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Tibet aktuell Nr. 73, November 2001
Tibet
auf dem Säntis
Rückblick auf vielfältige, sehr gut besuchte Veranstaltungen
auf dem Dach der Bodenseeregion
Die Idee entstand an einem Stammtisch der GSTF Sektion Ostschweiz,
frustiert vom geringen Interesse an unserem Infostand in St. Gallen. Wie
können wir ein breites Publikum ansprechen, wie mit Menschen ins
Gespräch über Tibet kommen, die nicht an einen speziellen Tibetanlass
gehen? Wie in die Medien kommen mit unseren friedlichen Aktionen? Wie
eine Basis legen eine für nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit
? Tibet an einem Open-Air, an einem Seenachtsfest, an der OLMA oder auf
dem Säntis ? Die letzte Idee gefiel uns am besten. Aus einem ersten
Kontakt mit der Säntisbahn im November 1999 entwickelte sich ein
vielfältiges Grossprojekt, über das hier und in der nächsten
Ausgabe von Tibet Aktuell berichtet wird. Dies auch ein Beispiel für
erfolgreiche Zusammenarbeit der verschiedenen Tibetvereine in der Schweiz.
Von der Ideensammlung zur Co-Produktion
Die Chance Tibet an einem so prominenten Ort, wie dem Gipfel des 2500
Meter hohen Säntisgipfel darzustellen, der jedes Jahr von etwa einer
halben Million Menschen besucht wird, empfanden wir als Verpflichtung
unser Projekt breit abzustützen. In einer ersten Phase schrieben
wir alle uns bekannten Tibetaktivisten an, und sammelten Ideen. Wir wollten
auch die Möglichkeit nutzen, dass in der Ostschweiz viele Tibeter
leben und suchten die enge Zusammenarbeit mit ihren verschiedenen Organisationen.
VertreterInnen von 2 VTJE Sektionen, den verschiedenen Tibetergemeinschaften
der Region, der Tibetan Womens Association Switzerland (mit Sitz in Flawil)
und der GSTF Sektion Ostschweiz schlossen sich zusammen zur Co-Produktion
&Mac226;Tibet auf dem Säntis. Rückblickend kann gesagt
werden, das es gelungen ist, TibeterInnen und SchweizerInnen verschiedenen
Alters, verwurzelt in unterschiedlichen Vereinsstrukturen, zu einem Lenkungsgremium
zu formen, das fähig war komplexe Abläufe zu planen und durchzuführen.
Dieser Prozess, der achtsames Lernen von einander verlangte und bei dem
die Frage nach dem besten Nutzen für Tibet immer wieder kritisch
gestellt werden musste, war für alle sehr lehrreich.
Das Buchprojekt und die Langzeitausstellung
Die Unterstützung der Säntisschwebebahn AG war so gross,
dass wir weit mehr verschiedene Ausstellungselemente ausarbeiten konnten
als ursprünglich vorgesehen war. Uns wurde angeboten unter dem Oberbegriff
&Mac226;Berge und Rettung zusammen mit Schweizerischem Alpenclub
(SAC) und der Rettungsflugwacht (REGA) das Thema Flucht aus Tibet darzustellen.
Das erste Projekt war ein ausführlicher Textbeitrag, verfasst von
Gyaltsen Gyaltag, für ein Buch (Heinrich Kuhn: Berge und Rettung.
Säntis-Schwebebahn AG, Urnäsch/Schwägalp 2001. 93 S.) Der
Autor fasst darin die geschichtliche Entwicklung, die zur Flucht der TibeterInnen
geführt hat zusammen, beschreibt den Prozess und die Erfahrungen
der Integration in der Schweiz und fragt nach dem Sinn des Exil-Daseins.
Am 10.5.2001 wurde das Buch anlässlich einer Medienorientierung der
Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Eröffnung der Langzeitausstellung fand am 17.5.2001 im Beisein
von etwa 150 Gästen und vielen Medienvertretern statt. Kalsang Chokteng,
Präsident der Tibetergemeinschaft, wies in seiner Rede darauf hin,
dass auch heute noch, wie vor vierzig Jahren, TibeterInnen unter grössten
Gefahren ihre Heimat verlassen müssen, um Tibeter bleiben zu können.
Seither wird die Fotoausstellung (Bilder von E.Hürsch und J.Ulllal),
die Portraitausstellung &Mac226;Kraft der Frauen Tibets und die
Tonbildschau &Mac226;Flucht aus Tibet (M. Bauer) täglich von
vielen Säntisbesuchern angeschaut. Auf unzähligen kleinen, farbigen
Zetteln bekommen wir Rückmeldungen von Klein und Gross, von Menschen
aus verschiedenen Ländern, die so ihre Emotionen und Wünsche
für Tibet ausdrücken wollen. Es ist eine Anerkennung für
uns, dass wir von der Säntisbahn angefragt wurden, diese Ausstellung
vom Oktober 2001 bis in den Mai 2002 zu verlängern.
Gedenkveranstaltung: 40 Jahre Tibet in der Schweiz
Erster Höhepunkt war die Eröffnungsveranstaltung der Tibetwochen
am 25.8.01, bei der auch der Ankunft der ersten Tibeter in der Schweiz
vor 40 Jahren gedacht wurde. Bei schönstem Bergwetter war die Säntisterrasse
dichtgedrängt voll von TibeterInnen verschiedener Generationen, vielen
geladenen Gästen, ehemaligen Mitarbeitern der Hilfswerke und heutigen
Tibetsupportern. Kurze eindrückliche Reden, eine Gedenkminute für
die Opfer der chinesischen Besetzung, das Singen der tibetischen Nationalhymne,
das Flattern der Gebetsfahnen im Wind, die Begegnung von Menschen, die
sich seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatten, der stimmungsvolle Tibetabend
mit bestem Essen und kulturellen Darbietungen werden allen Teilnehmern
in Erinnerung bleiben.
Das Medienecho war gross, so kam ein langer Beitrag in der Tagesschau.
Der Artikel in der NZZ (siehe Kasten) gibt eine gute Zusammenfassung.
Auf dem Gedenkstein, der vom Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge,
Herrn J.D. Gerber und Kalsang Chokteng, Präsident der Tibetergemeinschaft
Schweiz enthüllt wurde steht: "Die Schweiz nahm als erstes Land
im Westen ab 1960 Tausend tibetische Flüchtlinge auf. Inzwischen
fanden hier 2000 TibeterInnen eine zweite Heimat. Die Tibetergemeinschaft
der Schweiz dankt der schweizerischen Bevölkerung und Regierung für
ihre grosszügige Hilfe".
Perspektiven für Tibet; Eindrücke von der Politiktagung
Etwa 100 Leute besuchten diese Fachtagung am 26.8.01. Froh waren wir
über die Teilnahme der meisten der ehemaligen und neugewählten
tibetischen Siedlungsvertreter, der anwesenden Vorstandsmitglieder der
Tibetvereine, der Präsenz der bisherigen Vertreterin des Dalai Lama
in Genf, so wie ihres neugewählten Nachfolgers und der beiden Parlamentarier
für Europa im Exilparlament. Am Beispiel Litauens, vertreten durch
die ehemalige Ministerpräsidentin Frau Prof. K. Prunskiene und an
den Erfahrungen Südtirols wurde aufgezeigt, wie unter verschiedenen
historischen Voraussetzungen dank hartnäckigem Verfolgen eines Zieles
auch mit gewaltlosen Mitteln die Freiheit oder im Falle Südtirols
eine wirkliche Autonomie - erreicht werden konnte. Frau R. Gonseth, alt
Nationalrätin und Geschäftsleiterin der Parlamentariergruppe
Tibet fasste die Arbeit ihrer Gruppe zusammen und wünscht sich für
die Zukunft eine Konzentration auf ausgewählte Themen, die dann international
verfolgt werden sollten.
In Workshops wurde das Gehörte vertieft und mit der unterschiedlichen
Situation Tibets verglichen. In der Diskussion, geleitet von Klemens Ludwig,
kamen dann auch Meinungen zum Ausdruck, die nicht der offiziellen Haltung
der Exilregierung entsprechen, so wie sich dies für einen demokratischen
Prozess gehört. Mir selber gab die Veranstaltung, vor allem durch
die Darlegungen von Frau Prunskiene, Mut und Zuversicht, dass der richtige
historische Moment für Tibet kommen wird und es gilt, die "innere
Lebenskraft des Volkes" bis dann zu erhalten. "Die Frage lautet
nicht ob Tibet frei wird, sondern wann". Eine Zusammenfassung in
Buchform der gleichnamigen Tagung in Deutschland von 1999 kann bei mir
bezogen werden (Fr. 5.-) . |