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Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya

12. Dezember 2007
Deutsche Post verbannt Dalai Lama von Briefen
Die Deutsche Post will sich ihr China-Geschäft nicht trüben lassen und deswegen keine Briefmarken mit dem Konterfei des Dalai Lama herausgeben. Der Bonner Konzern hat eine Order für die Produktion von Porto-Marken mit dem Porträt des Dalai Lama nicht angenommen. Als international tätiges Unternehmen sei die Deutsche Post zu politischer Neutralität verpflichtet, sagte ein Post-Sprecher am Dienstag in Bonn. Vor diesem Hintergrund habe das Unternehmen den Auftrag abgelehnt. Die Deutsche Post ist mit ihrer Logistik-Tochter DHL stark in China engagiert. Die Nichtregierungsorganisation International Campaign for Tibet Deutschland hatte die Marken in Auftrag geben wollen. Die Organisation habe ein Angebot der Post für eines ihrer Produkte, den "Plusbrief Exklusiv", annehmen wollen, sagte Geschäftsführer Kai Müller. Eigentlich dürfen Kunden gegen Entgelt Geschäfts- und Werbebriefe mit einem selbst ewählten Bildmotiv in der Marke versehen. Kunden können normalerweise die Gestaltung dieser Briefe selbst wählen.
Das gewählte Motiv liefe "den Geschäftsinteressen der Deutschen Post und der mit ihr verbundenen Unternehmen zuwider" und sei zudem "geeignet, den Betriebsfrieden der Deutschen Post AG und ihrer verbundenen Unternehmen zu stören", argumentierte sie in einem Schreiben, gezeichnet mit "Ihr Team Plusbrief der Deutschen Post AG".
Vor einigen Jahren hatte schon die österreichische Post einen Rückzieher gemacht. Der frühere Wiener städtische Angestellte Heinz Stoff wollte anlässlich des 70. Geburtstages des Dalai Lama in privater Regie eine Briefmarke herausgeben und bezog sich auf eine spezielle Verordnung der Post. Danach muss diese auch Wertzeichen privater Auftraggeber drucken, wenn sie dafür selbst zahlen. Es lagen bereits ein Design und genügend Bestellungen für die Produktion dieser Briefmarke in einer geplanten Auflage von 20’000 Stück vor. Auch die GSTF hatte sich an der Aktion beteiligt [vergl. Tibet-Information vom 4. Mai 2005; UM]. Die österreichische Post zog dann ihre schriftlich gegebene Zusage zurück und lehnte in einem lapidaren E-Mail an Heinz Stoff die Bestellung ohne Angabe von Gründen ab. Sollte eine "Gedenkmarke für einen Feind des chinesischen Volkes" in Umlauf kommen, hatte Botschafter Lu Yonghua das österreichische Kanzleramt wissen lassen, drohe "erheblicher Schaden für die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder".

IOC lehnt Zulassung eines „Team Tibet“ für die Olympischen Spiele ab
Am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, lehnte das Internationale Olympische Kommittee den Antrag auf Zulassung eines „Team Tibet“ für die Olympiade in Beijing ab. Das IOC begründete die Absage damit, dass Olympische Komitees von Regionen, die keine souveränen Staaten sind, nicht teilnehmen können. Das Nationale Olympische Kommittee Tibet ist am 7. August 2007 gegründet worden und hat noch am gleichen Tag das IOC um eine Einladung zu den Olympischen Spielen in Peking 2008 gebeten. Es hatte ein Team aus jungen Sportlerinnen und Sportlern zusammengestellt, die alle im Exil leben und in China an den Start gehen wollten.
Die Begründung des IOC ist indessen nicht konsistent mit der bisherigen Praxis. Es hatte in der Vergangenheit schon – offensichtlich politisch motivierte – Ausnahmen gemacht, zum Beispiel mit der Zulassung von Teams aus Hongkong und Palästina. Bei der Olympiade in Barcelona 1992 nahm die ehemalige Sowjetunion unter dem Namen GUS – Gemeinschaft Unabhängiger Staaten – an den Sommerspielen teil. Auch hatte das IOC Sportler aus Ost-Timor vor Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit als Einzelpersonen ohne Länderbezeichnung zugelassen.

Quellen: Spiegel Online; Financial Times Deutschland; Wiener Zeitung;Salzburger Nachrichten

29. November 2007
Dalai Lama: Nachfolger könnte durch Wahl bestimmt werden
In einem Interview hat der Dalai Lama Absichten geschildert, möglicherweise seine Nachfolge nicht auf die traditionelle Weise zu regeln. Wenn sein Tod nahe, könnte zunächst ein Referendum unter tibetischen Buddhisten abgehalten werden, ob die Institution des Dalai Lama überhaupt fortbestehen soll. Wenn ja, gebe es verschiedene Optionen: eine demokratische Wahl, die Ernennung eines Nachfolgers durch ihn selbst noch zu seinen Lebzeiten, oder der traditionelle Weg einer Reinkarnation, aber ausserhalb des chinesischen Machtbereiches. Er begründete diese Gedanken damit, dass er sich sicher sei, dass China nach seinem Tode den Tibetern einen eigenen, regierungs- und parteikonformen Nachfolger vorsetzen werde. „Das tibetische Volk würde ihn aber nicht unterstützen, weil er im Herzen kein Tibeter ist“, sagte er weiter.
Konkrete Pläne für die Regelung seiner Nachfolge seien aber noch nicht ausgearbeitet worden, teilte der Dalai Lama mit. Wenn sein Ende näher rücke, könnten die tibetischen Buddhisten in einem ersten Schritt in einem Referendum über die Institution des Dalai Lama entscheiden. „Wenn das tibetische Volk entscheidet, dass [diese] nicht mehr relevant ist, dann wird sie automatich aufhören zu existieren.“ Stimmberechtigt sollten alle tibetischen Buddhisten in der Himalaya-Region und der Mongolei sein.
Nach Ausgang des Referendums gebe es dann die Option einer demokratischen Wahl durch die Tibeter, oder er könne auch selbst zu Lebzeiten seinen Nachfolger ernennen. Auch die Suche nach einer Wiedergeburt entsprechend der Tradition sei eine Option. „Der spezifische Zweck einer Wiedergeburt ist das Weiterarbeiten an Aufgaben, die während des vorangegangenen Lebens nicht abgeschlossen werden konnten. Wenn wir zum Zeitpunkt meines Todes noch immer als Flüchtlinge leben, dann ist es logisch, dass sich meine Wiedergeburt ausserhalb von Tibet ereignet, um mein Werk fortzusetzen“, sagte der Dalai Lama.
Ausgerechnet die kommunistische Regierung von China, die noch kürzlich alle Inkarnationen einem bürokratischen Anerkennungsverfahren unterworfen hatte [vergl. Tibet-Information vom 7. August 2007; UM], protestierte prompt und beschuldigte den Dalai Lama eines „eklatenten Bruches religiöser Praktiken und historischer Vorgehensweisen.“

Hohe Haftstrafen für Protest bei Reiterfestival in Lithang
Nach seinem aufsehenerregenden friedlichen Protest bei dem Reiterfestival in Lithang am 1.August [vergl. Tibet-Information vom 7. August und 22. September 2007; UM] ist der 52-jährige Nomade Rongye Adak, Vater von 11 Kindern, zu einer hohen Haftstrafe verurteilt worden. Die Strafe lautet auf 8 Jahre Gefängnis und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf vier Jahre wegen „Aufhetzung zur Spaltung des Staates und der Untergrabung der Einheit des Landes“ sowie der „schweren Störung der öffentlichen Ordnung“.
Drei weitere Angeklagte wurden ebenfalls verurteilt. Adruk Lopoe, ein Neffe Rongye Adaks, erhielt zehn Jahre wegen „Verschwörung mit ausländischen separatistischen Kräften zur Spaltung des Landes und der Verteilung politischer Pamphlete“. Kunkhen (Jamyang Goinqen), ein Künstler, der am 22. August willkürlich und ohne Angabe von Gründen von Organen des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) von Lithang festgenommen worden war, wurde wegen „spalterischer Aktivitäten“ zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Lothok, ein 36jähriger Nomade und Vater von fünf Kindern aus Lithang, erhielt eine Strafe von drei Jahren. Es gibt keine Information über den physischen Zustand dieser Männer, noch wohin sie nach Verkündung des Urteils gebracht wurden.

Quellen: AFP; Associated Press; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD)

2. November 2007
Wiederum Schüsse auf flüchtende Tibeter
Genau ein Jahr nach den tödlichen Schüssen auf eine Gruppe von Tibetern, die den Nangpa-Pass nach Nepal überqueren wollten [vergl. Tibet-Information vom 13. und 20. Oktober 2006; UM], ist wieder eine Gruppe am gleichen Ort unter Beschuss geraten. Etwa 30 Personen wurden am 18. Oktober von chinesischen Grenzwachen unter Beschuss genommen, als sie den vereisten Pass überquerten. Einige von ihnen – die genaue Zahl ist noch nicht bekannt – wurden festgenommen, während die übrigen weglaufen konnten und Nepal erreichten. Menschen kamen bei diesem Vorfall nicht zu Schaden. Allerdings seien einige Mitglieder der Gruppe, die durch Krankheit und Anstrengung geschwächt waren und hinter der Hauptgruppe zurückblieben, schon vor den Schüssen von den Grenzwachen entdeckt und verhaftet worden.
Die Flüchtlinge sagten in Kathmandu aus, dass sie von einer Gruppe von 7 Grenzwachen verfolgt wurden, die sie zum Anhalten aufforderten und dann mehrfach auf sie schossen.
Die Schüsse wurden auch im Base Camp am Cho Oyu gehört, dem gleichen Ort, an dem vor einem Jahr die tödlichen Schüsse auf eine 17-jährige Nonne gefilmt wurden. Schüsse auf flüchtende Tibeter sind seit Jahren an der Tagesordnung, und die Zahl der bekannt gewordenen Vorfälle repräsentiert vermutlich nur die Spitze des Eisberges. Diejenigen, die verhaftet werden, müssen in Haft mit schweren Misshandlungen rechnen.

Trotz Repressionen: Tibeter feiern Ehrung des Dalai Lama
Trotz Drohungen und Repressionen [vergl. Tibet-Information vom 17. und 21. Oktober 2007; UM] feierten Tibeter offenbar landesweit die Ehrung des Dalai Lama durch den US-Kongress. In der Wahl der Aktionen zeigten sie einen grossen Erfindungsreichtum. Auch zeigten die Aktionen, die sich in sehr weit entfernten Regionen in ähnlicher Weise ereigneten, ein hohes Mass an nationalem Selbstbewusstsein und Koordination, ermöglicht durch moderne Kommunikationsmittel wie das Internet.
Im Drepung-Kloster nahe Lhasa umstellte ein massives Aufgebot von Sicherheitskräften die Anlage und hielt tagelang mehrere hundert Mönche und Besucher fest. Eine Gruppe von Mönchen hatte ein Gebäude, das als hypothetische Residenz des Dalai Lama angesehen wird, neu angestrichen, und dieser eher symbolische Akt provozierte dann den massiven Einsatz der Sicherheitskräfte.
Viele Aktionen werden auch aus der ehemaligen osttibetischen Provinz Kham gemeldet, trotz des Verbotes von öffentlichen Feiern und dem Verkauf von Feuerwerk. Internet-Cafes und Geschäfte mussten am Tag der Verleihungszeremonie in Washington schliessen. Bei Razzien in Läden kam es zu mehreren kleinen Zusammenstössen.
Mönche des Labrang-Klosters, einer der grössten Klosteranlagen Tibets, hatten privat eine grosse Summe Geld gesammelt, um Feuerwerk zu kaufen, das jedoch von Sicherheitskräften konfisziert wurde. Dennoch gelang es, ein Feuerwerk abzubrennen. Die Beteiligten entgingen einem massiven Polizeiaufgebot, indem sie das Feuerwerk, das ursprünglich zeitgleich mit der Zeremonie in Washington abgebrannt werden sollte, etwas früher zündeten. Ausser Jubel und Segenswünschen wurden vereinzelt auch Rufe nach der Unabhängigkeit gehört. Als Sicherheitskräfte mit einem Wasserwerfer anrückten, wurden sie mit Steien beworfen. Es soll zu Verhaftungen und Verletzten auf beiden Seiten gekommen sein.
Nach übereinstimmenden Beobachtungen wurde auch verbreitet und ausgiebig in privaten Haushalten gefeiert. Auf vielen Hausdächern wurden Weihrauch-Feuer gesehen. Eine ungewöhnlich hohe Zahl von Pilgern umwandelte den in Osttibet gelegenen heiligen Berg Amnye Machen, zündete Weihrauchfeuer an und errichtete Gebetsfahnen.

Quellen: International Campaign for Tibet; TibetInfoNet

22. Oktober 2007
Zusammenstösse nach Ehrung des Dalai Lama: Polizei hält Mönche fest
Trotz der umfassenden Sicherheitsmassnahmen in Lhasa [vergl. Tibet-Information vom 17. Oktober 2007; UM] ist es zu grösseren Auseinandersetzungen gekommen. Laut der Hongkonger Tageszeitung "Ming Pao" wollten es sich mehrere hundert Mönche des nahe Lhasa gelegenen grossen Drepung-Klosters nicht nehmen lassen, die Auszeichnung des Dalai Lama mit der Ehrenmedaille in den USA zu feiern. Während der viertägigen Auseinandersetzungen kam es zu Zusammenstössen mit Sicherheitskräften. Danach wurde es den rund 1100 Mönchen und Dutzenden Besuchern untersagt, das Kloster zu verlassen, berichtete die Zeitung weiter. 3000 bewaffnete Polizisten hätten das Gebäude umstellt. Es gab keine Berichte über Festnahmen oder Verletzte.

Google und andere Suchmaschinen spüren Chinas Rache
Google, der Microsoft-Dienst Live.com und die Suchmaschine Yahoo.com sowie andere Anbieter von Suchmaschinen sind offenbar Opfer eines Racheaktes der chinesischen Regierung geworden. Der Zugang zu mehreren Webseiten und Internetangeboten der US-Suchmaschinen ist von der chinesischen Zensur zumindest teilweise blockiert worden, darunter die chinesische Google-Suchseite und das Videoportal Youtube. Sämtliche Anfragen von chinesischen Rechnern werden automatisch auf die chinesische Suchmaschine Baidu umgeleitet. Die chinesische Regierung begründet die Sperrung von Webseiten meist nicht. Branchenkenner spekulierten, dass das Zusammentreffen von US-Präsident George W. Bush mit dem Dalai Lama der Grund sei. Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass die geschmeidige Kooperation besonders von Google und Yahoo mit der Zensur Chinas [verg. Tibet-Information vom 25. Janaur 2006; UM] sich besonders ausgezahlt hätte.

Beijings Internetwächter hatten bereits mehrfach den Zugang zu Google und anderen ausländischen Internetangeboten gesperrt.

Dieses Mal wurden Internetnutzer auf die Seite der chinesischen Suchmaschine Baidu umgeleitet. Baidu gilt als regierungstreues Vorzeigeunternehmen, ist aber längst als Börsenwert am Nasdaq notiert. In China ist Baidu sogar erfolgreicher als Google: Die Seite ermöglicht nach wie vor illegale MP3-Downloads, sehr zum Ärger der US-Musikindustrie.

Wie willkürlich die chinesische Zensurbehörde vorgeht, auch um chinesischen Firmen einen Vorteil zu verschaffen, zeigt ein weiterer Fall: Im Frühjahr war Baidu in Japan gestartet. In China sind pornographische Webseiten fast komplett blockiert. Nur über Baidu.jp waren diese zeitweise zugänglich. Die Nutzerzahlen von Baidu.jp schossen nach oben, 60 Prozent der Zugriffe kamen aus China. Offenbar tolerierten die Sittenwächter das Schlupfloch, um den Marktanteil von Baidu Japan künstlich nach oben zu drücken. Baidu.jp ist mittlerweile nicht mehr aus China zu erreichen.

Beijing schlägt scharfe Töne gegen Bush an
Die chinesische Führung hat der US-Regierung nach ihrem Empfang des Dalai Lama durch den Kongress eine "schwere Beschädigung des beiderseitigen Verhältnisses" vorgeworfen. Chinas Aussenminister Yang Jiechi bestellte den US-Botschafter in Beijing ein. Ein Sprecher des Aussenministeriums verlangte von Washington, seine "Einmischung in Chinas Angelegenheiten zu stoppen" und "keine Ratschläge" für den Umgang mit dem Dalai Lama zu erteilen. Er riet den USA zugleich, mit "wirksamen Massnahmen die schrecklichen Auswirkungen ihrer falschen Handlungsweise zu beseitigen". Mit anderen Worten: Washington solle sich etwas einfallen lassen, um die Beziehung wieder zu kitten.

Noch am Abend vor der Preisverleihung hatte der Chef der kommunistischen Religionsbehörde Ye Xiaowen westliche Politiker beschuldigt, "einem Spalter die Bühne für seine Farce zu geben". Vor einer Gruppe von Korrespondenten am Rande des Parteitages spielte er auf Kanzlerin Angela Merkel und George W. Bush an. Es gebe "da Christen", die sich leidenschaftlich für den Dalai Lama einsetzten. Er möchte ihnen mit dem Bibelzitat antworten. "Was du nicht willst, dass man dir tu, das füge keinem anderen zu."

Die Wortwahl und plumpe Anschuldigungen gegen den Dalai Lama, ein Meister der Verstellung und einst ein Herrscher über ein Sklavensystem gewesen zu sein, zeigten am Donnerstag den Grad der Empörung an, mit dem sich Chinas Führung in der Tibetfrage international vorgeführt fühlt. Aussenamtssprecher Liu blieb aber die Antwort schuldig, ob Beijing über seine Absage eines bilateralen Treffens mit den USA zum iranischen Atomprogramm in Berlin andere "Vergeltungsmassnahmen" trifft. Auf chinesischen Seiten im Internet spekulierten einige offenbar als "Warnungen" gedachte Beiträge, dass die chinesische Führung mit ihren Nachfolgearrangements des 17. Parteitags zu sehr befasst sei, um sofort zu reagieren. Zudem soll die Aufmerksamkeit der Bevölkerung nicht vom Parteitag abgelenkt werden.

Dafür sprach zumindest, dass Beijing weder dem Fernsehen noch den Zeitungen erlaubte, auch nur einen Satz über den Streit über den Dalai Lama zu melden. Im Vorfeld hatten chinesische Führer noch versucht, die USA von ihrer Kongress-Preisverleihung abzubringen.

Der Religionsbeauftragte der Partei, Ye Xiaowen, liess nun erkennen, dass Beijing auf ein Ableben des 72-jährigen Dalai Lama wartet. Seine Wiederauferstehung durch Reinkarnation werde "selbstverständlich nach den Bestimmungen der Religionsbehörde über lebende Buddhas ausgewählt". Mit anderen Worten: Beijing wird über den nächsten Jungen als neuen Dalai Lama entscheiden und seine Erziehung überwachen.

Quellen: Ming Pao (Hongkong); Die Welt Online; Süddeutsche Zeitung; Spiegel Online

17. Oktober 2007
Buddha-Statue an Tibets heiligem Berg Kailash gesprengt
In unmittelbarer Nähe zum heiligen Berg Kailash in Tibet haben chinesische Einsatzkräfte eine 15 Meter hohe buddhistische Statue gesprengt. Den Berichten deutscher und österreichischer Zeugen zufolge wurde die seit März 2007 in Bau befindliche Statue des Padmasambhava in der Nacht vom 28. zum 29. September unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zerstört.

Bereits am Vortag der Aktion wurde Touristen das Fotografieren verboten. Kameras wurden kontrolliert, Filme und Speicherkarten gelöscht. In der Nacht waren mehrmals deutlich Explosionen zu vernehmen, am Morgen danach stand nur noch der Sockel der Statue. Ein Ausgangsverbot wurde verhängt und von einem riesigen Aufgebot an Polizei und Militär überwacht. Mehrere Reisegruppen wurden daran gehindert, ihre Unterkunft am nächsten Morgen in Richtung der Statue zu verlassen und die geplante Umrundung des Bergs Kailash durchzuführen.

Es handelt sich bereits um die zweite Zerstörung einer neu gebauten Statue. Im Mai wurde im zentraltibetischen Kloster Samye eine gerade errichtete Statue, die ebenfalls den Religionsstifter Padmasambhava darstellt, niedergerissen [vergl. Tibet-Information vom 8. Juni 2007; UM]. Wie auch in Samye, war die Statue in Darchen in privater Initiative errichtet worden. Gemäss neuer Vorschriften über die “Regelung der religiösen Angelegenheiten” darf kein neues religiöses Bauwerk ohne offizielle Genehmigung errichtet werden. Artikel 13 sieht vor, dass religiöse Organisationen einen Antrag auf Prüfung und Genehmigung einreichen müssen. Gruppen und Einzelpersonen, die keiner religiösen Organisation angehören, dürfen keine religiösen Bauwerke errichten.

Vor der Ehrung des Dalai Lama durch US-Kongress: Repressionen in Lhasa
Vor der Verleihung der Goldmedaille des US-Kongresses durch den Dalai Lama, die am 17. Oktober in einer feierlichen Zeremonie auf dem Kapitol in Washington vorgenommen wurde, versuchten die Behörden in Lhasa, jegliche Freudensbekundungen der Bevölkerung zu unterdrücken.

Schülern, Studenten und Regierungsangestellten wurde es verboten, während dieser Woche frei zu nehmen oder an Sangsol-Ritualen (dem Entzünden von Weihrauch und Opfern von Gerstenmehl als Ausdruck von Glücks- und Segenswünschen) teilzunehmen, anderfalls wurde mit Verweis von Schule oder Universität oder dem Verlust des Arbeitsplatzes gedroht.

Ältere Tibeterinnen und Tibeter, die sich traditionell vor dem Ramoche-Tempel zu Gebeten versammeln, wurden für unbestimmte Zeit vom Ort weggewiesen. Alle Nachbarschaftskommittees wurden angewiesen, jegliche religiöse Feiern oder Freudensbekundungen in den Wohnquartieren zu unterbinden. Ehemalige politische Gefangene wurden vom Büro für Öffentliche Sicherheit zu Verhören auf Polizeistationen gebracht, und es wurde ihnen ebenfalls verboten, an Zeremonien teilzunehmen. Die Zahl der Sicherheitskräfte in Lhasa wurde deutlich erhöht, und die Überwachung sensitiver Orte und Wohnungen von früheren politischen Gefangenen verstärkt.

Massives Umsiedlungsprogramm für Nomaden
Die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua berichtet über ein extensives Programm, das Nomaden angeblich aus „Umweltschutzgründen“ aus dem Quellgebiet des Yangtse- und Gelben Flusses in feste Siedlungen übersiedelt. Schon seien 30'000 Nomaden in 35 Siedlungen umgezogen; weitere 30'000 sollen innerhalb des nächsten Jahres folgen. Die Zahl der Siedlungen wird auf 86 steigen.

In der Vergangenheit haben NGOs auf die Schattenseiten solcher Aktionen hingewiesen. Derartige Programme werden ohne Anhörung der Betroffenen beschlossen; viele Nomaden können sich nicht mit der Sesshaftigkeit abfinden; das ihnen zugewiesene Land ist minderwertig, während auf ihren alten Weidegründen plötzlich Bodenschätze abgebaut werden; und die angeblich kostenlosen neuen Wohnungen müssen auf einmal bezahlt werden [vergl. Tibet-Information vom 10. Mai 2007; UM].

Quellen: Presse-Monitor; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD); Xinhua

15. Oktober 2007
Jugendliche wegen Graffiti verhaftet und misshandelt
Am 14. September wurden über 40 Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren verhaftet, weil sie Forderungen nach der Rückkehr des Dalai Lama auf die Wände einer Schule und Polizeistation geschrieben haben sollen. Mindestens einer von ihnen wurde durch Schläge der Polizeikräfte erheblich verletzt. Die Verhaftungen erfolgten in der Präfektur Gannan in der chinesischen Provinz Gansu, einer Region mit tibetischer Population. Die Jugendlichen wurden an einem unbekannten Ort interniert. Alle stammen aus Nomadenfamilien und besuchen eine lokale Schule.

Einer von ihnen, ein 14-jähriger Junge, wurde so schwer misshandelt, dass er stark blutete, als ihn Angehörige nach der Verhaftung sahen. Die Polizei verlangte von den Angehörigen, die ihn zur Behandlung in ein Spital bringen wollten, die Garantie, dass er spätestens nach zwei Tagen wieder in Haft zurückkehre. Ausserdem sollten sie eine Kaution von umgerechnet Fr. 800 hinterlegen. Diese Summe konnte die Familie jedoch nicht aufbringen.

Der grösste Teil der Gruppe wurde zwei Tage später freigelassen, jedoch blieben sieben von ihnen weiter in Haft. Wenige Tage danach wurden drei weitere aus dieser Gruppe gegen Geldbussen von umgerechnet ca. Fr. 250 freigelassen. Über das Schicksal der letzten vier Inhaftierten ist nichts bekannt. Auch die Lehrer an der Schule wurden verhört.

An dem Tag, an dem die Festnahmen erfolgten, wäre eigentlich schulfrei gewesen. Die Eltern wurden jedoch informiert, dass ihre Kinder an diesem Tag unbedingt zur Schule kommen müssten, weil einem zu Besuch weilenden hochrangigen chinesischen Funktionär der Fortschritt, der in dieser Gegend im Erziehungswesen gemacht wurde, demonstriert werden sollte. Im Falle des Fernbleibens der Kinder wurde den Eltern eine Geldstrafe angedroht.

Kommunistische Partei stellt Loyalität tibetischer Parteimitglieder in Frage
Radio Free Asia ist ein internes Dokument der Kommunistischen Partei Chinas zugespielt worden, das die Loyalität tibetischer Parteimitglieder bezweifelt. Das Memorandum, das von dem „Parteiausschuss für Disziplin und Inspektion“ Anfang September verfasst wurde, bezeichnet diese Personen als solche, „die an der Brust der Kommunistischen Partei saugen, aber den Dalai Lama ihre Mutter nennen.“

Das Dokument ruft zu einer Reinigungskampagne auf und sagt weiter: „Es gibt noch immer eine kleine Zahl dissidenter Elemente in unserer Partei, deren Bekenntnis zu unseren Idealen, Prinzipien und politischen Standpunkt nicht standfest ist.“

Quellen: Reuters; Tibet Watch; Radio Free Asia

21. September 2007
Drastische Massnahmen nach Protesten in Lithang
Nach den Protesten in der Region Lithang, bei denen die Rückkehr des Dalai Lama gefordert wurde [vergl. Tibet-Information vom 7. August 2007; UM], ergriffen die Behörden eine Reihe drastischer Massnahmen, um solche Vorkommnisse in Zukunft zu unterbinden. Am 1. August hatte der 53-jährige Runggye Adak, ein in der Region für sein soziales Engagement hoch angesehener Nomade, sich während des populären Reiterfestivals des Mikrofons bemächtigt und unter dem Beifall der Anwesenden die Rückkehr des Dalai Lama, Religionsfreiheit und die Entlassung politischer Gefangener gefordert. Über mehrere Tage versammelte sich eine Menschenmenge vor der lokalen Polizeistation und verlangte seine Freilassung. Die Protestierenden zogen erst ab, als massive Verstärkungen für die Sicherheitskräfte eintrafen und ein gewaltsamer Einsatz angedroht wurde.
Runggye Adak sowie weitere Familienmitglieder befinden sich weiter in Haft. Es wird damit gerechnet, dass ihnen vor Beginn des Nationalen Parteikongresses in Beijing, der im Oktober stattfindet, der Prozess gemacht wird.

Ein hoher Funktionär im Ministerrang sei für 6 Monate in der Region stationiert worden. Ethnisch tibetische Regierungskader, darunter der lokale Polizeichef, wurden gegen chinesische ausgetauscht. Zahlreiche lokale Beamte und Würdenträger mussten in vorgefertigten Stellungnahmen den Dalai Lama denunzieren, was dann auf Video festgehalten wurde. Ihnen wurde eine Frist dafür gesetzt und bei Nichteinhalten Strafen angedroht. Weiter sollen Mönche und ethnisch tibetische Regierungsangestellte dazu gezwungen worden sein, eine Demonstration gegen den Dalai Lama durchzuführen und dabei pelzbesetze Kleider zu tragen. Letzteres hatte der Dalai Lama als nicht mit der buddhistischen Lebensweise vereinbar bezeichnet und eine grosse Vernichtungsaktion von solchen Kleider ausgelöst.

Mehrere tausend Angehörige der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) seien inzwischen in die Gegend verlegt worden seien – so viele, dass bereits die Unterkünfte knapp werden. Deshalb wurden die Sicherheitskräfte in einen grossen Getreidespeicher einquartiert, welcher extra für sie geräumt werden musste.

Öffentliche Diskussionen über die Verhaftung von Runggye Adak sind bei Androhung von Haftstrafen verboten.

China kommen diese Proteste nicht nur deswegen ungelegen, weil sie das sorgfältig aufgebaute Image für die kommenden Olympischen Spiele in Beijing stören. Auch wurden Reiterfestivals wie dieses in Lithang mehr und mehr zu Touristenattraktionen aufgebaut, wo tibetische oder pseudo-tibetische Traditionen den nationalen und internationalen Touristen vorgeführt werden sollen. Diese Tatsache gewährleistete aber auch die prompe Berichterstattung in den internationalen Medien nur wenige Tage nach dem Vorfall.

Die Region um Lithang hat eine lange Tradition des Widerstandes gegen die chinesische Besatzung. Überproportional viele politische Gefangene stammen von hier.

Offenbar handelte es sich bei dem Vorfall, der von Runggye Adak verursacht wurde, nicht um die einzige Äusserung von Protest. TibetInfoNet hat ein handgeschriebenes Flugblatt erhalten, das am Rande der gleichen Veranstaltung verteilt wurde und deutlich militantere Töne anschlägt. Es verurteilt in scharfen Worten die Folgen der chinesischen Besetzung und fordert die Unabhängigkeit Tibets. Es endet mit der Drohung, dass wenn diese Forderung nicht erfüllt werde, „mehrere zehntausend Tibeter ohne zu zögern ihr Leben opfern werden.“

Quellen: Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD) nach adaptierter deutscher Übersetzung durch IGFM München; TibetInfoNet

15. August 2007
Überwachung und Restriktionen in Lhasa und Umgebung ausgeweitet
Das TCHRD berichtet über eine deutliche Verstärkung der Überwachung und verschärfte Restriktionen, die durch den Hungerstreik ausgelöst wurden, den junge Tibeter kürzlich in Delhi durchführten. Dieser Hungerstreik erzeugte grosse Anteilnahme und viele Sympathiebekundungen. Ein anderer Grund für die Massnahmen sind möglicherweise die kürzlichen Protestaktionen, die ebenfalls ein grosses mediales Echo fanden [vergl. Tibet-Information vom 7. August 2007; UM].

In Lhasa und Umgebung wurden strikte Anweisungen an alle Reisebüros erteilt, dass sie während der nächsten Zeit keinerlei Dienstleistungen für im Ausland lebende Tibeter erbringen dürfen, die nach Lhasa reisen wollen. Im Falle der Zuwiderhandlung werden ihnen folgenschwere Konsequenzen wie die Schliessung ihrer Agenturen angedroht. Die Reisebüros wurden auch angewiesen, Tibetern gegenüber, die aus den USA anreisen, besonders wachsam zu sein. Mehrere der Aktivisten, die die Protestaktionen im Everest Base Camp im April und an der Grossen Mauer im August durchführten, waren in den USA oder Kanada lebende Tibeter.

Im Zuge der erhöhten Sicherheitsmassnahmen ordneten die chinesischen Behörden an, das Public Security Bureau (PSB) von Lhasa solle die Bettler in den Strassen zusammentreiben und sie den Behörden ihrer Herkunftsorte übergeben. Den Bettlern wurde nachdrücklich befohlen, sich nie wieder in den Strassen von Lhasa sehen zu lassen.

Alle Teehäuser, Internetcafés, Telefonzellen usw. in den Strassen und Gassen um den Barkhor (Zentralmarkt) werden von Beamten in Zivilkleidung durchkämmt. Ihre Anzahl soll beträchtlich erhöht worden sein. Verstärkte Kontrollen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit wurden auch auf Büros, Schulen und die Wohnungen ehemaliger politischer Gefangener und politisch verdächtiger Personen ausgedehnt. Zwar seien bereits Ermittlungen im Gange und die Bewegungen der betreffenden Personen würden überwacht, doch liegen bisher noch keine Nachrichten über Verhaftungen vor.

Massenentlassungen von tibetischen Kadern, ersetzt durch Chinesen
Nach Informationen von Human Rights Watch sind seit Juli zahlreiche tibetische Kader aus ihren Positionen in der Kommunistischen Partei Chinas entlassen worden. Dazu rekrutiert China verstärkt Chinesen für Regierungspositionen in Tibet. Der Grund für die Entlassungen ist ein – aus Sicht der Kommunistischen Partei - zu geringes Engagement der tibetischen Kader in der Kampagne gegen den Dalai Lama.

So sollen allein im Juli in 54 der 74 Distrikte in Tibet die tibetischstämmigen lokalen Parteisekretäre durch ethnische Chinesen ersetzt worden sein. China habe laut Informanten gegenwärtig kein Vertrauen in Tibeter in Kaderpositionen, und der lokale Parteivorsitzende Zhang Qingli habe diese wiederholt kritisiert, dass diese nicht entschlossen genug agierten.

Auch hat China kürzlich ein Programm zur Rekrutierung von Regierungspersonal für temporäre Positionen in Tibet aufgelegt. Angelockt durch grosszügige Boni und Stipendien hätten sich über 10'000 Kandidaten für eine dreijährige Tätigkeit in Tibet beworben. Bis jetzt seien aus dem Kreis der Bewerber 853 Personen ausgewählt worden.

Quellen: Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD) nach adaptierter deutscher Übersetzung durch IGFM München; International Herald Tribune

7. August 2007
Inkarnation nur noch mit behördlicher Genehmigung
Die chinesische Religionsbehörde, das „Staatsbüro für religiöse Angelegenheiten“, hat detaillierte Vorschriften für die Anerkennung von inkarnierten Mönchen veröffentlicht, die am 1. September in Kraft treten. „Ein sogenannter wiedergeborener Lebender Buddha ohne behördliche Genehmigung ist illegal und ungültig“, besagt die Verordnung. Laut der offiziellen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua seien die neuen Regeln „eine wichtige Entwicklung, um die Handhabe der wiedergeborenen Lebenden Buddhas zu institutionalisieren“. Damit werde die „nationale Einheit und Solidarität aller Volksgruppen“ gewährleistet.

Die Anwendung dieser Regeln bedeutet nicht nur den Todesstoss für eine Jahrhunderte alte Tradition, sondern entzieht auch dem Dalai Lama jede Möglichkeit der Einflussnahme, denn laut Verordnung heisst es: „Dieser Prozess [der offiziellen Anerkennung einer Wiedergeburt; UM] kann nicht von einer Gruppe oder von einem Individuum im Ausland beeinflusst werden.“

Mehrere signifikante Protestaktionen in Tibet und China
Am 23. Juli haben laut Radio Free Asia mehrere hundert Frauen und Jugendliche in der Präfektur Kardze in Osttibet mit einer Menschenkette die Hauptverkehrsstrasse vorübergehend blockiert. Sie protestierten gegen die Verhaftung und Verurteilung des Mönches Tenzin Delek Rinpoche. Dieser wurde unter zweifelhaften Umständen wegen eines angeblich geplanten Bombenanschlages zunächst zum Tode verurteilt, nach internationalen Protesten später zu lebenslänglicher Haft „begnadigt“ [vergl. Tibet-Information vom 27. Januar 2005; UM]. Ausgelöst wurde die Strassenblockade durch ein Verbot der lokalen Behörden, während einer religiösen Zeremonie im lokalen Kloster ein Portrait von Tenzin Delek Rinpoche aufzustellen. Die Polizei löste die Strassenblockade auf und verhaftete 10 Personen, von denen zwei noch immer in Haft sein sollen.

Am 1. August kam es in der osttibetischen Stadt Lithang zu einem ungewöhnlichen Protest. Als dort anlässlich der populären Pferderennen ein Offizieller sprechen wollte, um an den 80. Jahrestag der Gründung der Chinesischen Volksbefreiungsarmee zu erinnern, betrat der 53-jährige Nomade Runggye Adak die Bühne, entriss ihm das Mikrofon und forderte unter dem Beifall der Zuschauer die Rückkehr des Dalai Lama. „Wenn wir den Dalai Lama nicht zur Rückkehr einladen können, gibt es in Tibet keine Religionsfreiheit und kein Glück“, soll er laut Radio Free Asia gesagt haben. Ausserdem forderte er die Freilassung der vom Dalai Lama anerkannten Inkarnation des Panchen Lama, der seit 12 Jahren an einem unbekannten Ort interniert ist, und er stellte einen anderen anwesenden Lama zur Rede, warum dieser bei der „Patriotischen Umerziehungskampagne“ in Klöstern mitmache. Als die Polizei einschritt und Runggye Adak von der Bühne zerrte, soll er noch betont haben, dass er nichts Ungesetzliches begangen habe, denn die chinesische Verfassung garantiere doch Religionsfreiheit. Später soll sich vor der Polizeistation eine ärgerliche Menge versammelt haben, die seine Freilassung forderte, und die Polizei habe Warnschüsse in die Luft abgefeuert, um die Menge zu zerstreuen. Laut Radio Free Asia seien insgesamt 20 Mönche und 200 weitere Anwesende verhaftet worden. Ihr gegenwärtiger Verbleib ist unklar. Inzwischen seien die lokalen Sicherheitskräfte durch weitere Einheiten verstärkt worden.

Sechs Aktivisten sind am 7. August bei einer Protestaktion an der Grossen Mauer bei Peking festgenommen worden. Ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking entrollten sie ein 42 Quadratmeter grosses Spruchband, wie die britische Free Tibet Campaign berichtet. Darauf stand: «Eine Welt, ein Traum – FreiesTibet - 2008». Die Aufschrift in Chinesisch und Englisch spielt auf das offizielle Motto der Olympischen Spiele 2008 an. Ein Foto des Transparents ist unter folgendem Link zu sehen: http://www.baz.ch/invoke.cfm?ObjectID=3EC66A00-1422-0CEF-702D30D1EAC9B09B. Das Schicksal der Aktivisten, die nach zwei Stunden von der Polizei abgeführt wurden, war zunächst ungeklärt.

Quellen: The Times; Radio Free Asia; BBC; AP; Basler Zeitung Online

30. Juli 2007
China observiert mögliche Störer der Olympischen Spiele
Laut Informationen, die die Nachrichtenagentur AP erhielt, hat China mit einer umfassenden Aktion zur Observierung möglicher Störer der Olympiade begonnen. Sicherheitsbehörden sowie in- und ausländische Berater sind involviert, um mögliche Störungsszenarien auszuarbeiten und entsprechend diverse Organisationen zu observieren. Während dieses für jedes Land, das ein vergleichbares Ereignis ausrichtet, normal ist, ist der Umfang ungewöhnlich gross und erfasst auch Organisationen und Individuen, deren Aktivitäten sich in jedem freien Land der Welt im legalen Rahmen bewegen.

Ganz oben auf der Liste stehen mögliche Attacken von militanten islamischen Gruppen, aber sie umfasst auch jede andere denkbare Art von Störung: Proteste der Exil-Tibeter, Falun Gong, veramter Bauern und Wanderarbeiter, dazu Aktionen von Darfur-Aktivisten, missionierenden Christen, Umweltschützern und sogar anti-amerikanische Aktionen auf chinesischem Boden. Eine PR-Agentur sei auch gefragt worden, ob sie Störungen des Fackellaufes für möglich halte und wie man darauf reagieren sollte.

Die involvierten Sicherheitsbehörden und Berater sind nicht nur besorgt wegen des Image-Schadens, sondern auch dass Aktionen, die anderswo völlig legal wären, Vorbildfunktion für opponierende Gruppen in China haben könnten. Ein ungenannter ausländischer Berater sagte gegenüber AP: „Sie sind über alle möglichen Demonstrationen besorgt… Sie wollen unbedingt herausfinden, welche NGOs kommen und welches ihre Pläne sind.“ Präventive Aktionen seitens der Behörden bewegen sich dabei auf einem dünnen Grat: wenn man zu restriktiv vorgeht oder Einreise-Visa verweigt, zieht das negative Publizität nach sich und könnte das IOC und die grossen Sponsoren verärgern.

Um Protesten im Vorfeld zu begegnen, versucht die Regierung laut AP, gezielt NGOs zu infiltrieren. Dazu würden die Sicherheitsbehörden und assozierte Institutionen wie zum Beispiel das dem Ministerium für Staatssicherheit nahestehende China Institute of Contemporary International Relations, umfassende Listen von NGOs und Individuen zu erstellen. Auch chinesische Vertretungen im Ausland seien damit beauftragt, entsprechende Informationen zu sammeln [vergl. Tibet-Information vom 22. Juni 2007; UM].

Tibeter werden gezwungen, wieder Pelze zu tragen
Beim diesjährigen Pferde-Festival in Yushu wurden die Tibeter gezwungen, entgegen der Weisungen des Dalai Lama vom letzten Jahr [vergl. Tibet-Information vom 15. Februar, 6. März und 3. Mai 2006; UM] wieder Pelze zu tragen. Korrespondenten von ANI berichten, dass bei dem Festival die Mitwirkenden unter Androhung einer Geldstrafe gezwungen wurden, mit Pelzen besetzte Festkleider anzulegen. So sollen etliche mit Otterfellen geschmückte Kleider gesehen worden sein.

Das Festival findet jährlich unter Teilnahme von mehreren tausend Tibetern, die oft tagelange Anreisen in Kauf nehmen, in einer entlegenen Region im nördlichen Tibet statt. Die angedrohten Geldstrafen sollen das Mehrfache eines durchschnittlichen Jahreseinkommens ausmachen.

Der Dalai Lama hatte anfangs 2006 das Tragen von Pelzen, besonders von bedrohten Tierarten, als nicht mit der buddhistischen Lebensweise vereinbar bezeichnet. Das führte zu massenhaften Vernichtungsaktionen solcher Kleider durch die Tibeter, wobei Pelze im Marktwert von über 100 Millionen Dollar verbrannt wurden. Die Behörden reagierten auf diese Massenaktionen zunächst hilflos oder gar befürwortend. Das änderte sich radikal, als klar wurde, dass sich diese Bewegung zu einer eindrucksvollen Demonstration der Loyalität zum Dalai Lama entwickelte. Bis jetzt waren Pelze fast völlig von den Kleidern und aus den Geschäften verschwunden und wurden durch Brokade-Applikationen ersetzt.

Quellen: Associated Press; Asian News International (ANI)

8. Juli 2007
Rückkehr der Gesandten: Dialog „in kritischer Phase“
Nach ihrer Rückkehr nach Dharamsala gaben die Gesandten eine kurze Erklärung für die Medien ab. In knappen Worten werden die Gespräche als „aufrichtig und offen“ bezeichnet – das ist nach diplomatischen Gepflogenheiten eine Formulierung, die eine hart ausgetragene Kontroverse anzeigt. Auch die weiteren Worte lassen über die Gespräche, die ungewöhnlich kurz nur über eineinhalb Tage gingen, nichts Positives ahnen.

Hier sind Auszüge aus der Medienerklärung: „Beide Seiten tauschten in aller Deutlichkeit ihre divergierenden Positionen und Sichtweisen über eine Anzahl von Themen aus. Unser Dialog hat eine kritische Phase erreicht. Wir teilten unsere ernste Besorgnis über die Situation von Tibet in grösstmöglicher Deutlichkeit mit und machten einige konkrete Vorschläge zur Implementierung, wenn unser Dialog fortgesetzt werden soll.“

Die Gesandten waren in Shanghai und Nanjing mit hohen Vertretern der sogenannten „United Front“ zusammengetroffen. Die United Front nimmt sich nicht-kommunistischer Bevölkerungsgruppen und Organisationen in China an.

China: Gesandte des Dalai Lama sind gar keine Gesandten
Wie schon bei vorherigen Besuchen, so versuchte auch jetzt das Aussenministerium in Beijing, den sechsten Besuch der Gesandten des Dalai Lama herunter zu spielen. Der Sprecher des Aussenministeriums, Qin Gang, ging am 3. Juli gar so weit, ihren Status als Gesandte abzustreiten. Anlässlich eines Medienbriefing in Beijing sagte er wörtlich: „Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass Lodi Gyari und seine Mitreisenden keine sogenannten Gesandten des Dalai sind…In jedem Jahr kehren tibetische Landsleute zu Besuchen zurück, um sich mit Verwandten zu treffen. Seit 2002 sind Lodi Gyari und andere mehrere Male zurückgekehrt, und sie reisten nach Tibet, in andere Provinzen von China, und machten Rundreisen“.

Andererseits bestätigte Qin Gang, dass sich die Delegation mit hohen Parteifunktionären traf, deren Namen aber ungeannt blieben. Qin gab zu, die Delegation stehe „dem Dalai Lama recht nahe. Wir hoffen, dass sie jede weitere Möglichkeit der Rückkehr [nach China] nützen, sich ernsthaft umschauen und nach ihrer Rückkehr dem Dalai einen den Tatsachen entsprechenden Bericht erstatten, um ihm zu helfen, die Situation und die Politik des Landes zu verstehen und eine richtige Wahl zu treffen.“

Quellen: Tibetan Government in Exile; Reuters

28. Juni 2007
Gesandte des Dalai Lama reisen zur sechsten Gesprächsrunde nach China
Am 29. Juni werden die beiden Gesandten des Dalai Lama, Lodi Gyari und Kelsang Gyaltsen, zur sechsten Runde von Gesprächen mit chinesischen Vertretern nach China reisen. Wie TibetInfoNet berichtet, werden beide ihre Mission mit Gesprächen am 30. Juni in Shanghai beginnen und sollen am 5. Juli zurückkehren. Angeblich soll der ursprünglich vorgesehene Abreisetermin am 26. Juni wegen nicht näher bezeichneter „Differenzen“ mit China kurzfristig verschoben worden sein.

Diese Gesprächsrunde wird insbesondere mit Spannung verfolgt, weil sie die letzte vor Beginn der Olympischen Spiele in Beijing in gut einem Jahr sein könnte. Allgemein wird davon ausgegangen, dass China vor 5 Jahren den Dialog mit dem Dalai Lama vor allem in Hinblick auf die Olympiade wiederbelebte. Allerdings bleibt das Ziel der chinesischen Regierung nach wie vor unklar.

TibetInfoNet verweist auf den schwierigen Kontext, in dem diese Gespräche stattfinden. Die letzte Runde im Februar 2006 fand statt, während die Tibeter massenhaft Tierfelle vernichteten [vergl. Tibet-Informationen vom 15. Februar, 6. März und 3. Mai 2006; UM]. Die Tibeter hatten damit nicht nur den Aufruf des Dalai Lama befolgt, ihre Kleidung nicht mehr mit Pelzen seltener und von Ausrottung bedrohter Tierarten zu schmücken, sondern gleichzeitig auch ihre starke Loyalität zu ihm bewiesen. China verschärfte in der gleichen Zeit die Anti-Dalai-Lama-Kampagne in Tibet. Lodi Gyari erklärte im November 2006, dass er sich nicht länger an die Vertraulichkeit des Gesprächsprozesses gebunden fühle, weil China Details darüber an die Öffentlichkeit hatte dringen lassen. Er beschuldigte einige „Verleumder“ in der chinesischen Führung, die auf den Tod des Dalai Lama spekulierten, eines „kurzsichtigen und gefährlichen“ Kurses. Im März 2007 zeigten die Tibeter bei der massenhaften Teilnahme an Langlebenszeremonien (tib.: Sangsol) während des tibetischen Neujahrsfestes wiederum massenhaft ihre Loyalität [vergl. Tibet-Information vom 23. März 2007; UM]. Im Mai rief der lokale Parteivorsitzende Zhang Qingli zu einem „durchgreifenden Kampf“ gegen den Dalai Lama auf und beschuldigte diesen der Konspiration mit anderen „Feinden Chinas“, bis hin zu terroristischen Organisationen [vergl. Tibet-Information vom 22. Mai 2007; UM].

Verhaftungen und Verschwundene nach Protest gegen Zinkmine
Nach gewaltsamen Protesten gegen eine Zinkmine, die in einen den Tibetern heiligen Berg getrieben wird, sind einige Dorfälteste verschwunden und vermutlich mindestens fünf Personen in Haft. Die Proteste ereigneten sich am 11. Juni in der Stadt Bama, im Osten der ehemaligen tibetischen Provinz Kham, welche nach der chinesischen Invasion teilweise in die Provinz Sichuan eingegliedert wurde.

Die gewaltsamen Aktionen waren Höhepunkt einer Protestkampagne gegen die Mine, die in den Berg Yala, einen der neun heiligen Berge von Tibet, getrieben wird. Vorab hatten Anwohner eine Petition an die Regierung gerichtet, in der sie das Ende der Abbauarbeiten forderten. Sie beklagten sich, dass der Abbau Umweltschäden verursache, gefährdete Tierarten ausrotte, Touristen vertreibe und die Existenzgrundlage der Hirten gefährde. Nach Abgabe der Petition seien einige Dorfälteste verschwunden.

Am 11. Juni protestierten dann etwa 300 Anwohner und zerstörten Einrichtungen der Mine und Fahrzeuge, warfen Steine auf die Polizei und attackierten Minenarbeiter. Dabei sei laut Xinhua ein Arbeiter schwer verletzt worden. Fünf Personen seien verhaftet worden.

Laut Xinhua habe sich nach Intervention der Polizei „das Leben wieder normalisiert“. Es seien Arbeitsteams in die Region entsandt worden, um die Anwohner zum „Einhalten der Gesetze“ zu motivieren.

Quellen: TibetInfoNet; Reuters; Xinhua

22. Juni 2007
Schnellstrasse zum Mount Everest
Für den Fackellauf der Olympischen Spiele im kommenden Jahr will China eine Schnellstrasse einen Grossteil des Mount Everest hinauf bauen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, soll dafür ein 108 Kilometer langer Weg bis zum Basislager in 5.200 Metern Höhe ausgebaut werden. Die Kosten sind auf 150 Millionen Yuan (14.7 Millionen Euro) veranschlagt.

Mit den auf vier Monate angelegten Bauarbeiten wird laut Xinhua noch im Juni 2007 begonnen. Die Strasse soll dann von Touristen und Bergsteigern genutzt werden. Die Organisatoren der Olympischen Spiele in Beijing haben ehrgeizige Pläne für den Fackellauf angekündigt - das Olympische Feuer soll demnach die längste Strecke in der Geschichte zurücklegen und schliesslich bis auf den Gipfel des Mount Everest getragen werden [vergl. Tibet-Information vom 21. Dezember 2006, 27. April und 10. Mai 2007; UM].

Wie China die öffentliche Meinung im Ausland zu manipulieren versucht
Ein ehemaliger chinesischer Diplomat schilderte auf einem auf einem öffentlichen Forum in Toronto, wie die chinesische Regierung im Ausland die öffentliche Meinung für sich zu manipulieren versucht. Chen Yonglin, ehemals Erster Sekretär im chinesischen Konsulat in Sydney/Australien, setzte sich im Mai 2005 ins Ausland ab. Er sprach über die Manöver des Regimes, um die Wahrnehmung Chinas im Westen durch chinesischsprachige Medien im Ausland zu beeinflussen und zu diesem Ziel auch Studentengruppen und chinesische Landsleute einzuspannen, die als Verbände „an der Front“ operieren sollen. Laut Chens Aussage arbeiten in jeder chinesischen Botschaft zwei Mitarbeiter des Geheimdienstes. Ihr Zweck sei, so sagte er, die fünf „Gifte“, also die Gruppen der Exiltibeter, Taiwanesen, moslemischen Uighuren, Demokratieverfechter und Falun Gong Praktizierenden, in Verruf zu bringen.

Chen berichtete auch von den Bemühungen des chinesischen Regimes, die internationalen Medien durch direkte Investitionen zu kontrollieren, um Einfluss auf den Inhalt der Publikationen zu gewinnen. Der Hauptzweck dabei sei, die Menschenrechtsverletzungen des Regimes zu legitimieren. Chen zufolge ist die kommunistische Partei ziemlich instabil, weswegen die Aussenpolitik Chinas von Erwägungen politischer Stabilität dominiert wird. Die Hauptfunktion der chinesischen Vertretungen im Ausland sei, Dissidenten zu beobachten und sie zum Schweigen zu bringen, und dies sei wichtiger als alle anderen Funktionen zusammen.

Als er gefragt wurde, was er von den fünf Gesprächsrunden zwischen den tibetischen Exil-Vertretern und der chinesischen Regierung halte, malte Chen ein sehr düsteres Bild, indem er das ganze Unterfangen als eine „Taktik Chinas“ bezeichnete. Ohne zu zögern sagte er ganz offen: „Der Dalai Lama hat keine einzige Trumpfkarte in der Hand, mit der er verhandeln könnte“, und er fügte hinzu „von der chinesischen Seite gibt es überhaupt keine Aufrichtigkeit. Es ist unmöglich, dass ihr ein befriedigendes Resultat aus den Verhandlungen bekommt“.

Quellen: Basler Zeitung Online; Tibetan Center for Human Rights and Democracy (adaptiert nach deutscher Übersetzung durch IGFM München)

8. Juni 2007
Tibetischer Klosterabt zum Rücktritt gezwungen
Der 70-jährige Khenpo Tsanor, Abt des Dungkyab-Klosters in der nordost-tibetischen Präfektur Golog, wurde Mitte Mai zum Rücktritt gezwungen, weil er sich weigerte, den Dalai Lama denunzierende Erklärungen zu unterzeichnen. Dieser Fall steht exemplarisch für das Vorgehen Chinas in der „Patriotischen Umerziehung“ in Tibet.

Gegenüber Radio Free Asia (RFA) sagte der Abt: „Ich sah die Regierungsdokumente…Der Dalai Lama sollte kritisiert und seine spalterische Haltung verurteilt werden. Aber ich wollte nicht unterschreiben. Ich wusste zwar, dass alle, die nicht unterschreiben, vor Gericht belangt werden. Sie [offizielle Vertreter der Präfektur, die die „Patriotische Umerziehungskampange“ durchführen; UM] drohten sogar, das Kloster zu schliessen, wenn wir nicht die Dokumente unterschreiben… Es war für mich sehr schwer, an diesen quälenden Pflicht-Sitzungen [mit Denunziationen des Dalai Lama; UM] teilzunehmen…Vertreter der Präfektur kamen ins Kloster und fragten, ob ich bereit sei, zurückzutreten. Ich willigte ein, weil ich wusste, ich hatte keine andere Wahl.“

Radio Free Asia erreichte einen Vertreter der Präfektur, der dieses bestätigte. Er erklärte: „Es ist bekannt, dass alle Klöster in China die Direktiven der Regierung erfüllen müssen… Viele Klöster müssen dahingehend evaluiert werden.“ Das betroffene Kloster solle ein „Modelfall“ werden, in dem sich nur noch „loyale“ Mönche aufhielten.

Das Kloster Dungkyab wurde 1837 gegründet und beherbergt etwa 200 Mönche; sowie laut Angaben von lokalen Anwohnern nochmals 130 direkt von China rekrutierte Mönche.

Neue Religions-Verordnung: Polizei zersört eine Statue im Kloster Samye
Die PAP (Peoples’ Armed Police = Bewaffnete Volkspolizei) hat Mitte Mai 2007 im Kloster Samye eine Statue von Padmasambhava, der von den Tibetern unter dem Namen Guru Rinpoche verehrt wird, zerstört und den Schutt an einen unbekannten Ort abtransportiert. In dem den Buddhisten heiligen Monat Saga Dawa erschien eine Kolonne chinesischer Militärpolizisten. Sie rissen eine nahezu vollendete, mit Kupfer und Blattgold versehene Statue von Guru Padmasambhava nieder, die dank der Spende zweier chinesischer Gläubiger aus der Industriestadt Guangzhou (früher Kanton genannt) angefertigt worden war.

Das Kloster Samye, das als das erste auf tibetischem Boden errichtete buddhistische Kloster gilt, geht auf das Jahr 779 zurück. Der in Tibet hoch verehrte Gelehrte Padmasambhava vollendete damals das Bauwerk.

Um zu verhindern, dass etwas über den Abriss nach aussen dringt, hinderte die PAP Pilger, Gläubige und ausländische Touristen daran, das Kloster Samye zu besuchen. Eine grosse Zahl von Militärpolizisten wurde um das Klostergelände herum postiert. Die offizielle Begründung lautete, die Statue sei niedergerissen worden, weil gemäss neuer Vorschriften über die “Regelung der religiösen Angelegenheiten” – ein Verordnung mit 56 Paragraphen - kein neues religiöses Bauwerk ohne offizielle Genehmigung errichtet werden darf.

Artikel 13 sieht vor, dass religiöse Organisationen beim Department der Volksregierung der Autonomen Region Tibet für Religiöse Angelegenheiten einen Antrag auf Prüfung und Genehmigung einreichen müssen. Gruppen und Einzelpersonen, die keiner religiösen Organisation angehören, dürfen keine religiösen Bauwerke errichten.

Quellen: Associated Press, Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD)

29. Mai 2007
China verbietet tibetischen Schülern religiöse Aktivitäten
Wie das TCHRD aus zuverlässiger Quelle aus Tibet erfuhr, berief das Stadtkomitee von Lhasa die Eltern von schulpflichtigen Kindern zu einer Versammlung ein, wo ihnen erklärt wurde, dass ihre Kinder während des den Buddhisten heiligen Monats Saga Dawa (der Monat, in dem Buddha geboren wurde, die Erleuchtung erlangte und starb; ab dem 17. Mai) an keinen religiösen Aktivitäten teilnehmen dürften. Die Schüler wurden angewiesen, während des Saga Dawa keine Klöster aufzusuchen, keine Umwandlung sakraler Stätten vorzunehmen und ihre Schutz-Halsbändchen abzulegen. Die Komiteemitglieder warnten die Eltern, dass jedes Kind, das dem zuwiderhandle, mit dem Schulausschluss zu rechnen habe.

Religiöse Zeremonien unterliegen in Tibet starken Einschränkungen, besonders an wichtigen Tagen und während Festzeiten wie Saga Dawa und Gaden Ngachoe [Todestag des Gelehrten Tsongkapa; siehe Tibet-Information vom 22. Januar 2007; UM], sowie den Geburtstagen des Dalai Lama und des 11. Panchen Lama Gedhun Choekyi Nyima. Letztes Jahr am 12. Dezember untersagten die Behörden allen Parteimitgliedern, Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst, Regierungspersonal, den Angestellten von öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Banken, Berufszentren, Studenten und sogar öffentlichen Bediensteten im Ruhestand, an den Feierlichkeiten des Gaden Ngachoe teilzunehmen. Wer immer diese Anordnung missachte, müsse mit einer Gehaltskürzung oder Degradierung rechnen. Besonders pensionierte Tibeter werden von dieser Anordnung hart getroffen, weil sie meistens besonders gläubig sind und nun von offizieller Seite in der Ausübung ihrer Religion behindert werden. In der Vergangenheit hatten Kader einen gewissen Freiraum, um privat ihre Religion auszuüben, aber jetzt riskieren sie, wenn sie erwischt werden, degradiert und bestraft zu werden.

Besonders streng werden die religiösen Restriktionen in der Stadt Lhasa gehandhabt. Angehörige des Public Security Bureau in Zivil durchkämmen die Stadt, an den Hauptverkehrswegen und in den Altstadtgassen gibt es zahlreiche Video-Kameras zur Überwachung der Passanten. Um die in die Stadt kommenden Leute zu überprüfen, wurden Sicherheits-Kontrollpunkte an den Einfallsstrassen eingerichtet. Bauern, die auf den Strassen der Stadt mit Räucherwerk und Wachholderblättern zu handeln pflegen, wurde an den besagten Tagen der Verkauf verboten.

China verwarnt zwei Reporter wegen Tibet-Berichterstattung
Zwei ausländische Journalisten, die im April aus Tibet berichtet hatten, wurden am 15. Mai separat in das Aussenministerium in Beijing zitiert. Dort wurden sie wegen ihrer “falschen” Berichterstattung verwarnt. Betroffen waren Harald Maass, der China-Korrespondent der Frankfurter Rundschau, und Tim Johnson, China-Korrespondent der McClatchy-Mediengruppe [Zusammenfassung seines Berichtes über die “Sozialistischen Dörfer” in Tibet-Information vom 10. Mai 2007; UM]. Ein Abteilungsleiter im Aussenministerium teilte beiden Journalisten mit, ihre Tibet-Berichterstattung sei ein “ernster Fehler”, würde “die Fakten entstellen” und “journalistische Standards verletzen”. Beide wurden aufgefordert, “ihre Fehler zu korrigieren”.

Beide Reporter gaben an, dass sie während ihres Tibet-Aufenthaltes von Polizisten in Zivil verfolgt und belästigt wurden. Diese verhinderten, dass Maass von Lhasa nach Shigatse, der zweitgrössten Stadt in Tibet, reisen konnte. Tibeter, mit denen sie sprachen, seien bestraft worden.

Unklar blieb, ob die bis Ende der Olympiade geltenden Erleichterungen für ausländische Journalisten [siehe Tibet-Information vom 21. Dezember 2006; UM] auch für Tibet gelten. Maass wurde mitgeteilt, dass er gemäss den neuen Regeln auch nach Tibet reisen dürfte, aber vorab eine Erlaubnis des Ministeriums benötige, während Johnson informiert wurde, dass die neuen Regeln nicht für Tibet gelten.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), adaptierte deutsche Uebersetzung von IGFM München; Reporter ohne Grenzen

22. Mai 2007
China verschärft Genehmigungspraxis für Tibet-Reisende wieder
Als Reaktion auf die kürzliche Protestaktion am Everest Basecamp [vergl. Tibet-Information vom 27. April 2007;UM] hat China die Genehmigungspraxis für ausländische Tibet-Reisende wieder erheblich verschärft. Laut einer Sprecherin des staatlichen Reisebüros China Travel Service in Lhasa ist die Ausgabe von Reisebewilligungen für Tibet nur noch in Lhasa möglich. In den Städten Chengdu in der Provinz Sichuan, in Zhongdian an der tibetischen Grenze, in Beijing oder Golmud, dem Ausgangspunkt der Eisenbahnlinie, werden keine Bewilligungen mehr erteilt. In Zukunft können ausländische Touristen nur bis Lhasa reisen und müssen dort im Büro für Sicherheit, das unter Polizeiaufsicht steht, weiter Bewilligungen beantragen, bevor sie die tibetische Haupstadt verlassen dürfen. Damit fällt China wieder auf die restriktive Linie der frühen 90-er Jahre zurück. Diese Regelung dürfte ein erheblicher Dämpfer für ausländische Besucher sein, die sich nun auf umständliche und bürokratische Prozeduren in Lhasa gefasst machen müssen.

Die Sprecherin von China Travel sagte gegenüber den Medien: „Wir können ausländische Touristen nicht mehr überall dorthin gehen lassen, wo sie wollen... Die Regeln haben sich wegen des Vorfalls am Everest Basecamp wieder verschärft.“ Robert Barnett, Tibet-Experte an der Columbia-Universität in New York, kommentierte: „Es ist schon merkwürdig, dass diese wenigen Aktivisten mit einer Videokamera solch einen starken Einfluss auf die chinesische Politik haben... Die Signifikanz liegt nicht so sehr in der Protestaktion selbst, sondern in der Tatsache, dass sie sich mitten in der Probe für den olympische Fackellauf ereignete... Die Angst vor einem vergleichbaren Zwischenfall während der Olympiade scheint eine immer grössere Bedeutung unter chinesischen Offiziellen zu erlangen.“

Neue rhetorische Breitseiten gegen den Dalai Lama
In einer Rede vor 600 Parteimitgliedern in Lhasa rückte der als Hardliner bekannte neue lokale Parteivorsitzende Zhang Qingli den Dalai Lama in die Nähe von Terroristen. Gleichzeitig rief er dazu auf, die Sicherheitsmassnahmen in Tibet angesichts des 17. Kommunistischen Parteikongresses im Herbst und der Olympischen Spiele im nächsten Jahr zu verschärfen.

Zhang beschuldigte den Dalai Lama, mit einer ganzen Reihe von „Feinden Chinas“ zu konspirieren: der Unabhängigkeitsbewegung in Taiwan, diversen Demokratiebewegungen [sic], der Falun Gong, und mit der Islamischen Bewegung von Ost-Turkestan. Letzterer werden Kontakte zu Al Qaida nachgesagt. Allerdings blieb Zhang eine Erklärung schuldig, wie diese diversen Gruppen kooperieren und welche Rolle der Dalai Lama dabei spielen soll.

In der gleichen Rede forderte Zhang von den Anwesenden, mehr Einsatz für die „Stabilität“ in Tibet zu zeigen und warnte vor den Folgen mangelnder Anstrengungen. Er beschuldigte „subversive ausländische Kräfte“, in Tibet einen Machtwechsel nach dem Muster von Georgien oder der Ukraine anzustreben. „Die grundlegende Absicht der feindlichen ausländischen Kräfte ist es, die politische Farbe Tibets zu ändern.“

Wörtlich sagte er: „Wir brauchen einen noch stärkeren Willen zum Kampf, einen beharrlicheren Stil, und eine gründlichere Arbeit, um die verschiedenen ethnischen Gruppen der Region zu vereinen und zu führen, während wir uns in den Kampf gegen den Separatismus stürzen… Von Anfang bis Ende müssen wir die patriotische Erziehung in den Tempeln vertiefen und umfassend die reaktionäre Politik der Dalai Lama Clique und seine religiöse Heuchelei entblössen und kritisieren.“

Quellen: The Times; Reuters, Associated Press

10. Mai 2007
Dalai Lama sagt Besuch der Tibet-Konferenz in Brüssel ab
Der Dalai Lama, der die 5. Internationale Konferenz der Tibet-Unterstützer in Brüssel vom 11. bis 14. Mai eröfnnen wollte, hat seinen Besuch kurzfristig absagen müssen. Offenbar aufgrund massiven Drucks der chinesischen Regierung hatte ihm die belgische Regierung seine Absage nahe gelegt. China hatte signalisiert, dass der China-Besuch einer 300-köpfigen belgischen Wirtschaftsdelegation, die von Kronzprinz Philippe angeführt wird, negativ beeinflusst würde.

Der Dalai Lama war bei allen vorherigen vier Tibet-Konferenzen in Dharamsala (1990), Bonn (1996), Berlin (2000) und Prag (2003) persönlich anwesend.

China siedelt 250'000 Tibeter in „Sozialistische Dörfer“ um
China hat gerade ein umfassendes Projekt abgeschlossen, mit dem insgesamt 250'000 Bauern und Nomaden in neue „sozialistische Dörfer“ umgesiedelt wurden. Diese Dörfer mit Häusern, die aus gleichförmigen Normteilen hergestellt wurden, befinden sich nicht selten in unmittelbarer Nähe der ursprünglichen Wohnsitze der umgesiedelten Tibeter, meist direkt an neu ausgebauten Strassen. China bezeichnet die Aktion offiziell als „Programm für angenehmeres Wohnen“ und begründet es mit dem gestiegenen Komfort und den besseren Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten für Bauern und Nomaden.

Gegenüber dem Journalisten der McClatchy-Zeitungsgruppe sagte ein Tibeter im Interview, dass er froh sei, seine alte aus Lehmziegeln errichtete primitive Behausung verlassen könne. Aber der Journalist erwähnte auch, dass er an anderer Stelle von seiner chinesischen Begleitung aktiv daran gehindert wurde, mit Betroffenen zu reden, und dass es Tibeter im Interview immer wieder vermieden hätten, irgendetwas Kritisches vorzubringen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äusserte sich negativ zu der Aktion. Keiner der Betroffenen hätte das Recht zur Einsprache gegen die Umsiedlung gehabt, und alle hätten die neuen Häuser aus eigener Tasche bezahlen müssen. Viele waren gezwungen, zur Finanzierung hohe Darlehen aufzunehmen. Diese würden bis zum 20-fachen eines durchschnittlichen Jahreseinkommens betragen. Wer die Schulden nicht zurückzahlen kann, dürfe nicht in die neuen Häuser einziehen. Ausserdem erwähnte Human Rights Watch, dass in vielen Fällen gleich nach dem Wegzug der Betroffenen mit der Ausbeutung von Bodenschätzen begonnen wurde.

Nachtrag zur Protestaktion am Everest Base Camp: Einschüchterungsversuche
Die Aktivisten, die nach einer Protestaktion gegen den olympischen Fackellauf am Everest Base Camp festgenommen wurden [vergl. Tibet-Information vom 27. April 2007;UM] wurden über die Grenze nach Nepal abgeschoben. Sie berichten von massivem psychologischem Druck und Einschüchterungsversuchen, denen sie während ihrer kurzen Haft ausgesetzt waren. Sie seien 30 Stunden in einer ungeheizten Zelle festgehalten worden und hätten über 14 Stunden weder Nahrung noch Getränke erhalten. Ausserdem habe man sie am Schlafen gehindert: immer, wenn sie gerade eingenickt waren, wurden sie wieder zu Verhören zitiert. Eine weibliche Wache habe zu einem Mitglied bemerkt: „Du musst die Wahrheit sagen, sonst wird es Dir schlecht ergehen, sobald Du eingeschlafen bist.“ Eine andere Wache habe ihre Hand zu einer Pistole geformt und in ihre Richtung abgedrückt. Ein Mitglied der Gruppe, von dem die Wachen nicht wussten, dass es der chinesischen Sprache mächtig ist, schnappte sinngemäss die folgende Bemerkung einer Wache auf: „Schade, dass es amerikanische Staatsbürger sind, sonst könnten wir sie jetzt verprügeln.“

Bergsteiger berichten unterdessen, dass 17 Mitglieder der chinesischen Bergsteiger-Gruppe, die den olympischen Fackellauf probt, am 9. Mai den Gipfel des Mt. Everst erreicht hätten. Ihr Camp sei auf 250 Personen angewachsen, es sei von bewaffneten Sicherheitskräften bewacht und eingezäunt.

Quellen: McClatchy Newspapers (Sacramento, Kalifornien); International Herald Tribune; Associated Press; MountEverest.net

27. April 2007
Olympischer Fackellauf durch Tibet – Protestaktion am Everest Base Camp
Das lokale Olympische Organisationskomittee bestätigte nach den Worten seines Vizepräsidenten Wang Wei, dass im nächsten Jahr die Fackel mit dem Olympischen Feuer nicht nur durch Taiwan, sondern auch durch Tibet bis auf den Gipfel des Mount Everst getragen werden soll.

Wei sagte auf einer Medienkonferenz in Beijing: „Sie wissen alle, dass Taiwan eine sehr heikle Angelegenheit ist, und ich will hier nicht in Details gehen. Aber nach Diskussionen zwischen beiden Seiten ist eine vorläufige Entscheidung getroffen worden.“ Regierungsstellen in Taiwan wollten diese Stellungnahme nicht kommentieren.

Wei bestätigte auch, dass trotz Sicherheits- und ökologischer Bedenken der Fackellauf bis auf den Gipfel des Mount Everest geplant ist.

Am 25. April wurden vier amerikanische Tibet-Aktivisten verhaftet, als sie im Basislager auf tibetischer Seite eine Protestaktion durchführten. Vor den Augen einer 70-köpfigen chinesischen Bergsteigergruppe, die dort für den diesjährigen Testlauf des Olympischen Feuers ihr Lager aufgeschlagen hatte, entrollten sie ein Transparent mit der Aufschrift „One World – One Dream – Free Tibet 2008“. Der erste Teil „One World – One Dream“ ist das offizielle Motto der Olympischen Spiele in Beijing.

Die Aktivisten marschierten, die Tibetische Nationalhymne singend, mit T-Shirts mit der Aufschrift „Keine Fackel durch Tibet“ in das chinesische Bergsteigercamp und trugen ein Imitat der Fackel mit sich. Nach nur 30 Minuten (!) wurden sie von Sicherheitskräften verhaftet. Per Handy meldeten sie sich von einer lokalen Polizeistation und teilten mit, man habe sie verhört und ihnen die Pässe abgenommen; ansonsten seien sie gut behandelt worden. Später war das Handy abgeschaltet, und der weitere Verbleib der Gruppe ist unklar.

Das IOC lehnte eine Stellungnahme ab. „Wir wollen nicht… in politische Angelegenheiten verwickelt werden“, sagte ein Sprecher. „Wir sind hier, um die Spiele zu organisieren…Wir glauben, dass die Spiele die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Landes fördern“.

Voice of Tibet beklagt chinesische Störsender
Der Radiosender “Voice of Tibet” begeht ein denkwürdiges “Jubiläum”: seit genau 10 Jahren werden seine Kurzwellen-Radiosendungen nach Tibet von chinesischen Störsendern blockiert. Voice of Tibet sendet täglich ein 30-minütiges Programm in tibetischer Sprache und 15 Minuten in Mandarin, das zwischen 19 Uhr und Mitternacht Ortszeit mehrmals wiederholt wird. Der Träger ist eine in Norwegen registrierte NGO, und die Sende-Frequenzen sind gemäss internationalen Abkommen registriert und geschützt.

Die Sendungen begannen mit gemieteter Sendezeit bei FEBA Radio, einer Station auf den Seychellen. Diese wurde jedoch kurz darauf von Beijing bedroht, dass man nicht nur Voice of Tibet, sondern alle anderen Aussendungen ebenfalls durch Störsender blockieren werde, so dass FEBA den Vertrag beendete.

Jede der täglichen Sendungen von Voice of Tibet wird simultan mit zwei Störsignalen – Musik und Rauschen – belegt. Leistungsfähige Störsender werden nahe der chinesischen Städte Beijing, Xian, Nanjing und Linhe betrieben. Nach Erkenntnissen von Voice of Tibet wurden aber auch zusätzlich in Tibet über 40 lokale Störsender mit Reichweiten von jeweils ca. 30 km installiert, die in ihrem Radius sehr effektiv arbeiten.

Quellen: AP/Reuters; Voice of Tibet

24. April 2007
„Office of Tibet“ wird in Nepal nicht wiedereröffnet, sagt die neue Regierung
Die neue aus 8 Parteien bestehende Regierung in Nepal hat entschieden, dass das Büro mit dem Repräsentanten des Dalai Lama in Kathmandu nicht wieder eröffnet wird. Ausgerechnet der ehemalige Anführer der maoistischen Rebellen, Pushpa Kamal Dahal oder mit seinem Rebellennamen „Prachanda“ genannt, verkündete als neuer Kabinettsminister diese Entscheidung gegenüber der Nachrichtenagentur IANS. Die Wiedereröffnung hätte „die guten Beziehungen mit dem freundlichen Nachbarn China“ belastet, sagte er. „Es ist eine delikate Angelegenheit, weil wir gute Beziehungen zu China haben…Auch wenn wir die Flüchtlinge… aus Nepal nicht mehr nach China zurückführen, gestatten wir ihnen nicht, neue Organisationen zu gründen [die für ein freies Tibet eintreten], weil wir Tibet als integralen Teil Chinas betrachten“, sagte er weiter.

Die ehemalige maoistische Guerilla ist mit insgesamt fünf Ministern am 1. April als achte Partei der Regierung Nepals beigetreten. Diese hatte solange die Entscheidung über die Wiedereröffnung vor sich hergeschoben.

Das damalige Office of Tibet war auf Druck von China zusammen mit dem Tibetischen Flüchtlingszentrum von der ehemaligen Regierung im Januar 2005 geschlossen worden, kurz bevor König Gyanendra Parlament und Regierung auflöste. Die maoistische Guerilla war vor und während der autokratischen Herrschaft von König Gyanendra stets von China abgelehnt worden. Die chinesische Regierung bezeichnete die Guerilla als „gegen die Regierung gerichtete Gruppierung“, sprach ihnen das Recht ab, im Namen Maos zu agieren, und hatte König Gyanendra im Kampf gegen sie unterstützt [vergl. Tibet-Information vom 20. Juli 2004; UM]. Vor einigen Jahren sagte der chinesische Botschafter in Kathmandu, die Maoisten seien eine “regierungsfeindliche Rotte…Wir würden sie niemals als Maoisten bezeichnen. Sie missbrauchen den Namen des Vorsitzenden Mao, was dem Ansehen unseres grossen Steuermanns abträglich ist und gleichzeitig den internationalen gegen China gerichteten Kräften als Vorwand dienen könnte, um Verwirrung zu stiften" [vergl. Tibet-Information vom 18. Oktober 2004; UM].

China will das Internet strenger kontrollieren
Staats- und Parteichef Hu Jintao forderte die Behörden dazu auf, das rasant wachsende Internet in China strikter zu verwalten, um eine "gesunde Online-Kultur" zu sichern. Es gehe hier auch um die Stabilität des Staates.

Nach einem Treffen des Politbüros über die Informationspolitik sagte Präsident Hu Jintao, die Entwicklung und Verwaltung des Internets "muss der fortschrittlichen sozialistischen Kultur und der korrekten Führung der Propaganda folgen". Ideologisch müsse die Führung des Marxismus gefestigt werden. "Ob wir das Internet in den Griff bekommen, hat Auswirkungen auf die Entwicklung der sozialistischen Kultur, die Sicherheit der Informationen und die Stabilität des Staates", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Xinhua.

Mit 137 Millionen Nutzern in China surft bereits jeder zehnte Chinese im Internet. Die Zahl ist im vergangenen Jahr um 23,4 Prozent gestiegen. China zählt 20 Millionen Blogger, von denen 3,15 Millionen als aktive Autoren gelten.

Quellen: IANS (Indo-Asian News Service); DPA/Basler Zeitung

28. März 2007
Ehrgeizige neue Entwicklungspläne für Tibet
China kündigte an, in den nächsten drei Jahren umgerechnet 17 Milliarden Franken in insgesamt 180 Entwicklungsprojekte in Tibet zu investieren. Diese Summe ist wesentlich höher als die durchschnittlichen Investitionen der vergangenen elf Jahre. Als „Paradeprojekt“ kündigte die Regierung die Erstellung des vierten Verkehrsflughafens in Tibet an, der in der westtibetischen Region Ngari gebaut werden soll. Nach offiziellen Angaben würde er mit 4300 Metern der höchst gelegene Flughafen der Welt sein. Ziel eines weiteren Projektes soll sein, dass bis 2010 80% aller Dörfer an befahrbare Strassen angeschlossen sind. Andere Projekte dienen laut offiziellen Angaben der Infrastruktur-Verbesserung wie Stromversorgung und Telekommunikation, aber auch der Erziehung und dem Umweltschutz.

Chinesischer Professor zweifelt an Begründung für Chinas Anspruch auf Tibet
Professor Ge Jianxiong, Direktor des Instituts für Chinesische Historische Geografie an der Fudan-Universität in Shanghai, erschüttert in einem Artikel die offizielle chinesische Sichtweise, dass Tibet spätestens seit dem 7. Jahrhundert “integraler Bestandteil Chinas” ist. Diese wird von Professor Ge als “Missachtung der Geschichte” kritisiert. Den Beginn einer chinesischen “Souveränität” über Tibet sieht Professor Ge erst seit der Ming-Dynastie (17. bis 20. Jahrhundert). Er weist auch darauf hin, dass bis zum Sturz der Ming-Dynastie mit der Gründung der “Republik China” im Jahr 1912 die Idee von “China” nicht konzeptualisiert worden sei. Selbst die Ming-Dynastie habe nur von den 18 “Inneren Provinzen” gesprochen, zu denen weder Tibet noch die Innere Mongolei oder Xinjiang gehörten. Sein Artikel schliesst mit der provokanten Feststellung: “Wenn China wirklich friedlich aufstreben und die Zukunft von einem sicheren Fundament angehen will, müssen wir die Lehren der Geschichte verstehen und von unseren Erfahrungen lernen.”

China fördert religiösen Zwist unter tibetischen Buddhisten
Am 22. Januar wurde unter grosser Anteilnahme von offiziellen Amtsträgern im Kloster Ganden – 60 km nördlich von Lhasa – eine Statue der Shugden-Gottheit eingeweiht. Der Dalai Lama hatte schon vor mehreren Jahren alle Buddhisten aufgerufen, diese Gottheit nicht anzubeten, da diese der Entwicklung Tibets abträglich sei. Die Shugden-Schule ist eine kleine, ultra-konservative Bewegung innerhalb des tibetischen Buddhismus, die sich offen gegen den Dalai Lama wendet und von China seit Jahren gefördert und instrumentalisiert wird. Sie stand vor mehreren Jahren im Verdacht, einen ihrer prominentesten Kritiker im Exil in Indien ermordert zu haben

Die alte Shugden-Statue in Ganden war vor einem Jahr von protestierenden Mönchen zerstört worden. Zwei als “Rädelsführer” verhaftete Mönche wurden zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, und die übrigen Mönche wurden einer “Umerziehungskampagne” unterzogen. Hinter dieser Kampagne und den harten Strafen steht Chagra Lobsang Tenzin, Vizepräsident der Regierung der “Autonomen Region Tibet”, in Personalunion als Vizepräsident des “Büros für Ethnische und Religiöse Angelegenheiten” auch für die “Patriotische Umerziehungskampagne” in den Klöstern verantwortlich. Chagra Lobsang Tenzin ist selbst inkarnierter Lama und steht als Förderer der Shugden-Verehrung an vorderster Front. Ein zweiter Protagonist, der auch am 22. Januar anwesend war, ist der in Italien lebende Gangchen Lama, der die Shugden-Statue via Kathmandu – das sich zur bedeutenden Drehscheibe für die Shugden-Schule entwickelt – importiert haben soll.

Speziell diese beiden Personen könnte der kommunistische Veteran Phuntsog Wangyal in seinem Schreiben an Staats- und Parteichef Hu Jintao gemeint haben, als er Kader kritisierte, die „durch ihre Opposition gegen ‚Spalter’ zu Wohlstand kommen“. Der grosse Andrang an den Langlebens-Gebeten für den Dalai Lama am 14. März [beides vergl. Tibet-Information vom 23. März 2007; UM] ist möglicherweise auch als Protestaktion gegen die offiziell geförderte Shugden-Verehrung zu sehen.

Quellen: AFP; The Pioneer (Indien); TibetInfoNet

23. März 2007
Tibetischer Kommunist kritisiert „Falken“ in Chinas Führung
Phuntsog Wangyal, ein Veteran der Kommunistischen Partei in Tibet, hat mehrfach in Briefen an den Parteivorsitzenden und Staatspräsidenten Hu Jintao die „Falken“ in der chinesischen Führung kritisiert, die sich gegen eine Lösung mit dem Dalai Lama stemmten. Der heute 84-jährige schrieb in den Jahren 2004 bis 2006 insgesamt drei Briefe, in denen er die „Falken“ beschuldigt, sich jedem Übereinkommen mit dem Dalai Lama in den Weg zu stellen. Diese würden „gut leben, befördert werden und durch ihre Opposition gegen ‚Spalter’ zu Wohlstand kommen“. Explizit beschuldigt er den ehemaligen Parteivorsitzenden in Tibet aus den 80-er Jahren, Yin Fatang, falschen „linken“ Ideen nachzuhängen. Der Gedanke an eine Lösung mit dem Dalai Lama würde bei den „Falken“ einen „Zusand von Verängstigung und Nervosität auslösen, ihre Posten zu verlieren“. Auch wendet sich Phuntsog Wangyal gegen ein Zuwarten bis nach dem Tode des jetzigen Dalai Lama, da sich dann die Situation in Tibet radikalisieren könnte. Er nimmt Hu Jintao’s Motto einer „harmonischen Gesellschaft“ auf und gibt zu Bedenken, dass die Rückkehr zahlreicher Tibeter aus dem Exil „Konfrontation in Harmonie“ verwandeln könnte.

Phuntsog Wangyal war einer der ersten Kommunisten in Tibet und spielte in den ersten Jahren nach der chinesischen Invasion eine führende Rolle, fiel aber bald in Ungnade und verbrachte viele Jahre im Gefängnis. Seit seiner Freilassung in den 80-er Jahren lebt er zurückgezogen; seine Briefe an Hu Jintao hat er nie veröffentlicht. Diese wurden jetzt der Nachrichtenagentur Reuters zugespielt.

Hunderte Tibeter in Lhasa bei Langlebenszeremonie
für den Dalai Lama
Nach Augenzeugenberichten waren Tempel und andere öffentliche Orte in Lhasa am Mittwoch, dem 14. März mit grossen Menschenmengen gefüllt, die an einer Langlebenszeremonie für den Dalai Lama teilnehmen wollten und damit in selten offener Form ihren Protest gegen die chinesische Herrschaft zeigten. Erst am Nachmittag wurden die Menschenmengen durch den Einsatz von starken Sicherheitskräften zerstreut; dabei sei eine Frau festgenommen worden.

Wie Augenzeugen berichteten, seien die Tempel in der Stadt schon seit den frühen Morgenstunden von Menschenmassen überfüllt gewesen. Die von Tibetern geführten Läden wären geschlossen gewesen, während ihre Besitzer an den religiösen Zeremonien teilnahmen. Über 500 Personen hätten sich an einer Brücke im Südosten von Lhasa versammelt, um Weihrauch zu verbrennen. Normalerweise sind in Lhasa solche spontanen Menschenansammlungen für religiöse Handlungen nicht erlaubt.

In der tibetischen Tradition ist jeder Mittwoch grundsätzlich ein segensbringender Tag für den Dalai Lama, und Tibeter in Tibet und im Exil begehen dann die Sangsol-Zeremonie, in der Schutzgottheiten angerufen werden. Der 14. März ist der erste Mittwoch nach dem Jahrestag des Tibetischen Volksaufstandes am 10. März 1959.

Quellen: Reuters; Radio Free Asia

19. März 2007
Schlägt China dem Dalai Lama die Tür zu?
In seiner Entgegnung auf die jährliche Botschaft des Dalai Lama zum 10. März, dem Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes 1959, macht der Präsident der „Autonomen Region Tibet“, Jampa Phuntsog, eine Bemerkung, die aufhorchen lässt. Dieser wiederholt nicht nur die ständig gebrauchte Formulierung, der Dalai Lama müsse alle – angeblichen - Bestrebungen nach „Unabhängigkeit“ aufgeben. Er fügt gleich noch hinzu, der Dalai Lama müsse sich darüber hinaus auch von seiner Forderung „nach einem hohen Mass an Autonomie“ distanzieren.

Bisher hatten chinesische und tibetische Offizielle dem Dalai Lama nur unterstellt, mit seinem Vorschlag zu einer „genuinen Autonomie“ in Wirklichkeit die Unabhängigkeit Tibets zu betreiben, ihn jedoch nie zur expliziten Aufgabe der Autonomie-Forderung aufgerufen. Diese neue Forderung könnte ein schlechtes Omen für die Fortsetzung der direkten Gespräche mit den Gesandten des Dalai Lama sein. Jampa Phuntsog bemerkte ausserdem, dass es nur „sehr entfernte“ Aussichten des Dalai Lama auf eine Rückkehr nach Tibet gebe.

Genauso äusserte sich wenige Tage später der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao. Dieser bezeichnete die Autonomie-Forderung als „unrealistisch“. Zunächst müsse der Dalai Lama Tibet öffentlich als „unabtrennbaren Teil des chinesischen Territoriums“ anerkennen, ebenso auch Taiwan. Erst dann sei China bereit, „Konsultationen [mit ihm] über seine persönliche Zukunft zu beginnen.“ Der Dalai Lama hatte hingegen stets betont, dass es ihm nicht um seine „persönliche Zukunft“ ginge, sondern um die Zukunft der Tibeter. Auch forderte Wen Jiabao, dass der Dalai Lama seine Forderung nach „Abzug des chinesischen Militärs und aller Han-Chinesen“ aus Tibet aufgeben müsse. Eine solche Forderung hat der Dalai Lama aber nie öffentlich erhoben.

In seiner Botschaft zum 10. März hatte der Dalai Lama in ungewöhnlicher Form den chinesischen Parteivorsitzenden und Staatspräsidenten Hu Jintao gelobt. Seine Bestrebungen für „gesellschaftliche Harmonie“ in China seien „lobenswert“, sagte der Dalai Lama, jedoch könne „Harmonie“ nur durch die Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen erreicht werden. Das Lob für Hu Jintao dürfte bei vielen Tibetern im Exil schlecht ankommen, denn dieser stand als damaliger Gouverneur der „Autonomen Region Tibet“ hinter der blutigen Niederschlagung der Proteste im Frühjahr 1989, die mit der Ausrufung des Kriegsrechts in Lhasa endete. Bei seinem Indien-Besuch im letzten Jahr hatte Hu Jintao wütende Protestaktionen der dort lebenden Exil-Tibeter ausgelöst.

Exil-Tibeter besorgt über Eisenbahn-Verkehr „ohne Retour-Billett“
Die Tibetische Regierung im Exil fasste nochmals ihre Bedenken über die Eisenbahnlinie zusammen. Es gebe zwei Besorgnis erregende Bewegungen “ohne Retour-Billett”: der einseitige Zustrom von Immigranten und der Abtransport von Bodenschätzen in die entgegengesetzte Richtung.

Nach Beobachtungen der Tibetischen Regierung im Exil kämen täglich im Schnitt 5’000 – 6’000 Menschen in Lhasa an, im gleichen Zeitraum verliessen aber nur 2’000 – 3’000 Reisende Lhasa mit dem Zug zurück. Die meisten, die blieben, seien Wanderarbeiter ohne Retour-Billett. Habe Lhasa im Jahre 1950 etwa 20’000 Einwohner gehabt, sei die Zahl mittlerweile auf 300’000 gestiegen. Nach chinesischen Plänen solle die Zahl in den kommenden Jahren bis auf 700’000 steigen.

Bezüglich der kürzlich entdeckten Lagerstätten von Eisenerz und Chrom [vergl. Tibet-Informationen vom 22. und 30. Januar sowie 2. März; UM] wies die Regierung im Exil noch darauf hin, dass diese nicht zuletzt deswegen günstig abgebaut werden können, weil die Transportkosten von der Regierung subventioniert werden. Das Eisenerz, das als Porphyrit vorkommt, könne aufgrund seiner chemischen Eigenschaften nur auf Kosten grosser Umweltschäden abgebaut werden.

Quellen: AFP; Contra Costa Times; TibetNet

2. März 2007
Eisenbahnlinie nach Tibet – allein durch Bodenschätze motiviert?
Mehr und mehr Evidenz findet sich für die These, dass der Bau der Eisenbahnlinie nach Tibet durch die reichen Vorkommen von Bodenschätzen motiviert wurde [verg. Tibet-Informationen vom 22. und 30. Januar 2007; UM]. Dieses würde der seit mehreren Jahren von der chinesischen Regierung vertretenen Behauptung widersprechen, dass die Eisenbahn zum Wohle der Tibeter gebaut wurde.

Die von China veröffentlichten Daten über reiche Vorkommen an Kupfer und Eisenerz sind das Ergebnis einer seit 1999 systematisch betriebenen geologischen Erkundung. In diesem 44 Millionen Dollar teuren, geheim gehaltenen Projekt erforschten über 1'000 Geologen systematisch Tibet. Die Eisenbahnlinie wurde erst im Jahre 2001 projektiert, und es drängt sich der Verdacht auf, dass die Linienführung erheblich von den entdeckten Lagerstätten beeinflusst wurde.

Mehrere Wirtschaftzeitschriften weisen nochmals auf Chinas bisherige Abhängigkeit von Kupfer- und Eisenerz-Importen hin. Vor allem durch den grossen Bedarf von China als grösstem Importeur stieg der Preis für hochwertiges Eisen auf dem Weltmarkt in den vergangenen 2 Jahren um das dreifache.

Neuere Satellitenfotos von Google Earth zeigen auch einen starken Anstieg beim Bau neuer Strassen, die von der Eisenbahnlinie abzweigen. Im letzten Jahr kündigte die Regierung an, dass die Eisenbahnlinie nach Südwesten zu Tibets zweitgrösster Stadt Shigatse verlängert würde. Hier befinden sich laut offiziellen Angaben „riesige“ Lagerstätten von Rohöl und Ergas.

Tourismusboom auf Kosten der Tibeter
Die Los Angeles Times schildert in einem Artikel mehrere Beispiele, wie die lokale tibetische Bevölkerung von der boomenden Tourismusbranche verdrängt wird, ohne an den Einnahmen beteiligt zu werden. Der osttibetische Ort Zhongdian (tib. Gyalthang) wurde in “Shangri-La” umbenannt, um mehr Touristen anzulocken. Dort sicherte sich die Zhongdian Qianhushan Ecotourism Development Co. die Rechte zum Bau eines neuen, in der Nähe des Dorfes Jisha gelegenen Touristenkomplexes. Dieser Komplex soll Touristen den Zugang zu den heiligen tibetischen Bergen ermöglichen, die fotogene Aussichten auf Bergseen und üppige Wiesen bieten. Die lokalen Behörden überredeten Dutzende tibetischer Familien, die von der Yakzucht lebten, ihr Land an die Firma abzutreten. Die des Lesens und Schreibens unkundigen Dorfbewohner mussten ihre Fingerabdrücke unter Verträge setzen, deren Inhalt ihnen verborgen blieb. Später erfuhren sie dann, dass man Strassen durch ihre besten Weiden bauen würde, wofür das ganze Dorf eine pauschale jährliche Gesamtzahlung von umgerechnet mageren 31’000-50’000 Dollar bekommen würde.

Es gibt mehrere Beispiele, wo Anwohner gezwungen werden, mit Hilfe von teuren Krediten die Fassaden ihrer Häuser zu erneuern. In einem Dorf in der Provinz Anhui, das durch einen chinesischen Actionfilm Berühmtheit erlangte, dürfen Anwohner ihre Fenster nicht mehr öffnen und keine Schweine mehr halten, während Tausende von Touristen über das Kopfsteinpflaster des Dorfes laufen.

Die hohen Eintrittsgelder, die Touristen für den Besuch von Sehenswürdigkeiten bezahlen müssen, fliessen häufig in die Kassen von Gesellschaften mit politischen “Verbindungen”, die sich den Zugang zu den kostbaren Tempeln, Gräbern, Grotten und anderen Altertümern gesichert haben. Tibeter müssen für sie horrende Preise zahlen, um im Jokhang-Tempel, im Potala-Palast oder an anderen heiligen Stätten ihre Gebete zu verrichten - was historisch gesehen unvorstellbar ist.

Quellen: Fortune; TIMES Magazine; AsiaNews; Los Angeles Times (adaptierte deutsche Uebersetzung durch IGFM München)