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Tagblatt vom 12.5.2001, Neutoggenburg
Neue Zürcher Zeitung vom 27.8.2001, Nr. 197, Ressort Inland
Tagblatt vom 27.8.2001, Ostschweiz
Tibet aktuell Nr. 73, November 2001
Persönliche Mitteilungen und Stellungnahmen

     

Neue Zürcher Zeitung vom 27. August 2001, Ressort Inland

Asyl für tibetische Eigenständigkeit

Gedenken, Dank und Engagement von Flüchtlingen

Auf dem Säntis, in der Region, wo 1960/61 die ersten tibetischen Flüchtlinge aufgenommen worden waren, hat im Rahmen mehrerer Veranstaltungen eine Gedenkversammlung stattgefunden. Sie galt einem Erfolgsbeispiel der Asylpolitik, aber auch der anhaltenden Bedrängung oder Zerstörung der tibetischen Kultur in ihrer Heimat, die für viele trotz guter Integration im Exil Perspektive und Grund zu Engagement ist.

C. W. Säntis, 25. August

Im Herbst 1960 kamen tibetische Waisenkinder aus Indien zur Ausbildung ins Pestalozzidorf Trogen, und ein Jahr später verschaffte ein privater Verein 23 Flüchtlingen eine Heimstätte in Waldstatt, ebenfalls in Ausserrhoden. Es war dies die erste Aufnahme aussereuropäischer Flüchtlinge, und sie erfolgte in einem bewussten politischen Akt. 1963 bewilligte der Bundesrat die Einreise von maximal 1000 Personen. Heute bilden insgesamt 2000 bis 2500 Menschen tibetischer Herkunft die grösste solche Gemeinschaft in Europa. Etwa ein Drittel von ihnen ist hier geboren, rund ein Viertel hat sich einbürgern lassen.

Das «Dach der Welt» auf dem Säntis
Die Aktion «Tibet auf dem Säntis» bringt die Stellung dieser besonderen Flüchtlingsgruppe mehrfach zum Ausdruck. Die Tibeter haben es in der Schweiz «zu etwas gebracht», beispielsweise zum Hoteldirektor oder zur Kantonsrätin. Sie verfügen über Sympathie und über Brückeninstitutionen, wie die Gesellschaft schweizerisch-tibetische Freundschaft, gerade auch für ihr Bestreben, kulturelle Eigenarten zu bewahren und die Exilregierung zu unterstützen, also die Perspektive der Rückkehr fest im Auge zu behalten. Die Veranstaltungen auf dem «Dach der Bodenseeregion» sind ein Gemeinschaftswerk mehrerer Vereine und der Säntis-Schwebebahn AG, die namentlich mit Ausstellungen immer wieder den Bezug der Menschen in der Umgebung zum markanten Berg aufnimmt. Seit Mitte Mai und bis in den Dezember gibt eine kleine Ausstellung Einblicke in die Situation auf dem «Dach der Welt». Zu sehen ist auch die Tonbildschau von Manuel Bauer. Der Photograph begleitete 1995 einen Tibeter und dessen sechsjährige Tochter auf der gefährlichen Flucht über den Himalaja. Sie zeugt nicht nur, indirekt, von der chinesischen Unterdrückung, sondern auch davon, wie ein kleines Mädchen dazu bestimmt wird, ins Exil zu gehen, um «Tibeterin zu bleiben», die traditionelle Kultur aufzunehmen und weiter zu tragen.
Dem politischen Konzept für die Zukunft Tibets im Spektrum von Unabhängigkeit und Autonomie (diese ist das Ziel des Dalai Lama) war eine Tagung am Sonntag gewidmet. In einer Woche werden positive und negative Folgen des Tourismus erörtert. An einer Pressekonferenz unter der Leitung von Hans Gammeter, Koordinator des Programms, machte Kalsang Chokteng, Präsident der Tibeter-Gemeinschaft Schweiz, auch auf die Sammlung «Keep Tibet Alive» aufmerksam. Unterstützung brauchen - «die Zeit arbeitet gegen uns» - der Unterricht in tibetischer Sprache und Schrift, die Folkloregruppe, Weiterbildung in Demokratie (für die einstige Theokratie), eine Beratungsstelle, die Stiftung für tibetische Medizin und in Indien das Radio der Exilregierung.

Gedenktafel und gegenseitiger Dank
Bunte Gebetsfähnchen flatterten am Samstag über Fels und Beton auf dem Säntisgipfel, Mönche aus Rikon sangen einen tibetischen Alpsegen; in Ansprachen dankten Kalsang Chokteng und die Vertreterin der Exilregierung in Genf der Schweiz für die Aufnahme, während Jean-Daniel Gerber, Direktor des Bundesamts für Flüchtlinge, betonte, es sei an den Schweizern zu danken, nämlich für eine Bereicherung ihres Landes; gemeinsam enthüllten Chokteng und Gerber eine Gedenktafel - so viel Harmonie und Bergsommer ist im Asylwesen heute selten.
Künftig soll jährlich ein Gedenktreffen stattfinden, und geplant ist auch die Errichtung eines kleinen Stupa - allerdings nicht zwecks buddhistischer Missionierung, wie vorsorglich betont wurde, ermahne doch der Dalai Lama Zuhörer anderen Glaubens jeweils, dabei zu bleiben. Toni Hagen, damals Delegierter des IKRK in Nepal, erzählte, wie er 1960/61 die Aktion einfädelte. Für Gerber ist sie der beste Beweis gegen die Behauptung, Integration von Menschen aus fernen Kulturen sei unmöglich. Heute werden tibetische Asylgesuche im Einzelverfahren geprüft. 236 positiven Entscheiden standen seit 1990 nur 10 negative gegenüber, wobei allerdings auch eine Wegweisung nach China als zulässig erachtet wird. Nationalrat Mario Fehr (sp., Zürich), Präsident der parlamentarischen Gruppe für Tibet, konstatierte, dass das Recht Tibets auf eigenständige Entwicklung in der Schweizer Bevölkerung anerkannt sei. Er verlangte vom Bundesrat, China energisch zum Dialog mit der Exilregierung aufzufordern und selber den Dalai Lama offiziell zu empfangen. 50 Jahre nach der Flüchtlingsaufnahme werde man ihrer hoffentlich in einem befreiten Lhasa gedenken.

Eine «Bestandesaufnahme», besonders auch der beteiligten Institutionen und Vereinigungen, gibt das Buch von Peter Lindegger: 40 Jahre Tibeter in der Schweiz. Klösterliches Tibet-Institut Rikon, 8486 Rikon 2000. 219 S.

Einen Überblick bietet Gyaltsen Gyaltag in der Publikation von Heinrich Kuhn: Berge und Rettung. Säntis-Schwebebahn AG, Urnäsch/Schwägalp 2001. 93 S.

Neue Zürcher Zeitung, Ressort Inland, 27. August 2001, Nr.197, Seite 10