. Sie machen sich dabei die
starke Nachfrage nach diversen Grundstoffen zu Nutzen. Vor allem der Raupenkeulenpilz
(Cordyceps sinensis oder tibetisch Yartsa Gumbu), dem tonisierende und
libidosteigernde Eigenschaften zugeschrieben warden, erzielt auf dem Markt
in Lhasa Preise von umgerechnet CHF 1’500 – 4’500 pro
Kilogramm. Die Maoisten oder ihre Mittelsmänner lassen diesen Pilz
in Nord-Nepal ernten, der dann nach Tibet geschmuggelt und auf dem Markt
in Lhasa verkauft wird. Von dem Erlös warden auf dem Schwarzmarkt
in Tibet Waffen und Munition erworben und nach Nepal geschmuggelt. Die
illegalen Transaktionen der Maoisten warden dadurch begünstigt, dass
die Regierung in Kathmandu vor allem über die westlichen Landesteile
Nepals kaum noch administrative Kontrolle hat.
Die Maoisten versuchen seit ihrer Abspaltung von der Kommunistischen Partei
Nepals im Jahr 1996, mit Waffengewalt das Königshaus und die Regierung
von Nepal zu stürzen und einen streng kommunistischen Staat zu errichten.
China hat sich seit langem von den Maoisten distanziert und leistet Nepal
eine nicht näher definierte Militärhilfe. So sagte schon vor
zwei Jahren der chinesische Botschafter in Kathmandu, die Maoisten seien
eine “regierungsfeindliche Rotte. ..Wir würden sie niemals
als [sic] Maoisten bezeichnen. Sie missbrauchen den Namen des Vorsitzenden
Mao, was dem Ansehen unseres großen Steuermanns abträglich
ist und gleichzeitig den internationalen gegen China gerichteten Kräften
als Vorwand dienen könnte, um Verwirrung zu stiften".
Quellen: Tibet Information Network (adaptiert
nach deutscher Übersetzung von IGFM München)
28. September 2004
Verhandlungen über Rückkehr des Dalai Lama
nach Tibet?
Der gewöhnlich gut informierte China-Korrespondent der britischen
Zeitung The Independent, Jasper Becker, zitiert Spekulationen aus diplomatischen
Kreisen, dass die gegenwärtig im Lande weilenden Gesandten des Dalai
Lama über dessen Rückkehr nach Tibet verhandeln könnten.
Wenn sich China als Gastgeberin der Olympischen Spiele 2008 in Beijing
als wahre Weltmacht präsentieren wolle, müssten jetzt Verhandlungen
über die dem Image Chinas abträgliche Tibet-Frage begonnen werden.
Mit dem neuen Partei- und Staatspräsidenten Hu Jintao, der von 1988
bis 1992 Gouverneur der Autonomen Region Tibet war, stehe den Tibetern
zum ersten Male eine mit den Verhältnissen in Tibet bestens vertraute
Person gegenüber. Es wird spekuliert, dass Hu Jintao eine weniger
harte Position gegenüber Tibet einnimmt als etwa sein Vorgänger
Jiang Zemin. Hu Jintao hatte erst kürzlich Jiang Zemin in seinem
letzten einflussreichen Amt als Vorsitzender der Militärkommission
abgelöst und damit seine Machtbasis konsolidiert.
Bereits werden Konditionen für die mögliche Rückkehr des
Dalai Lama genannt, die an das von China bereits kurz nach Abschluss im
Jahre 1951 gebrochene “17-Punkte-Abkommen” erinnern, welches
den Tibetern volle Autonomie zusicherte. So soll der Dalai Lama im Potala-Palast
in Lhasa residieren und nicht etwa im “Goldenen Käfig”
in Beijing. Er soll die volle Autorität über die Herausgabe
religiöser Texte haben und die einzige Instanz für die Ernennung
von Klosteräbten und die Anerkennung von Wiedergeburten sein. Weiterhin
soll er jederzeit ungehindert ein- und ausreisen und ungehindert alle
von Tibetern bewohnten Regionen innerhalb des chinesischen Staatsverbandes
besuchen dürften.
Hardliner in Beijing machen dagegen geltend, dass dem Dalai Lama, sollte
er in Lhasa residieren, unweigerlich auch weltliche Autorität zugeschrieben
würde, so dass die Kommunistische Partei und die von ihr kontrollierte
Regierung jeglichen Einfluss verlieren würden.
Von China eingesetzter Panchen Lama preist den Sozialismus
In seinem ersten Interview mit staatlichen chinesischen Medien lobte der
von China eingesetzte Panchen Lama die “soziale Stabilität”
und die “ökonomischen Fortschritte” in Tibet.. Dieses
sei der “guten Führung durch die Kommunistische Partei Chinas”
zu verdanken.
Erst kürzlich hatte der 14-jährige Junge, der normalerweise
in Beijing wohnt, eine seiner seltenen Tibet-Reisen beendet. Diese Reisen
finden jeweils unter strenger Geheimhaltung und starker Bewachung statt.
Vielleicht nicht ganz zufällig, nämlich während sich die
Gesandten des Dalai Lama in China aufhalten, gab jetzt der Panchen Lama
sein überhaupt erstes Interview für die staatliche kontrollierte
Zeitung People’s Daily.
So sagte er wörtlich: “Im tibetischen Buddhismus werden jeder
Tempel und jeder Ort der religiösen Verehrung gut behütet. Die
Politik der uneingeschränkten religiösen Verehrung wird ohne
Einschränkungen beachtet und macht mich sehr froh…. Wir hätten
diese Erfolge [der sozialen Stabilität und ökonomischen Fortschritte;
UM] nie ohne die gute Führung der Kommunistischen Partei, die Unterstützung
der anderen chinesischen Volksgruppen und die harte Arbeit der Tibeter
erzielen können.“
Quellen: The Independent; Australian Broadcasting
Corporation
14. September 2004
Dritte China-Reise der Gesandten des Dalai Lama
Der Kashag, die Tibetische Regierung im Exil, teilte am 12. September
mit, dass eine Delegation von Gesandten zu ihrem dritten Besuch nach China
aufgebrochen ist. Die Delegation wird wie bei den vorherigen Besuchen
geleitet von Lodi Gyari und Kelsang Gyaltsen. Diese werden noch von zwei
ranghohen Assitenten, Sonam Norbu Dagpo und Mr. Bhuchung Tsering, begleitet.
Über das Besuchsprogramm wurden keine detaillierten Angaben gemacht.
In der offiziellen Medienmitteilung hiess es lediglich, dass die Gesandten
“vielleicht auch einige tibetische Regionen” besuchen werden.
Im Mai [vergl. Tibet-Information vom 4. Juni 2004; UM] hatte China in
einem Papier jeder Hoffnung auf tibetische Autonomie scheinbar eine Abfuhr
erteilt. Jedoch liessen laut Beobachtern einige andere positive Signale
aus Beijing darauf schliessen, dass die chinesische Führung doch
nicht alle Türen zugeschlagen hatte. Der Dalai Lama hatte in seiner
diesjährigen Erklärung zum 10. März, dem Jahrestag des
tibetischen Volksaufstandes, erklärt, er hoffe auf substanzielle
Fortschritte “noch in diesem Jahr”.
Zweischneidige Kampagne zum Pflanzen von Bäumen
Die chinesischen Behörden haben eine Kampagne unter dem Motto “Gebt
euer Land auf und pflanzt statt dessen Bäume” in Gang gesetzt.
Sie soll bezwecken, dass in allen Distrikten auf dem tibetischen Hochplateau,
d.h. in der Tibetischen Autonomen Region, aber auch in den jetzigen chineischen
Provinzen Sichuan, Gansu und Qinghai, eine grosse Zahl von Bäumen
gepflanzt wird. Die Kampagne steht in Verbindung mit dem “Western
Development Drive” (Programm zur Entwicklung des Westens). In dieser
Kampagne werden Bauern aufgefordert einen Teil oder ihr komplettes Ackerland
aufzugeben und mit Bäumen und Sträuchern zu bepflanzen. Als
Kompensation erhalten sie je nach aufgegebener Fläche freie Getreidezuteilungen
für maximal 5 Jahre. Ausserdem wurden andere Nutzungsmöglichkeiten,
wie Obstplantagen oder der Anbau von Heilpflanzen in Aussicht gestellt.
Dennoch fürchten Tibeter um den Verlust ihrer traditionellen Lebensweise
und wirtschaftliche Existenz.
Auch Nomaden in verschiedenen Regionen wird nahegelegt, auf ihren Viehweiden
Bäume anzupflanzen und in einigen Fällen bestimmte Gebiete von
der Bewirtschaftung auszuschliessen, damit die Populationen an Wildtieren,
wie beispielsweise dem wilden Yak, wieder zunehmen können.
Die chinesischsprachigen Medien produzieren ausführliche Statistiken
über die Anzahl der gepflanzten Bäume und das Ausmass der neu
bepflanzten Flächen, sie loben den angeblichen Enthusiasmus der Tibeter,
schweigen sich jedoch über die bisherige Verwendung des Landes aus.
Die Tibeter jedoch befürchten, die Kampagne könnte mit dem Bestreben
der Regierung zur Reduzierung der Bevölkerungsdichte in bestimmten
ländlichen Gegenden zu tun haben. Viele Tibeter meinen auch, sie
müssten nun indirekt für den jahrzehntelang betriebenen Raubbau
an den Wäldern Ost-Tibets bezahlen, die mit zu den Flutkatastrophen
in China seit 1998 beigetragen haben.
Quellen: TibetNet; Tibet Information Network (adaptiert nach deutscher
Übersetzung von IGFM München)
23. August 2004
China verhaftet prominenten buddhistischen Mönch
in Innerer Mongolei
Im Zuge einer verschärften Kampagne gegen “nicht autorisierte”
Religionsausübung hat China am 11. August einen prominenten buddhistischen
Mönch festgenommen, der ein aufwändiges Renovationsprojekt am
800 Jahre alten Xingyuan-Tempel in der Inneren Mongolei durchführte.
Der 53 Jahre alte, aus China stammende und im Buddhismus als Reinkarnation
hoch angesehene Mönch Yu Tianjian wurde ohne Vorankündigung
nach einem Treffen mit Offiziellen des lokalen Kulun-Bezirkes verhaftet.
Yu Tianjian ist chinesischer Staatsangehöriger, lebte jedoch seit
fast 5 Jahren mit US-Aufenthaltsbewilligung als Abt eines-Tempels in Los
Angeles. Die von ihm geleitete Buddhist Foundation of America hatte die
Renovation mit offizieller Regierungsgenehmigung über Jahre mit insgesamt
3 Millionen Dollar unterstützt.
Unmittelbar nach der Verhaftung schnitten die Behörden den Xingyuan-Tempel
von der Wasser- und Stromversorgung ab, schafften die mehr als 70 anwesenden
Mönche und Helfer, unter ihnen auch US-Staatsbürger, in Busse,
und fuhren diese mitsamt zwei Lastwagenladungen an religiösen Gegenständen
und Artefakten davon. Alles ereignete sich nur drei Tage vor dem geplanten
Fest anlässlich der Wiedereröffnung. Zahlreiche tibetische Mönche,
aber auch mehr als 100 aus den USA, Kanada und Japan angereiste Gönner
des Renovationsprojektes blieben an Strasssensperren hängen und wurden
zurückgewiesen.
Die Begründungen für diese Aktion, die verschiedene Behördenvertreter
lieferten, blieben diffus. Lokale Behörden sprachen von “Förderung
des Aberglaubens”, andere machten unter Hinweis auf die angeblich
“geheime Operation” keine Angaben. Eine offizielle Internetseite
warb noch immer für das Festival, das als “noch nie dagewesene”
Veranstaltung mit “Dharmakönigen, Wiedergeburten und …
hunderten anderer Würdenträger” angepriesen wurde. Ein
von der Washington Post zitierter lokaler Offizieller gab an, dass im
Interesse der Sicherheit der Besucher diese nach Hause geschickt worden
seien. “Das Fest ist vorbei, und die Besucher waren recht zufrieden”.
Ein Mitarbeiter des verhafteten Mönchs erklärte: “Erst
empfingen sie uns mit offenen Armen, jetzt nehmen sie unser Geld und werfen
uns hinaus.”
Chinesischer Offizieller behauptet, es gebe kein Verbot
von Dalai-Lama-Bildern
Der (chinesische) Vizepräsident der Regierung der „Tibetischen
Autonomen Region“, Wu Jilie, behauptete gegenüber der internationalen
Presse, dass es in Tibet kein Verbot von Dalai-Lama-Bildern gebe.
Bei einer Medienkonferenz in Lhasa erklärte er wörtlich: „Es
ist der freiwillige Entscheid der grossen Mehrheit der Bauern und Hirten,
kein Bild des Dalai Lama zu besitzen. Es gibt diesbezüglich keine
Bestimmungen der Regierung. Sie [die Bauern und Hirten; UM] haben sich
so entschieden, weil der Dalai Lama bei der grossen Mehrheit der Bevölkerung
auf Misstrauen und entschiedene Ablehnung stösst“. [Deutsche
Uebersetzung aus der englisch-sprachigen Meldung; UM]
Quellen: Washington Post; Gulf Daily News
10. August 2004
Tibeter sagen China-Besuch ab
Die erste von zwei vorgesehenen China-Reisen einer Delegation von Exil-Tibetern
[vergl. Tibet-Information vom 26. Juni 2004; UM] kommt scheinbar nicht
zustande. Wie Radio Free Asia (RFA) berichtet, hat eine aus fünf
Personen bestehende Delegation von Exiltibetern ihre in die Autonome Region
Tibet (TAR) geplante Reise abgesagt, nachdem die Chinesen ihre Bitte,
die jeweiligen Herkunftsorte der Delegationsmitglieder besuchen zu dürfen,
abgeschlagen hat. Einige Teilnehmer hatten nach Angaben aus der Delegation
offenbar den Wunsch, ihre Heimatorte besuchen zu können, als eine
Vorbedingung für das Zustandekommen der Reise gemacht. RFA spekuliert,
dass dieser Wunsch unter Umständen absichtlich vorgetragen wurde,
um die Reise absagen zu können, äussert sich jedoch nicht über
allfällige Motive.
Zwei Mitglieder der Delegation, Kalon Sonam Topgyal, ehemaliger Vorsitzender
der Tibetischen Regierung-im-Exil, und Alak Jigme Rimpoche, der Rechnungsprüfer
der Tibetischen Regierung-im-Exil, hatten kürzlich chinesischen Regierungsvertretern
in New Delhi mehrere Orte für ihren Besuch vorgeschlagen. Die Chinesen
schlugen ihre Wünsche ab, fügten jedoch hinzu, diese könnten
im Zusammenhang mit zukünftigen Besuchen in Erwägung gezogen
werden.
Die chinesische Seite hatte vorgesehen, dass die Delegation über
Hong Kong, Guangdong, Shanghai und Sichuan in die TAR reist, und von dort
schliesslich nach Peking. Ob eine zweite für Oktober geplante Delegation
in die TAR reisen wird, der auch der Sondergesandte des Dalai Lama, Lodi
Gyari, angehören sollte, ist unklar. Anfänglich hiess es, zu
dieser zweiten Delegation würde auch der Leiter der Vertretung des
Dalai Lama in Taiwan, Tsekyam, gehören, der fließend Mandarin
spricht. Diese Besuche sollten auf eine mehrmonatige Unterbrechung der
Verhandlungen folgen, welche den späteren Besuch einer 10-köpfigen
Delegation vorbereiten sollten.
Aus der Haft entlassene Nonne wird weiter schikaniert
Phuntsog Nyidrol, 37, die als letzte von den sogenannten “Drapchi
14 Nonnen” aus dem Gefängnis entlassen wurde [vergl. Tibet-Information
vom 12. März 2004; UM], wird nun an ihrem Wohnsitz von den Sicherheitsbehörden
schikaniert. Jeder ihrer Schritte wird von Sicherheitsbeamten (je zwei
Beamte der Gefängnisbehörde und vom örtlichen Büro
für Öffentliche Sicherheit) überwacht, und sie darf ihr
Haus nicht ohne Bewachung verlassen. Alle Besucher müssen sich eintragen,
bevor sie zu ihr gelassen werden und es wird genau verfolgt, ob Phuntsog
Nyidrol sich auf irgendeine Weise politisch äussert. Ihr Gesundheitszustand
gibt nach wie vor Anlass zur Sorge, denn man weiss nicht, ob sie nach
ihrer Entlassung in angemessener Weise medizinisch versorgt wird. Es ist
anzunehmen, dass sie immer noch an den Folgen eines Nierenschadens und
unter Gedächtnisstörungen leidet, die durch die zahlreichen
schweren Schläge während ihrer Haft verursacht wurden.
China schlägt Kapital aus der gelegentlichen Freilassung politischer
Gefangener, um in gewissen Schlüsselzeiten eine Minderung des internationalen
politischen Drucks zu erreichen, während gleichzeitig die aus der
Haft entlassenen Gewissensgefangenen weiter schikaniert werden. Phuntsog
Nyidrol wurde genau einen Tag, nachdem das US-Aussenministerium einen
kritischen Bericht zur Menschenrechtslage in China veröffentlicht
hatte, aus der Haft entlassen. Das Leben ist für ehemalige politische
Gefangene besonders hart. Mönche und Nonnen, welche die Mehrheit
der Gewissensgefangenen bilden, dürfen ihr religiöses Leben
nicht wieder aufnehmen, andererseits ist es ihnen auf Grund der Schikanen
fast unmöglich, Arbeit zu finden. Phuntsog mitgezählt wurden
seit 2002 dreizehn politische Gefangene vorzeitig aus der Haft entlassen,
aber von diesen durften drei das Land verlassen.
Quellen: Radio Free Asisa; Human Rights Watch (teilweise adaptiert nach
deutscher Uebersetzung durch IGFM München)
30. Juli 2004
Tibeter wehren sich erfolgreich gegen Entweihung eines
heiligen Sees
Eine Reihe von Tibetern, die in verschiedenen Städten der VR China
wohnen, schrieben am 22. Juni 2004 einen offenen Brief an diverse chinesische
Behörden, und baten sie zu verbieten, dass der chinesische Sportler
Zhang Jian am 31. Juli den 100 km nördlich von Lhasa gelegenen heiligen
Namtso-See (chin: Namco, Höhe 5.400 m) durchschwimmt. Der Brief,
der eine deutliche Sprache spricht und in Kopie auch direkt an den Schwimmer
ging, ist aber auch von betontem Respekt gegenüber den Empfindlichkeiten
des politischen Establishments der VR China geprägt. Er stellt ein
weiteres Zeugnis für die Entschlossenheit und das Geschick einer
neuen, gebildeten Generation von Tibetern dar, die sich im Rahmen der
sehr eingeschränkten Redefreiheit um die Achtung der chinesischen
Gesellschaft für die Tibeter, ihre Kultur und insbesondere ihre religiösen
Gefühle bemühen, ohne dabei den Zorn der staatlichen Behörden
herauszufordern.
Zhang Jian lehrt an der Sportuniversität Peking und wurde wegen seines
Durchschwimmens von Flüssen, Seen, Buchten und Kanälen berühmt.
Im letzten Jahr schwamm er schon über den im Norden Tibets gelegenen
Tso Ngonpo (chin: Qinghai-See, auch unter dem mongolischen Namen "Kuku
Nor" bekannt).
Indem sie auf dieses Ereignis Bezug nehmen, drücken die Autoren der
Petition zwar ihren Respekt vor den sportlichen Leistungen Zhangs aus,
weisen jedoch darauf hin, er hätte bedenken müssen, daß
der Tso Ngonpo für Tibeter ein Objekt religiöser Verehrung ist.
Auf der einen Seite spricht die Petition eine sehr deutliche Sprache.
So lautet es: "In dieser oberflächlichen Ära von Materialismus
und skrupellosem Egoismus stellt der Wunsch von Zhang Jian, den Namtso
zu durchschwimmen, seine Neigung bloss, aus rein persönlichen Gründen
den Glauben eines Volkes zu missachten und dessen spirituelle Vorstellungen
mit Füssen zu treten. Bei ihrer Jagd nach persönlichen Vorteilen
haben viele Menschen den nötigen Respekt und die Ehrfurcht vor der
Natur und dem Leben verloren. ..Als Tibeter können wir den blasphemischen
Akt des Durchschwimmens des Namtso keinesfalls akzeptieren… Wir
sind absolut dagegen und werden so etwas nicht noch einmal hinnehmen…
Wir beobachten die Entwicklung dieser Angelegenheit sehr genau. Und wir
erwarten von den zuständigen Entscheidungsträgern und Behörden
und von Zhang Jian selbst eine zufriedenstellende Antwort in dieser Sache.”
Auf der anderen Seite waren die Autoren der Petition bemüht, sich
an die Gepflogenheiten des politischen Diskurses in der VR China zu halten
und ihre Bitte um die Verhinderung von Zhangs Vorhaben als patriotisch
darzustellen, um somit "politischeUntertöne" zu vermeiden.
Am 20. Juli informierte die gleiche Gruppe, dass die Behörden Zhang
Jian angewiesen haben, den Plan aus Rücksicht auf “die Einheit
aller Nationalitäten und die religiösen Gefühle der Tibeter”
fallen zu lassen. Die Gruppe schliesst ihre Stellungnahme selbstbewusst
mit den Worten, dass diese “lang erwartete und erfreuliche Botschaft“
den Anfang einer „gemeinsamen und erfolgreichen Zukunft” darstellt
.
Zwei tibetische Musiker wieder aus der Haft entlassen
Die zwei verhafteten Musiker Namkha und Bakocha sind nach zweimonatiger
Haft wieder freigelassen worden. Sie waren im März offenbar wegen
unliebsamer Inhalte in ihren selbst komponierten Musikstücken verhaftet
worden [vergl. Tibet-Information vom 21. April 2004; UM]. Auch wurden
ihre CDs konfisziert. Angeblich sind sie in der Haft nicht misshandelt
worden, doch liessen Angehöirge keine weiteren Details über
ihren Gesundheitszustand verlauten.
Quellen: Tibet Information Network (teilweise adaptiert nach deutscher
Uebersetzung durch IGFM München); Tibetan Center for Human Rights
and Democracy (TCHRD)
26. Juni 2004
Grünes Licht für China-Besuch von zwei weiteren
tibetischen Delegationen
Die chinesische Regierung hat den Besuch von zwei weiteren tibetischen
Delegationen bewilligt. Ende Juni oder Anfang Juli wird eine Delegation
von 5 Personen, angeführt vom ehemaligen Kalon (Kabinettsmitglied
der Exilregierung) Sonam Topgyal, nach China reisen. Details des Programms
sind noch unklar. Laut Sonam Topgyal soll die Visite „ein den Zielen
des Dalai Lama förderliches Gesprächsklima“ zu schaffen.
Ursprünglich war offenbar über eine Delegation von 10 Personen
verhandelt worden. Die Gespräche über den Besuch dieser Delegation
waren seit Herbst letzten Jahres offenbar ins Stocken geraten, doch kürzlich
habe die chinesische Regierung signalisiert, dass es „schwierig“
sei, den Besuch einer solch grossen Gruppe zu organisieren, so dass man
sich auf 5 Personen geeinigt habe. Ein weiterer Grund für die Verzögerung
sei Verärgerung der chinesischen Regierung über einige Auslandsreisen
des Dalai Lama gewesen, wo er von Politikern, allen voran US-Präsident
Bush, empfangen wurde.
Im Oktober soll eine weitere Delegation folgen. Diese wird angeführt
von dem Gesandten Lodi Gyari, der schon vorher zwei Reisen nach China
unternahm. Angeblich soll dieser Delegation auch der Gesandte des Dalai
Lama in Taiwan angehören, der fliessend Mandarin spricht.
Hacker entwenden Dokument von Tibetischer Regierung
im Exil
Ein vertraulicher Entwurf der Tibetischen Regierung im Exil zur
Antwort auf das „Weissbuch“ der chinesischen Regierung über
die tibetische Autonomie [vergl. Tibet-Information vom 4. Juni 2004; UM]
ist von Hackern entwendet worden und im Internet aufgetaucht. Der Entwurf,
der noch von der Tibetischen Regierung im Exil diskutiert und genehmigt
werden sollte, erschien unvermittelt auf den Internet-Seiten von einigen
Tibet-Unterstützergruppen.
Wie dieses geschehen konnte, ist unklar. Verdächtigt werden Hacker
im Auftrag der chineischen Regierung. In der Vergangenheit hatte die Tibetische
Regierung im Exil mehrfach solche Attacken beklagt [vergl. Tibet-Informationen
vom 8. Oktober 2002 und 13. November 2003; UM]. In mindestens einem Fall
konnte eine Attacke auf einen Server in China zurück verfolgt warden.
Drakonische Strafen für Fahrer in Tibet nach Häufung
von Unfällen
Nach einer dramatischen Zunahme von gravierenden Verkehrsunfällen
in Tibet hat die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua erstmals mit der
bisherigen Praxis des Leugnens solcher Probleme gebrochen und einen Bericht
veröffentlicht. Allein im letzten Jahr ereigneten sich laut Xinhua
1'317 gemeldete Unfälle mit 1'161 Verletzten und 621 Toten –
eine immense Zahl, wenn man sich die geringe Verkehrsdichte in Tibet vergegenwärtigt.
Als Ursachen werden vor allem die desolaten Arbeitsbedingungen der Fahrer
aufgeführt. Oft sind die Fahrer ohne Lizenz oder sind unerfahren
und haben wegen ausbeuterischer Arbeitsbedingungen nicht genügend
Ruhepausen. Ihre Arbeitgeber kommen dagegen meist ungeschoren davon.
Nach einem tödlichen Unfall im letzten Jahr, der eine Touristengruppe
betraf, wurde ein Fahrer als Unfallverursacher zum Tode verurteilt. Kurzfristig
waren für eine ausländische Reisegruppe zwei Jeeps gegen die
profitablere Variante eines Minibus ausgetauscht worden. Wegen Übermüdung
kam der Fahrer von der Strasse ab, die für dieses Fahrzeug nicht
gut geeignet war. Fünf Touristen wurden getötet. Eine weitere
deutsche Touristin konnte nur mit grossen konsularischen Anstrengungen
vor einer riskanten Operation in Lhasa bewahrt und ausgeflogen werden.
Quellen: Radio Free Asia; Hindustan Times; Tibet Information Network
4. Juni 2004
China: Forderung nach Autonomie für Tibet
ist „völlig abwegig“
Die chinesische Regierung hat der Forderung des Dalai Lama nach „wahrer
Autonomie“ eine deutliche Abfuhr erteilt. In einem kürzlich
publizierten „Weissbuch zur Nationalen Gebietsautonomie“ liess
das Pressbüro des Staatsrates verlauten, Tibet sei bereits ein „lebendiges
Beispiel“ der chinesischen Nationalitätenpolitik. Da Tibet
bereits seit Jahrhunderten „integraler Bestandteil Chinas“
sei, komme eine Lösung nach dem Motto „ein Land – zwei
Systeme“ ähnlich wie in Hong Kong oder Macao nicht in Frage.
Tibet sei schon „seit Jahrhunderten integraler Bestandteil Chinas“,
und so sei die Forderung nach Autonomie „völlig abwegig“.
Erstmals hat der Staatsrat ein „Weissbuch“ zu Tibet veröffentlicht.
Ziel der Publikation sei es, ein “besseres Verständnis in aller
Welt über die Situation inTibet” zu erreichen. Das Weissbuch
versucht anhand von Daten die These zu untermauern, dass ich Wirtschaft
und Gesellschaft in Tibet entwickelt haben und das Lebensniveau der tibetischen
Bevölkerung erhöht worden sei. In den vergangenen 40 Jahren
seien die tibetischen und die Parteifunktionäre aus anderen “nationalen
Minderheiten” zur Hauptkraft der Staatsmacht in Tibet geworden und
verwirklichten so bereits das Recht auf Selbstverwaltung. Als Mitglied
der “grossen Familie der chinesischen Nationalitäten”
geniesse die tibetische Bevölkerung bereits das Recht auf "gleichberechtigte
Teilnahme an der Verwaltung des Landes", Autonomie in der Politik
und Selbständigkeit in der gesellschaftlichen Entwicklung. Der Dalai
Lama sei wiederholt aufgefordert worden, "der Realität ins Gesicht
zu sehen" und sich von seinen Bestrebungen nach einer Unabhängigkeit
Tibets loszusagen. Seine Aufgabe müsse es sein, zur „Entwicklung
und zum Fortschritt des Landes und des Autonomen Gebietes Tibet beizutragen“.
Furcht vor verstärkten Restriktionen gegen Tibeter in Nepal
Eine Rede des chinesischen Botschafters in Nepal, Sun Heping, die er am
28. Mai bei einem Anlass in Kathmandu hielt, lässt weitere Restriktionen
gegen das Flüchtlingszentrum in Kathmandu und das Office of Tibet
in Nepal befürchten.
In seiner Rede kritisierte der Botschafter den nach vor wie vor starkem
Strom von Flüchtlingen aus Tibet nach Nepal. „Verschiedene
externe Organisationen“ würden unter dem Vorwand der Flüchtlingshilfe
„separatistische“ und damit „anti-chinesische Aktivitäten“
in Nepal betreiben und „unter dem religiösen Deckmantel“
den Flüchtlingen falsche Versprechungen über ein besseres Leben
im Exil machen. Er beschuldigte explizit das Office of Tibet und Flüchtlingszentrum,
die „gesetzliche Rückführung“ von Flüchtlingen
nach Tibet zu „politisieren“, ohne den „ungesetzlichen
Grenzverletzungen“ durch die Flüchtlinge Beachtung zu schenken.
Eigentlich existiert ein informelles Abkommen zwischen dem UNHCR und der
Regierung von Nepal, dass in Nepal aufgegriffene Flüchtlinge aus
Tibet nach Kathmandu überstellt werden, wo ihnen dann das Flüchtlingszentrum
bei dem Transit nach Indien oder in ein anderes Land behilflich ist. Im
letzten Jahr wurden jedoch – offenbar unter starkem Druck aus China
–mehrere Flüchtlinge durch Nepal gewaltsam wieder über
die Grenze nach Tibet abgeschoben. Dieser Fall erregte internationalen
Protest. In der Haft in Tibet wurden diese Flüchtlinge massiv misshandelt
[vergl. Tibet-Informationen vom 6. Juni 2003 und 5. Januar 2004; UM].
Quellen: Reuters; Office of Tibet in New York
17. Mai 2004
China implementiert individuelle Internet-Kontrollen
in Lhasa
Im letzten Jahr hat China damit begonnen, strenge individuelle Kontrollen
über die Nutzung des Internets in Lhasa zu implementieren. Jeder
individuelle Nutzer muss in einer speziellen Abteilung des Büros
für Öffentliche Sicherheit eine auf ihn persönlich ausgestellte
„Internet-Registrierungskarte“ beantragen. Erst mit dieser
Karte, die mit einem Benutzernamen und einem Password ausgestellt wird,
können Nutzer dann in den Cyber-Cafes in Lhasa ins Internet gehen.
So lässt sich der gesamte Internet-Verkehr einem bestimmten Nutzer
zuordnen.
Die individulle Kontrolle über den gesamten Internet-Verkehr schloss
eine bestehende „Sicherheitslücke“. China hatte schon
lange den Zugang zu bestimmten Internet-Adressen blockiert, die „sensitive“
Stichwörter wie „Tibet“, „Dalai Lama“ oder
„Taiwan“ enthielten. Auch hatten Mitarbeiter des Büros
für Öffentliche Sicherheit schon im letzten Jahr Überwachungs-Software
in den Cyber-Cafes von Lhasa installiert, die den Internet-Verkehr aufzeichneten,
jedoch liessen sich die Angaben nicht auf einzelne Nutzer zurück
verfolgen. Viele Nutzer waren auch so findig, die blockierten Internet-Adressen
zu umgehen und diese über nicht blockierte Adressen indirekt zu erreichen.
Wenn sich dennoch Individuen identifizieren liessen, wurden sie nicht
selten stundenlang verhört. Auch wurde die Überwachungs-Software
dazu benutzt, solche Cyber-Cafes zu schliessen, von denen aus nicht genehmigte
Websites angewählt wurden.
Diese Massnahmen sollen auch in anderen chinesischen Provinzen eingeführt
werden. Laut offizieller Nachrichtenagentur Xinhua hat China fast 1 Million
US-Dollar in solche Software investiert.
Zunehmende Prostitution nahe der tibetischen Grenze
zu Nepal
Laut einer Reportage von Radio Free Asia (RFA) werden zunehmend Tibeterinnen
mit dem falschen Versprechen an die Grenze zu Nepal gelockt, dass ihnen
von dort die Flucht nach Nepal oder weiter nach Indien ermöglicht
wird. Stattdessen landen sie jedoch als „Hostessen“ oder Prostituierte
in den Nachtclubs der tibetischen Grenzorte Nyalam und Dram. Laut einem
Geschäftsmann, der oft die Grenze passiert, gibt es allein in Dram
etwa 45 Etablissements, in denen Tibeterinnen und auch Chinesinnen als
„Hostessen“ in Bars oder als Prostituierte arbeiten. Das Alter
der Betroffenen liege zwischen 17 oder 18 bis 28 Jahre.
Viele von ihnen gaben gegenüber RFA an, dass sie unter dem Vorwand
an die Grenze gelockt wurden, ihnen bei der Flucht behilflich zu sein.
Dann würden sie jedoch unter Drohungen gezwungen, in diesen Etablissements
zu arbeiten. Nicht selten würde ihnen damit gedroht, dass bei ihrer
Weigerung ihre Fluchtabsichten den Behörden mitgeteilt würden.
Einige seien nach ihrem Fluchtversucht verhaftet und misshandelt worden.
Viele Tibeterinnen „arbeiteten“ dort zu einem Hungerlohn oder
würden gar nur mit Mahlzeiten oder Kleidung entschädigt.
Nicht selten ziehen sich diese Frauen sexuell übertragbare Krankheiten
zu oder werden schwanger. Die Kosten für medizinische Behandlung
oder Abtreibungen treiben viele in die Verschuldung. Solche, bei denen
Krankheiten festgestellt werden, würden auch nicht selten ohne medizinische
Behandlung in ihre Heimatprovinzen zurück geschickt.
Diese Praxis scheint von den lokalen Behörden zumindest toleriert,
wenn nicht sogar gefördert zu werden. Mehrere der von RFA interviewten
Frauen gaben an, dass es sogar Zeichen einer Zusammenarbeit zwischen den
Betreibern der Etablissements, den Behörden und der Polizei gebe.
Quellen: International Campaign for Tibet
(ICT); Radio Free Asia
21. April 2004
Bekannter Sänger und Komponist verhaftet
Am 10. März wurden ein populärer Sänger und ein
Komponist in der Region Tongde in der Provinz Qinghai im Norden Tibets
verhaftet. Ihre Namen werden mit Namkha und Bakocha angegeben. Namkha
ist ein lokal sehr bekannter und beliebter Sänger von Volksliedern,
und Bakocha, der Mönch in einem lokalen Kloster ist, komponierte
seine Lieder. Sie werden an einem unbekannten Ort gefangen gehalten. Der
Grund scheint in unliebsamen politischen Botschaften in einigen Liedern
zu liegen. Auch wurden die CDs mit ihren Liedern konfisziert. Mitarbeiter
des Büros für Öffentliche Sicherheit drohten dem Kloster
des Komponisten mit „ernsten Folgen“, wenn dort CDs gefunden
würden.
Die Verhaftungen folgen unmittelbar auf das kürzlich ausgesprochene
Buchverbot für eine tibetische Autorin und die Verhaftung eines Mönches
aus dem Kloster Ganden, der ein Foto des Dalai Lama besass [vergl. Tibet-Information
vom 4. April 2004; UM].
Historischer Reisepass gefunden
Kürzlich wurde in einem Antiquitätengeschäft in Nepal ein
historisch bedeutsames Dokument entdeckt. Es handelt sich um den Reisepass
des ehemaligen Finanzministers der tibetischen Regierung, Shakapba, ausgestellt
am 10. Oktober 1947. Der Reispass trägt die Visa-Stempel der USA,
Grossbritanniens, Indiens, Italiens, Frankreichs und der Schweiz und belegt,
dass das unabhängige Tibet damals offenbar von diesen Ländern
als eigener Staat anerkannt war.
Der im Jahre 1989 im Exil verstorbene Shakapba war von 1930 bis 1950 Minister
der letzten Regierung Tibets vor der Invasion durch China. Sein Reisepass,
der für seine Reise mit einer tibetischen Regierungsdelegation im
Jahre 1948 ausgestellt war, war vor 12 Jahren aus seinem Nachlass verschwunden.
Chinesischer Ministerpräsident stoppt umstrittenes
Staudamm-Projekt
Der neue chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao hat überraschend
ein umstrittenes Staudamm-Projekt am Nu-Fluss gestoppt und eine Überprüfung
angeordnet. Der Fluss entspringt in Tibet und fliesst zwischen Mekong
und Yangtse über 1'750 km durch die Provinz Yunnan. Hier sollten
13 Staustufen zur Energiegewinnung gebaut werden. Der Nu-Fluss stellt
eine der letzten unberührten Flusslandschaften in Asien dar und besitzt
in seinem Oberlauf eine Canyon-Landschaft mit einem ungewöhnlichen
Artenreichtum, welche von der UN als Weltkulturerbe eingestuft wurde.
Auch würden etwa 50'000 am Oberlauf residierende Bauern und Hirten
von Umsiedlungen betroffen.
Gegen das Projekt hatte sich sowohl in China als auch im Ausland eine
starke Opposition formiert, die im wesentlichen ökologische Bedenken
vorbrachte. Der Bau war vor allem von lokalen Politikern in Yunnan mit
dem Argument gefördert worden, dass dort Arbeitsplätze entstehen.
Ungewöhnlich für China ist, dass sich auch im Land selbst öffentlicher
Widerstand gegen die Pläne regte. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften,
die Staatliche Umweltschutz-Behörde und Delegierte des Nationalen
Volkskongresses hatten den Baustopp gefordert. Ministerpräsiden Wen
Jiabao nahm in seiner Begründung des Entscheides explizit Bezug auf
das „Ausmass der Bedenken“ und die „Unvereinbarkeit
mit dem Umweltschutz“.
Quellen: The Himalayan Times; Radio Free Asia;
New York Times
2. April 2004
Behörden verbieten Buch einer tibetischen Autorin
Das von der tibetischen Autorin Oser (chin. „Weise“)
verfasste Buch mit dem Titel “Notizen über Tibet” (chin.
Xizang Biji) wurde im September letzten Jahres von der Regierung der Autonomen
Region Tibet verboten. Bei dem auf Chinesisch geschriebenen Buch handelt
es sich um eine Sammlung von Aufsätzen, in denen die Autorin diverse
Orte und ihre Begegnungen mit Menschen in Tibet schildert. Von den 38
in dem Buch enthaltenen Essays erschienen den Behörden zehn als dermassen
kontrovers, dass sie das Buch verboten. In diesen zehn Aufsätzen
beschreibt die Autorin unter anderem die tief verwurzelte Achtung der
Tibeter für den Dalai Lama, das Dilemma und die politische Einengung,
die ein tibetischer Mönch empfand, als er in offizieller Mission
ins Ausland geschickt wurde, und die Vertreibung einiger chinesischer
Nonnen aus dem von dem (inzwischen verstorbenen) Khenpo Jigme Phuntsog
gegründeten buddhistischen Institut Serthar [vergl. Tibet-Information
vom 13. Januar 2004: UM].
Oser wurde 1966 in Lhasa geboren, doch zog die Familie bald zurück
in ihre ost-tibetische Heimat Derge, heute in die chinesische Provinz
Sichuan integriert. 1988 erhielt sie von der chinesischen Abteilung des
Instituts für Südwestliche Minderheiten (chin. Xinan minzu xueyuan)
in der Hauptstadt von Sichuan, Chengdu, ihr Diplom. Bis vor kurzem arbeitete
sie in Lhasa als Herausgeberin einer chinesischsprachigen Zeitschrift
“Tibetische Literatur” (chin. Xizang wenxue). “Notizen
über Tibet” ist ihr zweites grösseres Werk und wurde im
Januar 2003 von dem Huacheng-Verlag in Guangzhou (Kanton) veröffentlicht.
Der Grund, warum die Autorin ihr Buch einem Verlag in der Provinz Guangdong
anvertraute, könnte könnte das vergleichsweise liberalere politische
Klimas in der Küstenregion sein.
Inzwischen ist die Autorin von Lhasa nach Peking übergesiedelt. Wie
TIN erfuhr, hat ihre Arbeitseinheit, die „Vereinigung für Literatur
und Schöne Künste der Tibetischen Autonomen Region“, ihr
die Rückkehr nach Lhasa nahegelegt, allerdings unter der Bedingung,
das sie ihren politischen „Fehler“ eingesteht. Es scheint
indessen, dass die Autorin nicht gewillt ist, dem Druck nachzugeben.
Zensur oder Verbote von Büchern sind nichts Aussergewöhnliches
in Tibet. Zuletzt wurde 2001 das von Derong Tsering Dhondup verfasste
Werk “Eine allgemeine Geschichte Tibets – erhabenes Gefäß”
verboten. Der Autor hatte 1995 in einem Gesuch heftige Kritik an der von
der Zentralregierung in den tibetischen Gebieten der Provinz Sichuan verfolgten
Politik geübt.
China zeigt Härte
Zwei eigentlich marginale Ereignisse in Tibet zogen eine harte Reaktion
der Behörden nach sich.
Im Kloster Ganden, einem der grössten Klöster Tibets und etwa
60 km von Lhasa entfernt, wurde im Februar ein junger Mönch verhaftet,
weil er ein Foto des Dalai Lama besass. Er wird bis heute an einem unbekannten
Ort gefangen gehalten. Einige Tage nach seiner Verhaftung wurden alle
500 Mönche bei einer Versammlung über seine Verhaftung wegen
des Besitzes „gegen die Regierung gerichteten Materials“ informiert
und gewarnt, auch sie würden verhaftet, wenn sie Fotos des Dalai
Lama besässen.
In Lhasa wurde der Verantwortliche mitsamt Redaktionsteam des Fernsehsenders
Tibet Television 3 gemassregelt, weil sie versehentlich in einem Fernsehbericht
aus Nepal eine (in Tibet offiziell verbotene) tibetische Nationalflagge
zeigten. Diese war für wenige Momente im Hintergrund der Aufnahmen
zu sehen. Der Verantwortliche, ein Tibeter, musste öffentlich seinen
„Fehler“ bekennen und das Redaktionsteam musste zur „Umerziehung“
eine „Selbstkritik“ verfassen.
Quellen: Tibet Information Network TIN (adaptiert nach dt. Uebersetzung
von A. Dönges); Radio Free Asia
12. März 2004
Letzte der Nonne der „Drapchi 14“ freigelassen
Phuntsog Nyidrol, die politische Gefangene mit der längsten
Haftstrafe in Tibet, wurde vor wenigen Tagen aus dem Drapchi Gefängnis
entlassen und befindet sich bei ihren Angehörigen in Lhasa. Sie ist
die letzte der sogenannten „Drapchi 14“. Diese 14 Nonnen waren
berühmt geworden, nachdem eine Tonbandaufnahme ihrer heimlich im
Drapchi-Gefängnis aufgenommenen Freiheitslieder ins Ausland geschmuggelt
werden konnte.
Phuntsog Nyidrol wurde im Alter von 21 Jahren im Oktober 1989 in Lhasa
wegen Teilnahme an einer friedlichen Demonstration anlässlich der
Verleihung des Nobelpreises an den Dalai Lama festgenommen und zu 9 Jahren
Gefängnis und Verlust der bürgerlichen Rechte verurteilt. Im
Jahre 1995 erhielt sie den Reebok Human Rights Award. Ihre Strafe wurde
auf 17 Jahre verlängert, nachdem die Tonbandufnahmen publik wurden.
Im April 2001 reduzierte das Mittlere Volksgericht des Bezirks Lhasa ihre
Strafe um ein Jahr, weil sie "in den letzten Jahren Zeichen der Reue
gezeigt hatte", womit ihre Entlassung für 2005 bevorstand.
John Kamm, der Vorsitzende der Dui Hua Stiftung, der massgeblich an den
Verhandlungen zur Freilassung von Phuntsog Nyidrol und auch früherer
politischer Gefangener beteilt war, sagte, ihre vorzeitige Freilassung
sei vor allem dem von den USA ausgeübten Druck zuzuschreiben, insbesondere
einer Resolution (H.Res.157) des Repräsentantenhauses, in der die
chinesische Regierung aufgefordert wird, alle tibetischen politischen
Häftlinge freizulassen. In dieser Resolution wurde Phuntsog Nyidrols
Fall besonders hervorgehoben. Ihre Freilassung erfolgte am selben Tag,
an dem das US State Department seinen Länderbericht 2003 zur Menschenrechtslage
in China (wozu auch Tibet, Hongkong und Macau zählen) herausgab.
In diesem Bericht wird deutlich schärfere Kritik an der chinesischen
Regierung geübt als in den vorangegangenen Jahren. Der Abschnitt
über Tibet bezieht sich nicht nur auf die Autonome Region Tibet (TAR),
sondern auch auf die tibetischen Gebiete, die den chinesischen Provinzen
Qinghai, Yunnan, Gansu und Sichuan einverleibt wurden.
Phuntsog Nyidrols Gesundheit gab immer wieder Anlass zu ernster Besorgnis,
seit sie bei den Gefängnisprotesten in Drapchi 1998 schwer misshandelt
wurde.Einem Sprecher der Dui Hua Stiftung zufolge scheint ihre Freilassung
jedoch nicht mit ihrem Gesundheitszustand im Zusammenhang zu stehen. Dennoch
fordern verschiedene Organisationen jetzt China auf, ihre Ausreise ins
Ausland zur medizinischen Betreuung zu erlauben.
Kampagne gegen die drohende Hinrichtung von Tenzin
Delek Rinpoche
Der populäre Mönch Tenzin Delek Rinpoche aus dem ost-tibetischen
Karze wurde am 7. April 2002 unter dem Vorwurf der „Verursachung
von Sprengstoffexplosionen und Anstiftung zur Spaltung der Nation“
verhaftet. Er und sein angeblicher Komplize Lobsang Dondrup wurden ohne
angemessenen Rechtsbeistand in einer nichtöffentlichen Gerichtsverhandlung
zum Tode verurteilt. Unmittelbar nach Ablehnung seines Rekurses wurde
Lobsang Dondrup am 26. Januar 2003 hingerichtet. Die Vollstreckung des
Todesurteils gegen Tenzin Delek Rinpoche wurde für zwei Jahre suspendiert
[vergl. Tibet-Informationen vom 6. Dezember 2002, 22. Januar und 10. Februar
2003; UM]. Er befindet sich zur Zeit in einem Hochsicherheits-Gefängnis
in der chinesischen Provinz Sichuan. Am 7. April 2004, dem zweiten Jahrestag
der Verhaftungen, findet vor dem Palais des Nationes in Genf eine Demonstration
zur Unertstützung von Tenzin Delek Rinpoche statt.
Quellen: Tibet Information Network (adaptiert nach
dt. Uebersetzung von A. Dönges)
13. Januar 2004
Prostitution unter Tibeterinnen auf dem Vormarsch
Nach einer Studie des Tibet Information Network hat sich die Rate der
Tibeterinnen, die der Prostitution nachgehen, in den letzten 10 Jahren
„exponentiell“ vervielfacht. Nach Ansicht der Autoren stellt
diese Entwicklung eine direkte Folge der zunehmenden Wohlstandsdifferenz
zwischen den städtischen Zentren und den armen ländlichen Regionen
dar, welche wiederum durch das chinesische Entwicklungsprogramm der so
genannten „westlichen Regionen“ bedingt ist. Dieses hat zu
einem teilweise deutlichen Anstieg von Wohlstand und Reichtum einer dünnen
Schicht in den städtischen Zentren geführt, andererseits aber
auch, gefördert duch das allgegenwärtige staatlich kontrollierte
Fernsehen, zu gewachsenen Bedürfnissen der verarmten ländlichen
Bevölkerung. Wegen der mangelhaften Allgemeinbildung und Diskriminierung
auf dem Arbeitsmarkt wird die Prostitution als die einzige Chance angesehen,
in kurzer Zeit zu materiellem Wohlstand zu gelangen.
Nicht selten gehen Tibeterinnen mit implizitem Wissen ihrer Familie für
einige Monate in die Städte und kehren über die Wintermonate
in ihre Dörfer zurück. Das Geld wird oft für ganz bestimmte
Zwecke gespart, so zum Beispiel für Renovationen oder die Eröffnung
eines Kleingewerbes. Einige Tiberinnen, meist ohne Familienbindungen,
gehen auch für die Wintermonate nach Kathmandu oder Delhi. Zwar wird
die Prostitution in Tibet noch immer von Chinesinnen, meist aus der Provinz
Sichuan, dominiert, doch nimmt die Zahl der Tiberinnen überproportional
zu. Dazu kommen auch Prostituierte aus Nepal, Indien oder sogar Osteuropa.
Nicht selten wird der offiziell verbotenen Prostitution in Gebäuden
nachgegangen, die Regierungsstellen, der Partei oder der Armee gehören.
Wegen des geringen Bildungsstandards und der Angst vor sozialer Stigmatisierung
ist zu befürchten, dass vielen Tiberinnen das Risiko von AIDS-Infektionen
unbekannt ist oder entsprechende Vorsichtsmassnahmen unterlassen werden.
Rückführung von tibetischen Flüchtlingen
aus Nepal nach Tibet geht weiter
In den vergangenen Wochen sind nach Angaben von Radio Free Asia wiederum
21 Flüchtlinge aus Tibet entgegen dem vereinbarten „Gentlemens’
Agreement“ von Nepal nach Tibet rückgeführt worden. Im
Mai 2003 [vergl. Tibet-Information vom 6.6.2003; UM] hatte die gewaltsame
Deportation von 18 Flüchtlingen, die in einem Gefängnis in Tibet
dann schwer misshandelt wurden [vergl. Tibet-Information vom 5. Januar
2004; UM], weltweiten Protest hervor gerufen. Nepal hatte danach erklärt,
die Flüchtlinge stattdessen dem UNHCR in Kathmandu zu überstellen.
Offenbar hält sich die nepalische Polizei in Grenznähe nicht
unbedingt an diese Vereinbarungen. Nach Angaben von Radio Free Asia beobachten
chinesische Polizisten in Zivil auf nepalischem Territorium die Ankunft
von Flüchtlingen und lassen sie von nepalischen Polizisten –
nicht selten gegen ein Geldpräsent – wieder zurück über
die Grenze schaffen.
Massive Sicherheitsvorkehrungen nach Tod von Khenpo
Jigme Phuntsog
Khenpo Jigme Phuntsog, Gründer des im Jahre 2001 von chinesischen
Sicherheitskräften weitgehend zerstörten Serthar-Instituts [vergl.
Tibet-Informationen vom 30.8. und 2.10.2001 und 31.7.2002; UM] ist am
29. Dezember letzten Jahres in einem Spital in Chengdu, Provinz Sichuan,
nach einem herzchirurgischen Eingriff im Alter von 70 Jahren gestorben.
Anlässlich der Überführung seines Leichnams nach Serthar
wurden in der ganzen Region scharfe Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Seine dortigen Schüler fordern eine unabhängige medizinische
Untersuchung über die Todesursache. Viele sind der Meinung, dass
die wahre Todesursache verschleiert wird oder zumindest, dass die brutale
Zerstörung seines Lebenswerkes den Gesundheitszustand des scher kranken
Lehrers entscheidend verschlechtert hat.
Quellen: Tibet Information Network; Radio
Free Asia; Associate Press
6. Januar 2004
Politischer Widerstand und repressive Massnahmen in
Ost-Tibet
Der Fokus von repressiven Massnahmen und Widerstand scheint sich auf die
ost-tibetischen Landesteile zu verlagern, die in die heutige chinesische
Provinz Sichuan inkoporiert sind und bisher vergleichsweise mehr religiöse
Freiheiten genossen. Tibetische Flüchtlinge berichten von diversen,
nahezu wöchentlich stattfindenden Vorfällen, in denen Tibeter
ihre Opposition gegen China bezeugen. So erscheinen immer wieder Plakate
oder Flugblätter in den Strassen der ost-tibetischen Stadt Kandze,
die für die Unabhängigkeit werden.
Der wohl spektakulärste Vorfall in Kandze ereignete sich am 19. August,
als eine grosse tibetische Nationalfahne (die in Tibet offiziell verboten
ist) weithin sichtbar an einem Sendemast gehisst wurde. Der Sender wird
vermutlich dazu benutzt, den Empfang von Radio Free Asia und Voice of
Tibet zu stören. Diese Aktion erregte umso mehr Aufsehen, als dieser
Sendemast dem lokalen Regierungsgebäude gegenüber liegt und
die Flagge genau zu dem Zeitpunkt gehisst wurde, als eine Gruppe chinesischer
Buddhisten von einer Einweihungszeremonie eines buddhistischen Bauwerkes
(Chörten) in das Regierunggebäude zurückkehrte. Die buddhistische
Delegation wurde von Natsok Rinpoche, einem Tibeter, angeführt, der
in Kardze wegen seiner Nähe zur chinesischen Regierung als „komministischer
Lama“ bezeichnet wird und wenig Vertrauen in der lokalen Bevölkerung
geniesst. Nach Berichten von Augenzeugen benötigten herbeigerufene
Soldaten über zwei Stunden, um die Flagge einzuholen.
Wahrscheinlich als Antwort auf die zahlreichen Unabhängigkeits-Bekundungen
intensiviert China Massnahmen, das Verbot von Dalai-Lama-Bildern durchzusetzen.
Bereits vor dem Zwischenfall im August fand in Kardze ein vom lokalen
Parteisekretär geleitetes Treffen mit Dorf- und Provinzvorstehern,
Regierungsangestellten und Lehrern statt, um das Verbot von Dalai-Lama-Bildern
durchzusetzen. Für Regierungsangestellte wurde auf den Besitz von
solchen Bildern eine Strafe von umgerechnet Fr. 700 ausgesetzt, und kurz
nach dem Treffen wurden in Kardze Geschäfte und Privatwohnungen durchsucht.
Am 11. und 12. November hielten sogenannte „Arbeitsteams“
in den Dörfern der Region um Kardze und das benachbarte Lithang Treffen
ab und drohten der Bevölkerung, zumeist Bauern, mit Konfizierung
ihres Landes, wenn bei ihnen Bilder des Dalai Lama entdeckt würden.
Denjenigen, die innert eines Monats diese Bilder freiwillig abgeben würden,
wurde dagegen Straffreiheit versprochen.
Repatriierte Flüchtlinge wurden schwer misshandelt
Die gewaltsame und rechtswidrige Repatriierung der 18 tibetischen Flüchtlinge
aus Nepal im Mai 2003 [vergl. Tibet-Information vom 6. Juni 2003; UM]
hatte seinerzeit weltweit Empörung hervorgerufen. Jetzt wurde bekannt,
dass die Häfltlinge teilweise brutal misshandelt wurden noch immer
7 von ihnen in einem neuen Gefängnis nahe Tibets zweitgrösster
Stadt, Shigatse, in Haft sind. Zunächst verbrachten die Flüchtlinge
11 Tage im Gefängnis des grenznahen Ortes Nyalam und wurden dann
in ein neues Gefängnis in Shigatse transferiert. Das Gefängnis,
dass den zynischen Namen „Neues Empfangszentrum von Tibet“
trägt und damit einen nahezu identischen Namen hat wie die Flüchtlingszentren
in Kathmandu und Dharamsala im indischen Exil, beherbergt nach Angaben
von Informanten insgesamt 450-500 Gefangene.
Das Gefängnis scheint speziell für die Tibeter neu errichtet
zu sein, die während eines Fluchtversuches an der Grenze aufgegriffen
werden oder für solche, die bei ihrer Rückkehr aus Nepal oder
Indien illegal die Grenze nach Tibet überqueren. Letztere sollen
nach Informanten noch brutaler behandelt werden als die Flüchtlinge
in Richtung Exil. Nach dem Verbüssen von mehrmontigen Haftstrafen
müssen Geldstrafen und nicht selten noch höhere Bestechungsgelder
von den Familien der Haftentlassenen bezahlt werden. Auch wird den Gefangenen
bei Gelingen des nächsten Fluchtversuches die Verhaftung anderer
Familienangehöriger angedroht.
Quellen: International Campaign for Tibet;
Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD) |