Projekt 01/02 | Chörten | Album 1 | Album 2 | Album 3 | Feedback

logo tibet auf dem säntis

Feedback
 

Tagblatt vom 12.5.2001, Neutoggenburg
Neue Zürcher Zeitung vom 27.8.2001, Nr. 197, Ressort Inland
Tagblatt vom 27.8.2001, Ostschweiz
Tibet aktuell Nr. 73, November 2001
Persönliche Mitteilungen und Stellungnahmen

     

Tagblatt vom 27.8.2001, Ostschweiz

Tibeter auf dem Säntis

Gemeinschaft der Tibeter errichtet auf dem Dach der Ostschweiz einen Gedenkstein

Vor 40 Jahren fanden die ersten Flüchtlinge aus Tibet in der Säntisregion eine zweite Heimat: Anlass für die Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz, sich beim Gastland mit einem Stupa und einem Begegnungstag in luftiger Höhe zu bedanken.

Bettina Kugler

Ein Paar Kinderturnschuhe in einer Vitrine erzählt vom beschwerlichen Weg aus Tibet in die Freiheit: 1995 begleitete der Schweizer Fotograf Manuel Bauer die sechsjährige Yangdol und ihren Vater über die verschneiten Pässe des Himalaja nach Dharamsala - 2200 Kilometer zu Fuss ins Exil. Der Fussweg auf den Säntis mag dagegen als launiger Sonntagsspaziergang erscheinen. Eine Tonbildschau im Rahmen der auf dem Säntis gezeigten Ausstellung «Flucht aus Tibet» zeichnet die Spuren der kleinen, ausgetretenen Schuhe Yangdols bewegend nach.

40 Jahre ohne Verbesserung
Die Ausstellung «Tibet auf dem Säntis 2001» will mit einer historischen Dokumentation, Fotografien aus dem besetzten Land, Kultgegenständen und der Porträtserie «Die Kraft der Frauen Tibets» an die Flucht erinnern und zugleich auf die gegenwärtige Situation Tibets aufmerksam machen. Noch immer verlassen täglich Menschen - und in steigender Zahl Kinder - die von China besetzte Heimat, um ihre Religion und ihre kulturelle Identität bewahren zu können. Die systematische Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und ihrer Kultur in Tibet geht indes weiter, der Dialog mit China kommt nicht voran. Kein «Jubiläum» also, wie Hans Gammeter, Koordinator der Schwerpunktwochen, betonte. «Es gibt nichts zu feiern, wenn ein Volk 40 Jahre im Exil lebt, vor allem, wenn sich in dieser Zeit nichts in Tibet zum Besseren geändert hat.»

Wichtigstes Exilland
Die Schweiz ist in den letzten 40 Jahren zum wichtigsten Exilland der Tibeter ausserhalb Asiens geworden; hier entstand das erste tibetische Kloster, der erste Vertreter des Dalai-Lama in Europa wurde in die Schweiz entsandt. Im Oktober 1960 wurde die erste Flüchtlingsgruppe im Kinderdorf Pestalozzi in Trogen aufgenommen, im August 1961, vor 40 Jahren, folgte die Gruppe der «Aeschimann Kinder», zwei Monate später kamen tibetische Familien nach Unterwasser. Und viele von ihnen waren am letzten Samstag auf dem Säntis - dem Berg, der zum wichtigen geografischen Bezugspunkt, ein Stück Heimat in der neuen Heimat geworden ist. Vom Dach der Welt sind sie zum Dach der Bodenseeregion herabgestiegen: in ein Land, von dem sie kaum etwas wussten, «nur, dass es viele Berge und viel Schnee gibt», wie Kalsang Chokteng, Präsident der Tibeter Gemeinschaft Schweiz, in seiner Rede auf der mit bunten tibetischen Tüchern dekorierten Säntis-Aussichtsterrasse, erinnerte. Neben ihm, noch mit leuchtend gelbem Stoff verhüllt, der Stupa: der Gedenkstein, den die Tibeter in der Schweiz am Wochenende zum Auftakt der Schwerpunktwochen errichtet und eingeweiht haben. Sechs buddhistische Mönche sangen und beteten zuvor den tibetischen Alpsegen, die Vertreterin des Dalai-Lama in Genf richtete Grussworte an die Gäste. Als Beginn einer missionarischen Kampagne dürfe die Errichtung des Gedenksteins freilich nicht missverstanden werden, betonte Kalsang Chokteng, auch wenn die tibetischen Organisationen im Rahmen ihres Gastrechtes für die Rechte der Tibeter eintreten wollten - mit friedlichen Mitteln, wie sie der Dalai-Lama propagiere. Die Tibeter in der Schweiz dankten mit dem Stupa vielmehr für die Toleranz und den «Mut der Schweizer, etwas Fremdes zu integrieren». Der Säntis könne zur Begegnungsstätte der Kulturen werden - und der Gedenktag auf dem Berg für die Tibeter in der Schweiz zur Institution.

Dank nach beiden Seiten
Seinen Dank aussprechen wollte auch Jean Daniel Gerber, Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge, der gemeinsam mit Kalsang Chokteng den Stupa enthüllte. Er zitierte einen weiteren Ehrengast - Toni Hagen, der in einer kurzen Ansprache sichtlich gerührt an die Umstände der ersten Flüchtlingsaufnahme erinnert hatte. «Immer danken die Tibeter uns, doch eigentlich müssten wir den Tibetern danken für ihre Heiterkeit und die Kultur, die sie uns gebracht haben», schloss Gerber. SP-Nationalrat Mario Fehr (ZH), Präsident der Parlamentarischen Gruppe Tibet, brachte die Hoffnung zum Ausdruck, den 50. Jahrestag der Flucht in die Schweiz in einem befreiten Tibet feiern zu können. Der Stupa auf dem Säntisgipfel beschränkt sich mit seiner Inschrift auf den Blick in die Vergangenheit: «Die Schweiz nahm als erstes Land im Westen ab 1960 tausend tibetische Flüchtlinge auf. Inzwischen fanden 2000 Tibeterinnen und Tibeter hier eine zweite Heimat. Die tibetische Gemeinschaft in der Schweiz dankt der Schweizer Bevölkerung und Regierung für ihre grosse Hilfe. 25. August 2001.»

Tagblatt-Online Archiv © by St. Galler Tagblatt AG