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Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya

27. Dezember 2014
Dritte Selbstverbrennung in einem Monat – Schüsse auf protestierende Tibeter
Am 23. Dezember, nur einen Tag nach der Selbstverbrennung der 19-jährigen Tsepey Kyi, starb der 38-jährige Mönch Kelsang Yeshi in der Ortschaft Tawu in der Präfektur Kardze. Er hatte sich vor der Tür der Polizeistation, die sich auf dem Gelände des lokalen Klosters befindet, angezündet und starb nur wenige Minuten später, nachdem er in Flammen stehend die Rückkehr des Dalai Lama forderte.

Tibeter, die sich in grosser Zahl an der Stelle der Selbstverbrennung einfanden, forderten die Polizei auf, den Leichnam herauszugeben, damit er in Würde kremiert werden kann. Stattdessen sahen sie, wie der noch brennende Körper auf die Ladefläche eines Fahrzeugs geworfen und hastig weggefahren wurde. Die Polizei versuchte, die Tibeter mit Sirenengeheul und Schüssen in die Luft zu vertreiben. Später wurde scheinbar auch gezielt in die Menge geschossen, wobei mehrere Tibeter Schussverletzungen erlitten.

Der Leichnam von Kelsang Yeshi wurde unter Aufsicht der Polizei kremiert. Zwei Angehörige von ihm seien danach mit vorgehaltener Schusswaffe gezwungen worden, seine Asche in einen Fluss zu werfen.

Kelsang Yeshi war 1997 in das indische Exil geflohen und hatte seine buddhistischen Studien am Kloster Ganden Jhangtse in Südindien absolviert. Später kehrte er freiwillig in seine tibetische Heimatregion Tawu zurück.

Dort unterrichtete er inkarnierte Mönche und Klosteräbte. Hohes Ansehen genoss er auch wegen seines Engagements zur Bekämpfung des Analphabetentums und der Gründung einer lokalen Wohlfahrtsorganisation mit angeblich 100 Mitgliedern.

Tawu war Ort eines Zwischenfalls im Juli 2013, als Tibeter, die den Geburtstag des Dalai Lama feiern wollten, mit Tränengas und Schüssen auseinandergetrieben wurden. Dabei erlitten mehrere der Feiernden Schussverletzungen und Knochenbrüche [vergl.Tibet-Information vom 11. Juli 2013; UM].

Quellen: Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

23. Dezember 2014
Weitere Selbstverbrennung – Zahl steigt auf 135
Am 22. Dezember verbrannte sich die 19-jährige (nach anderen Quellen 20- oder 21-jährige) Tsepey Kyi in der Ortschaft Meruma im Bezirk Ngaba. Sie setzte sich nachmittags auf der Hauptstrasse von Meruma in Flammen und starb sofort. Fotos von Augenzeugen (http://www.savetibet.org/tibetan-woman-sets-herself-on-fire-in-ngaba-tibet/) zeigen ihren verkohlten Körper, der von Sicherheitskräften in ein Fahrzeug geladen wird.

Tsepey Kyi ist eines von sieben Kindern einer Nomadenfamilie und hat angeblich selbst nie eine Schulbildung erhalten. Nach der Selbstverbrennung wurden sowohl ihre Eltern, die um die 60 Jahre alt sind, und einer ihrer älteren Brüder von der Polizei mitgenommen. Es ist nicht bekannt, wo sie sich befinden. Auch der Leichnam sei noch in Gewahrsam der Behörden.

Schweigegeld für Eltern eines getöteten Tibeters
Der Streit mit Raufereien über die erwungene Wahl eines den Behörden genehmen lokalen Regierungsvertreters in Darlag, Präfektur Golog, am 7. Dezember [vergl. Tibet-Information vom 10. Dezember 2014; UM] hat, wie erst jetzt bekannt wurde, ein Todesopfer gefordert.

In Darlag wollten Behördenvertreter einen Tibeter als Kandidaten ihrer Wahl durchsetzen, obwohl sich die Dorfbewohner für einen anderen Tibeter aussprachen und diesen wählen wollten. Während des Wahlvorgangs kam es deswegen zu Beschimpfungen und Tätlichkeiten. Erst jetzt wurde infolge der unmittelbar danach verhängten Nachrichtensperre bekannt, dass der 22-jährige Tibeter namens Karmey während der Auseinandersetzungen verhaftet wurde, angeblich weil er gerade sein Telefon benutzte. Einen Tag nach dem Vorfall wurde sein Leichnam der Familie übergeben. Laut einem Informanten von RFA soll er in Haft schwer misshandelt worden sein und erlag seinen Verletzungen noch am 7. Dezember.

Die Eltern von Karmey erhielten nach Angaben von RFA eine Geldsumme von Yuan 10‘000 (umgerechnet etwa Fr. 1‘500) als „Entschädigung“. Würden sie über den Vorfall schweigen, seien ihnen nochmals eine Zahlung von Yuan 70‘000 (Fr. 10‘500), eine monatliche Rente und sogar ein neues Haus versprochen worden.

Geldzahlungen an Angehörige von Opfern, um sie zum Schweigen zu bewegen, sind in Tibet nicht neu.

Der Familie von Sangay Gyatso, der sich am 6. Oktober 2012 verbrannte, wurden umgerechnet Fr. 140‘000 angeboten, wenn sie schwieg; die Familie schlug jedoch das Geld aus [vergl. Tibet-Information vom 17. Oktober und 8. November 2012; UM].

Dolma Kyab wurde im August 2013 wegen angeblichen Mordes an seiner Frau zum Tode verurteilt, nachdem sich diese am 13. März selbst verbrannt hatte. Dolma Kyab wurde schon direkt nach ihrer Selbstverbrennung bedrängt, einen Ehestreit als Grund anzugeben, weigerte sich aber [vergl. Tibet-Information vom 25. März und 19. August 2013; UM].

Quellen: Phayul; Radio Free Asia RFA; International Campaign for Tibet; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

18. Dezember 2014
Erste Selbstverbrennung nach 3 Monaten
Am 16. Dezember zündete sich der 33-jährige Sangye Khar vor der Polizeistation der Ortschaft Amchok in der Präfektur Kanhlo (heutige chinesische Provinz Gansu) an. Laut Augenzeugen soll die Polizei noch versucht haben, die Flammen zu löschen, jedoch sei alle Hilfe zu spät gekommen. Angeblich wurde sein Körper unter Protesten der anwesenden Tibeter von Sicherheitskräften abtransportiert; die Kremation habe kurz darauf im nahe gelegenen Kloster Labrang stattgefunden.

Der Zeitpunkt der Selbstverbrennung fällt auf den Todestag des Gelehrten und Heiligen Tsongkapa, der die Gelug-Schule des tibetischen Buddhismus begründete, der auch der Dalai Lama angehört. Der Gedenktag, bei dem traditionell Butterlampen entzündet werden, wurde unterdessen von einer grossen Menschenmenge in Lhasa vor dem Jokhang-Tempel begangen. Die Feiern der Gläubigen waren von einem grossen Aufmarsch an Sicherheitskräften und auch Feuerwehrmännern begleitet.

Fotos von Sangye Khar, der Menschenmenge in Lhasa und des Aufmarsches der Sicherheitskräfte sind zu sehen bei ICT: http://www.savetibet.org/self-immolation-in-eastern-tibet-and-major-troop-deployments-in-lhasa-as-tibetans-mark-religious-anniversary/.

Von Sangye Khar ist nur bekannt, dass er aus der gleichen Region stammt. Die meisten Familien leben dort vom Ackerbau. Nach der Selbstverbrennung wurden alle Kommunikationsleitungen nach Amchok blockiert, und es seien Sicherheitskräfte in grosser Zahl aufmarschiert. Damit steigt die Zahl der Selbstverbrennungen auf 134.

Angesehener Dorfvorsteher stirbt in Haft
Der ungeklärte Tod eines in der Unruhe-Region Driru hoch angesehenen Dorfvorstehers in Haft hat Vorwürfe laut werden lassen, er sei gezielt umgebracht worden, weil er zu grossen Einfluss hatte. Der Tibeter Bachen Gyalwa, auch Gyachen oder Ngawang Monlam genannt, starb nach seiner erzwungenen Absetzung und Verhaftung am 21. November in der Haftanstalt des Bezirks Driru. Die genauen Umstände seines Todes sind nicht bekannt.

Bachen Gyalwa war früher Mönch in einem lokalen Kloster gewesen. Fest steht, dass er in seinem Dorf Ushung wegen seines sozialen Engagements sehr hohes Ansehen genoss. Während seiner Amtszeit wurde im Dorf eine grosse Versammlungshalle gebaut, in der religiöse Belehrungen und Feiern abgehalten wurden und kulturelle Anlässe stattfanden. Auch habe er dafür gesorgt, dass Tibeter Schreib- und Leseunterricht bekamen und so die Probleme durch Alkohol, Glücksspiel und Diebstahl unter den ungebildeten und oft arbeitslosen Jugendlichen vermindert wurden.

Als Grund für seine Verhaftung sehen viele Tibeter, dass er den lokalen Behörden mit seinem Engagement und Ansehen ein Dorn im Auge war. Inzwischen wurde ein neuer Dorfvorsteher eingesetzt. Mit Bachen Gyalwa wurden mindestens vier weitere Tibeter verhaftet, die ihm verbunden waren, deren Schicksal aber unbekannt ist. Nach Bekanntwerden seines Todes mussten sich alle Dorfbewohner mit Unterschrift oder Fingerabdruck unter ein Dokument verpflichten, darüber Stillschweigen zu bewahren. Andernfalls wurden Strafen angedroht.

Quellen: Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia; International Campaign for Tibet ICT

 

10. Dezember 2014
NGO-Aktivist stirbt mutmasslich nach Folter in Haft
Zwei Tage nach seiner vorzeitigen Haftentlassung ist der 33-jährige Tenzin Choedak, auch Tenchoe geannt, an seinen mutmasslich durch Folter erlittenen Verletzungen gestorben. Tenchoe hatte weniger als sechs seiner insgesamt 15 Jahre Haft im Chushur-Gefängnis in Lhasa verbüsst, als er in von seinen Verwandten in moribundem Zustand in das Institut für traditionelle tibetische Medizin in Lhasa (tib. Mentsekhang) eingeliefert wurde und dort nur wenige Stunden später starb. Zeugen berichteten, dass er von seinen Verwandten kaum erkannt wurde, so entstellt war er von Hirnverletzungen; dazu erbrach er Blut.

Tenchoe floh als neunjähriger Junge nach Indien und besuchte dort die Schule im Tibetan Children‘s Village in Dharamsala, bevor er 2005 aus freien Stücken nach Lhasa zurückkehrte. Er arbeitete für eine mit dem Roten Kreuz assozierte NGO sowie in Umweltprojekten in Lhasa und Shigatse.

Seine Festnahme erfolgte im Jahre 2008 unter dem Vorwurf, einer der Anführer der Unruhen in Lhasa vom März gewesen zu sein, und wurde nach Angaben von Verwandten und Zeugen schwer gefoltert. Während der Verhöre konzentrierten sich die Ermittler auf die Verbindung zu seinem Vater Khedup, der 1993 ins indische Exil geflohen war, und angeblich Tenchoe zu seinen Taten angestiftet habe.

Nachdem er zu 15 Jahren Haft verurteilt worden war, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend. Mehrfach sei er, jeweils in Hand- und Fussfesseln, schon in Spitäler eingeliefert worden. Die vorzeitige Entlassung aus der Haft soll erfolgt sein, weil ihn die behandelnden Ärzte aufgaben.

Vorzeitige Haftentlassungen, wenn sich der Gesundheitszustand so verschlechtert, dass mit dem Tod gerechnet werden muss, sind in Tibet nichts Neues. Noch im März 2014 war der 43-jährige Tibeter Goshul Lobsang ebenfalls nach schweren Misshandlungen entlassen worden und starb kurz darauf [vergl. Tibet-Information vom 1. April 2014; UM]. Bei ihm wurde erstmals auch über den Einsatz schmerz erzeugender Injektionen als Foltermethode berichtet.

Vor einem Jahr hatte eine Expertengruppe, die für die Vereinten Nationen Minimalstandards für die Behandlung von Gefangenen ausarbeitet, eine Empfehlung gegeben, dass auch Todesfälle unmittelbar nach Haftentlassung untersucht werden müssten. China hatte sich heftig gegen diese Regeländerung gesträubt. Das Treffen der Expertengruppe in Brasilien, auf dem diese Änderungen besprochen werden sollten, wurde angesichts der dortigen Unruhen im Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschaft auf unbestimmte Zeit verschoben.

Zusammenstoss mit Offiziellen nach erzwungener Wahl
Am 7. Dezember ereignete sich in der Ortschaft Darlag in der Präfektur Golog ein Zusammenstoss zwischen Bewohnern und lokalen Regierungsmitgliedern. Der Grund dafür war, dass die Offiziellen einen ihnen genehmen Kandidaten für ein Amt in der Lokalregierung wählen lassen wollten. An diesem Tag wurden in allen Ortschaften des Bezirks die Wahlen abgehalten.

Die Wahlberechtigten in Darlag verweigerten sich der Wahl des von der Bezirksregierung vorgeschlagenen Kandidaten namens Tenkyab und favorisierten ihren Kandidaten, Lokar, der angeblich die grössere Regierungserfahrung aufwies. Dieses Verhalten erzürnte den Präsidenten des Bezirks, Rinchen Tso, so sehr, dass er die Wähler beschimpfte. Zwei von ihnen wurden von Rinchen Tso and den Haaren gezogen und geschlagen. Die Rauferei endete damit, dass Rinchen Tso kurzerhand einen grossen Teil der schon abgegebenen Stimmen einzog; gewählt wurde Tenkyab mit den übrig gebliebenen Stimmen.

Darlag war im Juli d.J. Schauplatz eines tödlichen Unfalls, als ein Tibeter auf seinem Motorrad von einem chinesischen Lastwagenfahrer überrollt wurde [vergl. Tibet-Information vom 1. April 2014; UM]. Danach kam es zu Unruhen, weil der Lastwagenfahrer nur einen Bruchteil seiner Geldstrafe abzahlen musste. Seitdem waren die Sicherheitsmassnahmen in Darlag erheblich verstärkt worden.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

27. November 2014
Über 100 Nonnen aus Kloster fortgewiesen
Laut Informationen einer nach Indien geflohnen Nonne wurden schon im März mehr als 100 Nonnen aus dem Kloster Changlo im Bezirk Dingri, nahe der Grenze zu Nepal, fortgewiesen. Die geflohene Nonne, die selbst davon betroffen war, berichtete RFA, dass am 4. März alle Nonnen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung im Kloster für 2 Monate an ihre Heimatorte zurückkehren mussten. Im Kloster lebten nur 21 Nonnen mit offizieller Bewilligung, aber ungefähr 200 Nonnen ohne Erlaubnis. Die Nonnen wurden nicht nur gezwungen, an ihre Heimatorte zurückzukehren, sondern mussten auch ihre Roben ablegen. Die Nachricht von der Wegweisung der Nonnen folgt unmittelbar nach einem Bericht über das gleiche Ereignis im Kloster Jada, wo 26 Nonnen betroffen waren [vergl. Tibet-Information vom 19. November 2014; UM].

Nach Ablauf der zweimonatigen Frist hätten einige Nonnen versucht, wieder in das Kloster aufgenommen zu werden, aber es ist nicht bekannt, ob sie eine offizielle Bewilligung erhielten. Andere hielten sich in den umliegenden Wäldern versteckt.

Da es dem Kloster nicht erlaubt war, neue Unterkünfte zu bauen, hätten sich schon vor der Wegweisung fünf oder sechs nicht registrierte Nonnen in ein Zimmer zwängen müssen. Die Nonnen, die sich dort mit offizieller Bewilligung aufhielten, haben hingegen ein komfortables Zimmer mit Fernseher.

Erzwungene Beinamputation nach versuchter Selbstverbrennung
Der Tibeter Sungdue Kyab hatte sich am 12. Dezember 2012 nahe dem Kloster Bora in der Präfektur Kanlho angezündet und war in ein Spital eingeliefert worden [vergl. Tibet-Information vom 12. Dezember 2012; UM]. Die Polizei brachte ihn am 23. Oktober d.J. wieder zurück zu seinen Eltern, nachdem ihm beide Beine amputiert worden waren.

Die Eltern waren schon vorher vom Spital informiert worden, dass ihm wegen der Schwere der Brandverletzungen beide Beine amputiert werden müssten. Gleichzeitig wurde es ihnen aber nicht erlaubt, ihren Sohn zu besuchen und sich über seinen Zustand zu informieren, so dass sie die Zustimmung zur Amputation verweigerten. Auch spätere Versuche Anfang diesen Jahres, ihn im Spital zu besuchen, um ihm Essen und Bettzeug zu bringen, blieben erfolglos. Den Eltern wurde mitgeteilt, dass Sungdue Kyab in eine Haftanstalt eingliefert worden sei und er keinen Besuch empfangen dürfe. Falls sie irgendwelche Informationen an Dritte weitergeben würden, drohten ihnen „Konsequenzen“.

Erst jetzt, bei der Ankunft in seinem Elternhaus, erfuhren die Eltern dann, dass die Amputation erfolgt war. Das Haus ist seitdem unter Polizeibewachung, so dass diese Informationen erst jetzt RFA erreichten. Über Sungdue Kyab gibt es widersprüchliche Informationen; laut der damaligen Nachricht von TCHRD sei er bei der versuchten Selbstverbrennung 29 Jahre alt gewesen und Vater eines Kindes. Die jetzige Meldung von RFA nennt ein Alter von unter 20 Jahren.

„Verbesserungskampagne“ in Driru
Die kürzliche Ausweisung von 26 Nonnen aus dem Jada-Kloster in der Präfektur Driru [vergl. Tibet-Information vom 19. November 2014; UM] ist nach Auffassung von ICT ein erstes Zeichen der umfassenden, im September 2014 beschlossenen „Verbesserungskampagne“. Diese wurde in einem Dekret, das ICT vorliegt und ins Englische übersetzt wurde, am 12. September veröffentlicht. Die neue Kampagne stellt auch ein Eingeständnis dar, dass in der Unruheregion Driru, wo sich Laien, Mönche und Nonnen seit über einem Jahr allen Loyalitätsbezeugungen verweigern, die „Politische Umerziehung“ allein nicht ausreichte.

Die Bestimmungen und Strafandrohungen der neuen Kampagne sind wohl bewusst mehrdeutig formuliert, um den Behörden je nach Situation grossen Spielraum bei ihren Massnahmen zu geben. So wird Mönchen und Nonnen mit Ausweisung aus ihren Klöstern und einer sechsmonatigen „Erziehungsmassnahme“ gedroht, wenn sie sich in jegliche „Regierungsangelegenheiten einmischen“. Das gleiche gilt für „Einmischung in soziale Auseinandersetzungen“. Diese Bestimmung könnte alle Tibeter treffen, die sich bisher erfolgreich als Schlichter bei Disputen über Land oder die Rechte zum Sammeln des teuren Raupenkeulenpilzes betätigten [vergl. Tibet-Information vom 30. Juni 2014; UM], aber auch solche, die einfach nur privaten tibetischen Unterricht anbieten.

Die gleiche Strafe droht Mönchen und Nonnen, die Bilder des Dalai Lama besitzen. Laien, die solche Bilder besitzen, droht dazu noch der Entzug der Bewilligung zum Sammeln des Raupenkeulenpilzes, was besonders umgesiedelte und verarmte Nomaden trifft, die sich damit einen Lebensunterhalt verdienen wollen. Selbst Regierungskadern werden Strafen angedroht, wenn sie die Einhaltung dieser Bestimmungen nicht konsequent durchsetzen.

Eine weitere Bestimmung verfügt den Abriss aller „illegal“, d.h. seit Anfang 2011, errichteten religiösen Bauwerke, seien es Klöster, Einsiedeleien oder selbst Mani-Mauern.

Schliesslich werden auch alle bestraft, die „Auseinandersetzungen über die Verehrung der Gottheit Shugden anzetteln“. Der Dalai Lama hatte alle Tibeter aufgerufen, diese Gottheit nicht zu verehren, weil sie der Religionsausübung abträglich sei. Seither wird der Dalai Lama auf Auslandsreisen wegen dieser Anweisung regelmässig von Shugden-Anhängern auf das Gröbste angegriffen. China nützt den religiösen Disput aus, ermutigt Tibeter zur Shugden-Verehrung und spendet ihnen sogar Geld. Die Bestimmung in Driru kann nun leicht dazu verwendet werden, Mönche und Nonnen zu bestrafen, die die Haltung des Dalai Lama unterstützen.

Quellen: Radio Free Asia RFA; International Campaign for Tibet ICT

 

19. November 2014
Personaldokumente von protestierenden Nomaden konfisziert
Eine Gruppe von Nomaden in der Autonomen Präfektur Yulshul musste sämtliche Personaldokumente abgeben, als sie gegen ihre erzwungene Umsiedlung protestierte. Als die Nomaden am 25. Oktober ihren Umzug in eine entlegene Siedlung verweigerten, mussten sie sämtliche Personaldokumente wie Identitätskarte, Fahrausweis und Aufenthaltsbewilligung abgeben. Die Behörden rechtfertigten diesen Schritt mit dem „Ungehorsam“ der Betroffenen. Als am 1. November eine Delegation der Nomaden zum Verwaltungsbüro der Ortschaft Domda ging und um die Rückgabe bat, wurde ihnen mitgeteilt, dass dieses nur gegen eine sehr hohe Geldbusse möglich sei. Diese konnten sie aber nicht bezahlen.

Im letzten Jahr war bereits eine Gruppe von 200 Nomaden aus Domda umgesiedelt worden. Ihre Lebensbedingungen werden aber als „extrem schlecht“ beschrieben. Die Häuser stünden in einer abgelegenen Region, die nur sehr schlecht erreichbar sei. Viele von ihnen hätten ihre Häuser bereits wieder zu einem geringen Preis verkauft und wären weggezogen. Obwohl die Behörden Weiterbildungsmassnahmen versprochen hätten, damit die Nomaden neue Einkommensquellen finden, würden diese in der Realität nur selten angeboten. Viele Nomaden versuchen, ein Geschäft für billige Gebrauchsgegenstände zu eröffnen, oder sie finden ab und zu schlecht bezahlte Gelegenheitsjobs im Strassen- oder Häuserbau.

Nonnen aus Kloster weggewiesen
Im Kloster Jada im Bezirk Driru sind kürzlich 26 Nonnen weggewiesen worden, weil sie neben den 140 offiziell erlaubten Nonnen nicht offiziell registriert waren. Das Nonnenkloster ist weit über die Region hinaus bekannt für die Ausbildung in tibetischer Philosophie und hat Nonnen aus allen Regionen Tibets angezogen.

Schon früher hatte es Kontrollen seitens der Behörden gegeben, um die Einhaltung der Höchstzahl zu kontrollieren; nicht registrierte Nonnen hätten sich dann jeweils in den umliegenden Hügeln verstecken können. Nachdem sich die Nonnen geweigert hatten, an einer offiziellen Kampagne gegen den Dalai Lama teilzunehmen, seien die Kontrollen aggressiver durchgeführt worden. Die jetzt weggewiesenen Nonnen wüssten oftmals nicht, wohin sie sich nun wenden können.

Driru gilt bei den Behörden als „Unruheregion“, nachdem es immer wieder Proteste gegen erzwungene Loyalitätsbekenntnisse gegeben hatte.

Pläne zum Ausbau des Bahnnetzes in Tibet beunruhigen Indien
Nach der Eröffnung des Bahnabschnittes zwischen Lhasa und Shigatse im August hat die chinesische Regierung weitere Ausbaupläne für das Bahnnetz in Tibet bekanntgegeben. Für Besorgnis in Indien sorgt vor allem eine lange transversale Achse, die von Sichuan im Osten stets unmittelbar entlang der Grenze zu Indien bzw. Nepal und Bhutan bis zur westlichen Provinz Himachal Pradesh führen soll. Die Bahnlinie berührt Regionen, in denen der Grenzverlauf zwischen China und Indien umstritten ist.

Abgesehen von Sicherheitsbedenken Indiens werden von Kritikern auch Umweltrisiken angeführt. Die transversale Achse erlaubt nicht nur effiziente Truppentransporte und den beschleunigten Abbau von Bodenschätzen, sondern wird nochmals den Zustrom von Siedlern beschleunigen. Da die Linie durch Regionen mit einem labilen Ökosystem führt, werden zusammen mit der globalen Erwärmung erhebliche Umweltschäden befürchtet. Schon kurz nach Eröffnung der Bahnlinie nach Lhasa vor acht Jahren hatten chinesische Medien über Risse im Fundament der Geleise berichtet, die durch den auftauenden Permafrostboden verursacht sind. Auch die neue Linie führt grösstenteils durch infolge der globalen Erwärmung gefährdete Permafrostregionen.

Die ehrgeizigen Ausbaupläne des Bahnnetzes wurden vom damaligen Minister für Eisenbahnen und seinem Stellvertreter entworfen. Beide wurden inzwischen wegen Korruption zum Tode verurteilt; das Todesurteil wurde später in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt.

Quellen: International Campaign for Tibet ICT; Radio Free Asia RFA

 

7. November 2014
Demonstration gegen unfaire Preise für Land
Allen Repressionen zum Trotz haben am 3. November Tibeter und auch einige in der Region lebende Chinesen in Sangchu im Nordwesten Tibets in der heutigen Provinz Gansu gegen unfaire Preise für den Kauf von Land durch die Lokalregierung protestiert. Fotos, die ICT zugespielt wurden (http://www.savetibet.org/tibetan-demonstrations-over-land-education-policy/) und Amateurvideos, zeigen Demonstranten mit einem Banner und von Sicherheitskräften errichtete Barrikaden, die den Marsch der Demonstranten vom Versammlungsort zum lokalen Regierungsgebäude unterbinden sollten.

Der Protest richtete sich gegen gegen unfaire Preise beim Kauf von Land, das Tibetern gehörte, durch die Behörden; diese hätten Preise für den Landkauf bei mehreren Gelegenheiten nach Gutdünken zu ihren Gunsten verändert. Die Landkäufe sind zu sehen im Kontext der Umsiedlung von Nomaden im Rahmen der Kampagne „Ein neues sozialistisches Landleben aufbauen“. Ein Amateurvideo zeigt die Demonstranten, unter ihnen auch Frauen und Kinder, wie sie den Sicherheitskräften ihr konfisziertes Banner wieder entreissen, dazu hört man aus einer Gruppe von Tibetern und Sicherheitskräften Rufe, dass Letztere mit Schlagstöcken prügelten.

Schülerdemonstration gegen Sprachunterricht
Anlässlich eines offiziellen Meetings über den Sprachunterricht in Schulen haben am 1. November über 100 tibetische Schülerinnen und Schüler gegen die Verdrängung der tibetischen Sprache demonstriert. Die Regierung hatte am 29. Oktober in Dzoege in der Präfektur Ngaba einen Workshop abgehalten. Dort sei unter anderem der Vorschlag diskutiert worden, in Schulen zwei Leistungsniveaus pro Klassenstufe einzuführen. Die Schüler fürchteten, dass durch ein elitäres Konzept die schwächeren Leistungsstufen keine Weiterbildungs- und Berufschancen mehr hätten. Ausserdem richteten sich die Proteste gegen das Konzept des „bilingualen Unterrichts“. Was auf den ersten Blick wie ein Konzept zur Gleichberechtigung von chinesischer und tibetischer Sprache im Schulunterricht aussieht, bedeutet in der Realität, dass Chinesisch erste Unterrichtssprache wird und Tibetisch auf das Niveau von Fremdsprachenunterricht degradiert wird.

Der Schülerprotest, von dem es ein heimlich aufgenommenes Amateurvideo gibt (https://www.youtube.com/watch?v=d2c3pfm4nGM) , entstand, nachdem ein Offizieller einen Vortrag gehalten hatte und sich über das geringe Bildungsniveau unter tibetischen Nomaden beklagte. Die Schüler riefen Slogans wie „Gleichheit der Sprachen“ und „Lieber hunderten helfen als einem“.

Tibeter erhalten Gefängnisstrafen wegen „Hilfe zur Selbstverbrennung“
In der Präfektur Ngaba wurden acht Tibeter, von denen drei namentlich bekannt sind, zu Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren verurteilt, weil sie Hilfe zu einer Selbstverbrennung geleistet hätten, was vom Gericht als „Mord“ gewertet wurde. Unter den Verurteilten befindet sich mit einer dreijährigen Haftstrafe Dolma Tso. Diese hatte nach Angaben ihres im Exil lebenden Bruders lediglich dabei geholfen, den verkohlten Körper in ein Fahrzeug zu laden. Kunchok Tseten, ein 30-jähriger Vater zweier Kinder, hatte sich am 3. Dezember 2013 in Meruma in der Präfektur Ngaba angezündet und war auf der Fahrt in ein Spital gestorben [vergl. Tibet-Information vom 5. Dezember 2013; UM].

Quellen: International Campaign for Tibet ICT; Phayul; Radio Free Asia RFA

 

31. Oktober 2014
China stoppt Arbeiten in Diamantenmine in Dzatoe
Im Bezirk Dzatoe in der Präfektur Yulshul wurden auf Anordnung der Zentralregierung alle Minenarbeiten gestoppt.

Dort wurde im August 2013 ein friedlicher Protest von Tibetern von paramilitärischen Kräften gewaltsam beendet. Mehrere Hundert Tibeter hatten sich am Ort der Mine versammelt, nachdem chinesische Arbeiter angerückt waren, um mit den Abbauarbeiten zu beginnen. Die Angehörigen der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) warfen Tränengas in die Gruppe der protestierenden Tibeter und traktieren sie mit Schlägen, angeblich auch mit Tasern [vergl Tibet-Information vom 26. August 2013; UM]. Acht Tibeter wurden verhaftet, mehrere verletzt.

Der Bezirk Dzatoe liegt in dem sogenannten San Jiang Yuan Three Rivers Headwaters Nature Reserve (SNNR), das im Jahre 2000 eingerichtet wurde, um die Region um die Quellen der drei grossen Ströme Mekong, Yangtse und Gelber Fluss zu schützen. Nun wurden auf Anordnung der Behörden an Strassen Steinpfosten eingesetzt, deren Inschrift das ganze Gebiet zur Naturschutzzone erklärt. Auch die acht verhafteten Tibeter sind wieder in Freiheit. Die Entscheidung fiel offenbar, nachdem über die Proteste und die Minenarbeiten in dieser Region in mehreren internationalen Medien berichtet worden war. Die Protestierenden hatten seinerzeit die Korruption unter den lokalen Behörden angeprangert. Auch stellten sich die offiziellen Genehmigungen zur Aufnahme der Arbeiten als Fälschungen heraus; es hatte sich lediglich um Genehmigungen zur geologischen Erkundung gehandelt.

Nepal stellt keine Flüchtlingspapiere mehr für Tibeter aus
Die nepalesische Regierung hat beschlossen, ankommenden Flüchtlingen aus Tibet keine Flüchtlingspapiere mehr auszustellen. Ein Sprecher der Nationalen Flüchtlingskommission erklärte: „Wenn wir sie weiter [als Flüchtlinge; UM] anerkennen, sehen wir uns bald einer neuen Welle von Immigranten ausgesetzt. Wir haben keinen Platz mehr.“ Asia News zitiert eine Quelle aus Regierungskreisen, die von starkem Druck aus China berichtet. Aus chinesischer Sicht können Tibeter in Nepal nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, weil es in Tibet weder religiöse noch ethnische Diskriminierung gebe.

Die Zahl der tibetischen Flüchtlinge ist seit 2008 von etwa 2‘000 jährlich auf 200 im Jahre 2013 zurückgegangen. Auch ohne Identitätsdokumente ermöglicht ein „Gentlemen’s Agreement“ zwischen UNHCR und Nepal den Flüchtlingen einen Transit nach Indien. In der Praxis wird dieses aber immer wieder ignoriert, und Grenzkräfte schieben Flüchtlinge – manchmal gegen eine „Belohnung“ von chinesischen Grenzwachen - zurück nach Tibet ab, wo sie Haft und Misshandlungen erwarten.

Überwachungskameras in Gebetsmühlen
Ein Journalist der irischen Fernsehgesellschaft RTÉ berichtet von seinem sorgfältig orchestrierten Besuch in Lhasa auf Einladung der Regierung. Er konnte nur solche Tibeter interviewen, die die Sicht der Regierung wiedergaben. In seinem Bericht schliesst er: „Ein wahres Bild, wie das Leben hier ist, blieb für mich ausserhalb der Reichweite“. Die Fernsehaufnahmen zeigen nicht nur in Lhasa postierte Sicherheitskräfte, sondern auch eine als Gebetsmühle getarnte Überwachungskamera. Ein Foto von ihr und der Filmbericht (ca. 3 Minuten) sind zu sehen bei http://freetibet.org/news-media/na/china-invites-select-media-visit-%E2%80%9Chappy-tibet%E2%80%9D?utm_source=Free+Tibet+email+updates&utm_campaign=1f56b190c9-News_update_Lord_Davidson&utm_medium=email&utm_term=0_8b3b75e260-1f56b190c9-49802621.

Quellen: Phayul; Asia News; International Campaign for Tibet

 

13. Oktober 2014
Weitere Selbstverbrennung in Tibet
Wie erst jetzt bekannt wurde, hat sich am 16. September eine weitere Selbstverbrennung, ereignet, was die Zahl insgesamt auf 133 steigen lässt. Diese Selbstverbrennung geschah einen Tag vor der bereits früher bekannten Selbstverbrennung von Lhamo Tashi [vergl. Tibet-Information vom 27. September 2014; UM]. Der 42-jährige Tibeter Kunchog zündete sich vor einer Polizeistation im Bezirk Gade in der Präfektur Golog an. Andere Tibeter eilten herbei und lieferten ihn in ein Spital in der Provinzhauptstadt Xining ein. Kunchog hat die Selbstverbrennung überlebt, jedoch hat er grossflächige Brandverletzungen erlitten, so dass die Angehörigen seinen Tod befürchten. Er leide grosse Schmerzen und mache sich Vorwürfe, dass er seine Selbstverbrennung überlebt habe.

Die Nachrichten erreichten das Ausland weger einer verhängten Nachrichtensperre erst mit beträchtlicher Verzögerung. Auch wurde der Name des Spitals von den Helfern geheim gehalten, da die Helfter befürchteten, Konchog könne von der Polizei deportiert werden; auch allen Helfern drohen erhebliche Strafen. Konchog hat einen Sohn und eine Tochter, die beide als Mönch bzw. Nonne in lokalen Klöstern leben. Ein weiterer Informant berichtete RFA, dass die Behörden nach der Selbstverbrennung an zahlreichen „sensiblen“ Punkten in Gade Überwachungskameras installiert hätten.

Harte Restriktionen in Driru
Im Bezirk Driru, der seit einem Jahr Schauplatz von Protesten und auch Selbstverbrennungen ist, haben die Behörden weitere harte Restriktionen bekannt gegeben. Gemäss einem Informanten von RFA wurde am 20. September eine einmontige Kampange unter dem Namen „Besserung und Reinigung“ gestartet. Regierungsmitarbeiter verteilen die 30-seitige Broschüre, die alle Bestimmungen enthält, an jedes Kloster und jede Gemeinde in Driru.

Alle religiösen Bauwerke, die nach 2010 errichtet wurden, sind illegal und müssen niedergerissen werden. Auch Einsiedelein von Klöster, die nach dem 1. November 2011 gebaut wurden, werden abgerissen. Verantwortlich dafür sind diejenigen Klöster und Gemeinden, die sie vorher errichtet haben.

Mönche, die 12 Jahre oder jünger sind, dürfen nicht einem Kloster beitreten, und solche, die sich bereits im Kloster befinden, müssen bis 20. Oktober zu ihren Familien zurückkehren. Familien, die sich weigern, ihre Kinder zurück zu nehmen, können für 6 Monate inhaftiert werden, und Klostervorstände, die die Kinder in den Klöstern behalten, werden selbst ausgewiesen und bestraft. Alle Mönche und Nonnen müssen die chinesische Flagge auf den Dächern hissen und Fotos chinesischer Führer aufstellen, sonst werden sie des Klosters verwiesen. Der Besitz von Bildern des Dalai Lama ist verboten. Wenn bei Mönchen und Nonnen solche Fotos gefunden werden, müssen sie an einer „Umerziehung“ teilnehmen und verlieren alle staatlichen Unterstützungen. Alle übrigen Tibeter müssen in solch einem Fall für 6 Monate an einem „Auffrischungskurs“ teilnehmen.

Sohn eines Hotelbesitzers überfährt protestierende Tibeter: 3 Tote
Nach einer Auseinandersetzung über Essenpreise in einem Hotel-Restaurant am 26. September ist der Sohn des Hotelbesitzers mit seinem Auto in eine Gruppe von tibetischen Studenten gefahren. Drei Studentinnen starben, eine vierte ist verletzt.

Die Studenten wohnten in dem Hotel im Bezirk Rongtrag in der osttibetischen Präfektur Kardze, um an den Aufnahmeprüfungen für Arbeitsstellen in der Regierung teilzunehmen. Der Streit entzündete sich, als die Studenten reklamierten, die Essenrechnung im Hotel sei höher ausgefallen als zuvor auf der Speisenkarte vermerkt. Nachdem die Studenten unter Protest das Restaurant verlassen hatten, folgte ihnen der Sohn des Hotelbesitzers mit dem Auto und fuhr in die Gruppe.

Am Tag darauf begannen die Eltern der drei getöteten Studentinnen einen stillen Protest mit Plakaten und Fotos vor einem Regierungsgebäude. Als sie die Herausgabe der Leichen verlangten, stellte sich heraus, dass diese auf behördliche Anordung bereits kremiert worden waren. Die Polizei publizierte einen Untersuchungsbericht, der die Schuld an dem Vorfall allein den Studenten gab.

13 Verletzte durch Schussverletzungen nach Protest gegen Minenarbeiten
Ein weiteres Mal wurden Proteste gegen Minenarbeiten blutig niedergeschlagen. Im Dorf Tsang Tobgyal in der Präfektur Shigatse erlitten 13 Tibeter, unter ihnen eine schwangere Frau, Schussverletzungen, als Sicherheitskräfte den Protest gegen Minenarbeiten mit Waffengewalt beendeten. Die Bewohner hatten Regierungsgebäude umringt, um gegen eine Mine in der Region zu protestieren, die Gold, Kupfer und Mineralien gewinnt.

Der Vorfall ereignete sich am 9. August, wurde aber wegen der Nachrichtensperre erst jetzt bekannt. Nach den Schüssen warfen die Tibeter mit Steinen, was noch mehr Verletzte auf beiden Seiten hinterliess. Mehrere Appelle zur Beendigung der Arbeiten wegen der Umweltzerstörungen waren zuvor ungehört geblieben. Nach Angaben von Informanten sei der lokale Sekretär der Kommunistischen Partei dafür bekannt, dass er Bestechungsgelder von der Minengesellschaft nimmt und mit Berufung auf die Zentralregierung den Fortgang der Arbeiten genehmigt.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Phayul

 

27. September 2014
Weitere Selbstverbrennung in Tibet
Die 132. Selbstverbrennung, und die erste seit April d.J., hat sich am 17. September ereignet. Aufgrund der Nachrichtensperre erreichten diese Nachrichten erst eine Woche später das Ausland. Der 22-jährige Student Lhamo Tashi setzte sich vor einer Polizeistation im Bezirk Tsoe in der Präfektur Kanlho in Brand und starb.

Als die Eltern davon erfuhren und zur Polizei eilten, verweigerte diese die Herausgabe des Leichnams. Einen Tag später erfuhren die Eltern, dass die Kremation auf Veranlassung der Polizei bereits durchgeführt wurde. Am Tag darauf wurde die Urne mit seiner Asche ausgehändigt.

Lhamo Tashi war wegen seiner Beteiligung an den Unruhen von 2008 bereits einmal inhaftiert. Weiteres ist über ihn nicht bekannt.

Betrunkene Polizisten misshandeln Tibeter
Drei Tibeter erlitten schwere Verletzungen, nachdem sie in Haft von betrunkenen Polizisten misshandelt wurden. Der Vorfall ereignete sich am zweiten Tag eines Wettbewerbs für Bogenschützen im Bezirk Chentsa in der Präfektur Malho.

Betrunkene Polizisten hatten tibetische Zuschauer aufgefordert, mit ihnen zu trinken. Als diese sich weigerten, drohten sie damit, den Wettbewerb abzubrechen. Ein Tibeter namens Wangchuk wollte intervenieren und wurde sofort in ein Polizeifahrzeug gestossen. Ebenso erging es seinem Bruder und einen weiteren Tibeter, Tenzin Rinchen.

Im Gefängnis erschienen dann etwa 8 betrunkene Polizisten mit Biervorräten. Nachdem sie reichlich Bier getrunken hatten, hingen sie die Tibeter an der Decke auf und schlugen sie mit den leeren Flaschen. Später zwangen sie die Tibeter, sich auf den Boden zu legen und urinierten über sie.

Tenzin Rinchen erlitt schwere innere Verletzungen und sechs Rippenbrüche. Er wurde in das Spital der Provinzhauptstadt Xining gebracht, nach einer Woche Behandlung dann auf Geheiss der Polizei wieder in das Spital von Malho zurück transferiert. Ein Informant von Phayul sagte, er sei in sehr schlechtem Zustand und könne weder sprechen noch essen.

Wangchuk und sein Bruder wurden am 22. September wieder aus dem Spital entlassen, aber es ist nichts über ihren Zustand bekannt.

Die Polizei, die von RFA kontaktiert wurde, dementierte diesen Vorfall. Ein Polizist teilte am Telefon lediglich mit, dass drei betrunkene Tibeter verhaftet worden seien, die randaliert und einen Polizisten belästigt hätten.

Quellen: Phayul; Radio Free Asia RFA

 

18. September 2014
China wirbt für tibetisch-chinesische Mischehen
Seit seinem Amtsantritt setzt sich der neue chinesische Staatspräsident Xi Jinping dafür ein, eine neue „nationale Identität“ anzustreben, unter dem Motto „lasst uns die Menschen verschiedener ethnischer Herkunft in ein einziges Seil zusammenflechten“. Dieses lässt befürchten, dass damit eine neue Kampagne beginnt mit dem Ziel, „problematische“ ethnische Gruppen stärker zu kontrollieren und ihre Identität zu schwächen.

Seit April wird diese Kampagne auch in Tibet mit grossem medialem Pomp inszeniert. Am 18. Juni hielt der Vorsitzende der Kommunistischen Partei in Tibet, Chen Quanguo, eine Ansprache bei einer Versammlung von gemischt chinesisch-tibetischen Paaren und sprach davon, dass diese Mischehen gefördert werden müssten, um „die grosse Einheit aller ethnischen Gruppen in Tibet zu stärken“. Weiter führte er recht pathetisch aus: „Obwohl Haushalte aus verschiedenen Nationalitäten bestehen, sehe ich, dass sie alle aus liebenden Vätern und Kindern, in Harmonie lebenden Müttern und Töchtern, liebevollen Brüdern und Paaren bestehen, die vollkommen glücklich sind. Ich freue mich darüber sehr. Alle Ihre glücklichen und harmonischen Familien tragen positiv zum Glück und zur Harmonie in unserem Mutterland bei, und ebenso zur Einheit und zum Verschmelzen aller ethnischen Gruppen.“

Mehr noch, Chen Quanguo forderte explizit Parteikader und Offizielle dazu auf, solche Ehen zu vermitteln, um „,Alleinstehenden aller ethnischen Gruppen eine Brücke zu bauen, damit sie ihre Seelenverwandten finden“.

Nicht zufällig berichten auch staatliche Medien auffallend oft von der historischen Hochzeit des tibetischen Königs Songtsen Gampo mit der chinesischen Prinzessin Weng Cheng im 7. Jahrhundert. Diese Hochzeit wird historisch umgedeutet, um zu suggerieren, dass damit China seinen Herrschaftsanspruch über Tibet begründete und „Kultur“ nach Tibet brachte. Geflissentlich übersehen wird, dass Songtsen Gampo noch eine zweite Frau, eine nepalesische Prinzessin, heiratete.

Ebenso ist die Kampagne wohl auch im Kontext einer generellen Debatte in Chinas Politikzirkeln zu sehen, die unter dem Thema „Zweite Generation der ethnischen Politik“ stattfindet. Namhafte Politiker und Akademiker fordern, ethnische Grenzen abzuschaffen und eine einzige, kollektive Identität in China zu formen. Dazu gehört auch die Einschränkung von Autonomieregeln und anderen Privilegien, die ethnische „Minderheiten“ noch geniessen.

Zhu Weiqun von der Organisation „Einheitsfront“, die für Minderheitenpolitik zuständig ist, und der seinerzeit an den Dialogrunden mit den Gesandten des Dalai Lama teilnahm, forderte kürzlich, dass der ethnische Status nicht mehr auf Identitätskarten vermerkt werden soll, keine neuen Gebiete mehr als „autonom“ anerkannt werden sollen und Mandarin als Pflichtsprache in allen Schulen unterrichtet wird. Damit werden die wenigen chinesischen Intellektuellen zum Schweigen gebracht, die in Internetforen mahnen, dass nicht wirtschaftliche Entwicklung allein die Spannung lösen kann, sondern nur die Anerkennung von Diversität im Gegensatz zu – so wörtlich in einem Blog - „Han-Chauvinismus“.

China verdoppelt Strassensperren zwischen Driru und Nagchu
Zwischen diesen beiden Bezirken nördlich von Lhasa, die Schauplatz von Unruhen und Selbstverbrennungen waren, sind neue Strassensperren errichtet worden, die die Fahrzeit für die 270 km lange Strecke von vier auf sieben Stunden verlängern. An jedem Posten werden die Fahrzeuge gründlich durchsucht. Wer seinen Fahrausweis und die Wagenpapiere nicht vorweisen kann oder nicht mit den Kontrolleuren kooperiert, wird geschlagen und bis zu 3 Wochen in ein „Umerziehungslager“ geschickt. Die Fahrer dürfen auf dieser Strecke nicht einmal eine Pause machen; wer dabei entdeckt wird, erhält eine Strafe von umgerechnet Fr. 1‘000. Wenn die Strafe nicht gezahlt werden kann, wird der Fahrausweis eingezogen und die Zulassung für das Fahrzeug widerrufen.

Quellen: International Campagin for Tibet; Phayul

 

1. September 2014
„Tibeter sind glücklich“ – Ausländische Delegierte werden hintergangen
Anlässlich einer Konferenz über die ökonomische Entwicklung Tibets, an der auch ausländische Delegierte teilnahmen, wurden den Teilnehmern chinesische Propaganda-Statements unterschoben. Die Konferenz wurde von der Regionalregierung Tibets und dem Staatlichen Informationsbüro der Volksrepublik China organisiert mit dem Ziel, ausländische Investoren für Tibet zu interessieren. Am Ende der Konferenz publizierte am 14. August die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua ein Dokument mit dem Titel „Lhasa Consensus“, in dem die Teilnehmer aus 30 Ländern angeblich die „Dalai Clique“ kritisieren und die „einseitige“ Berichterstattung der internationalen Medien bedauern.

Wörtlich heisst es im „Lhasa Consensus“ unter anderem: „Die Teilnehmer sind einstimmig der Meinung, dass das, was sie gesehen haben, radikal von dem abweicht, was der 14. Dalai Lama und die Dalai Clique behaupten. Die Stellungnahmen der Dalai Clique über Tibet sind entstellt und inkorrekt. Viele westliche Medienberichte sind einseitig...Die Teilnehmer [der Konferenz; UM] stellen fest, dass in Tibet ein gesundes wirtschaftliches Wachstum, soziale Harmonie, tief verwurzelte Kultur und eine wunderbare Landschaft vorherrschen und das Volk ein glückliches Leben geniesst...“

Darauf angesprochen, erklärten Delegierte aus Grossbritannien und Neuseeland, dass sie zwar „Kenntnis“ von der Schlusserklärung hätten, diese aber nicht unterzeichnet haben. Es bleibt abzuwarten, wir Delegierte aus anderen Ländern, u.a. Irland, Australien und Japan, darauf reagieren.

Twitter löscht gefälschte Accounts
Twitter hat nach internationalen Protesten gefälschte Accounts gelöscht, die chinesische Propaganda über Tibet verbreiteten. Free Tibet Campaign hatte in Zusammenarbeit mit der New York Times aufgedeckt, dass zahlreiche in China registrierte Accounts mit falschen Namen und teilweise entwendeten Bildern operieren und geschönte Nachrichten über Tibet oder den Dalai Lama verunglimpfende Stellungnahmen verbreiten [vergl. Tibet-Information vom 23. Juli 2014; UM]. Die Zahl der gefälschten Accounts wurde auf mehrere hundert geschätzt, und alle konnten auf Quellen in China zurück verfolgt werden.

Weitere drei Todesopfer nach Schüssen auf Tibeter in Kardze
Die Schüsse auf protestierende Tibeter im Bezirk Sershul in der Präfektur Kardze haben offenbar noch weitere Todesopfer gefordert. Bisher war von 5 Tibetern berichtet worden, die durch die Schussverletzungen starben. Sicherheitskräfte hatten das Feuer auf Tibeter eröffnet, die gegen die Verhaftung des Dorfvorstehers von Sershul protestiert hatten [vergl. Tibet-Information vom 18. und 21. August 2014; UM].

Free Tibet Campaign hat erfahren, dass die Frau des jüngsten Todesopfers, des 18-jährigen Jinpa Tharchin, Selbstmord begangen hat. Sie war im siebten Monat schwanger und hat sich erhängt. Ebenfalls starb die 67-jährige Dawa Lhamo, Tante des verhafteten Dorfvorstehers Wangdak, nach Misshandlungen in Haft. Sie soll durch die Schläge auf den Kopf eine Hirnblutung erlitten haben, der sie erlag. Auch starb einer der Sicherheitskräfte durch einen unabsichtlichen Nackenschuss seiner Kollegen; es ist nicht bekannt, ob er Tibeter oder Chinese war.

Gespräche über Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet?
Wu Yingjie, Vizesekretär der Kommunistischen Partei in Tibet, hat in einem Interview mit indischen Journalisten in Lhasa am 24. August erklärt, man befinde sich in Verhandlungen über die Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet. Die Regierung führe Gespräche mit „persönlichen Gesandten“ des Dalai Lama, die in Beijing stattfinden. Diese Gespräche verliefen „reibungslos“, aber man rede nur über dessen persönliche Zukunft und nicht über den Status von Tibet. Mehrere Tibeter seien in der letzten Zeit aus dem Exil zurückgekehrt, zuletzt ein hoher Lama aus der Schweiz. Allen Tibetern im Exil, einschliesslich des Dalai Lama, stünde die Rückkehr nach Tibet offen, vorausgesetzt sie akzeptierten, dass Taiwan und Tibet ein Teil von China seien und sie „spalterische“ Aktivitäten aufgeben.

Als Journalisten nach den vor vier Jahren ergebnislos eingestellten Gesprächen der Gesandten des Dalai Lama fragten, antwortete Wu Yingjie, dass deren Vorschläge inakzeptabel seien. Wie solle China seine Armee aus Tibet abziehen? Es sei schliesslich auch undenkbar, dass Indien seine Armee aus Arunachal Pradesh abziehe. Auch würde nicht über den Einbezug von tibetischen Regionen ausserhalb der „Autonomen Region Tibet“ gesprochen.

Quellen: Free Tibet Campaign; The Hindu

 

21. August 2014
Fünf Tibeter erliegen Schussverletzungen in Kardze
Der Protest im Bezirk Sershul in der Präfektur Kardze, bei dem Sicherheitskräfte in eine Gruppe von etwa 100 protestierenden Tibetern feuerten [vergl. Tibet-Information vom 18. August 2014; UM], hat bis jetzt fünf Todesopfer gefordert.

Am 12. August hatten Tibeter im Dorf Denma gegen die Verhaftung ihres hoch geachteten Dorfvorstehers protestiert. Der Tibeter mit Namen Dema Wandak hatte gegen die Absage des jährlich stattfindenen Festivals mit Reiterspielen protestiert und sich für die Mitglieder einer Tanzgruppe eingesetzt, die angeblich von Funktionären belästigt worden waren.

Nach den Schüssen auf die Protestierenden wurde eine unbekannte Zahl von Tibetern verhaftet. Diejenigen mit Schussverletzungen erhielten nach Angaben von Informanten von RFA keine medizinische Versorgung. Einer der Tibeter habe sich in der Haft aus Protest das Leben genommen, die anderen vier seien an den Schussverletzungen sowie Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte gestorben. Von drei Getöteten sind Namen und Alter bekannt. Der Älteste ist 60 Jahre alt und ein Onkel von Dema Wangdak. Der jüngste ist 18 Jahre alt. Auch diejenigen Tibeter, die nicht verhaftet wurden, blieben ohne medizinische Versorgung; einge hatten noch eine Woche nach dem Protest Kugeln in ihren Körpern.

Am 18. August wurden die Bewohner zu einer öffentlichen Versammlung eingeladen, in der die Behörden als „wahren“ Grund der Verhaftung von Dema Wangdak angaben, er habe öffentliche Gelder unterschlagen. Da kaum jemand an der Versammlung teilnahm, wurde einen Tag später noch eine weitere Versammlung anberaumt, über deren Verlauf aber nichts bekannt ist.

Geheimer Polizeibericht belegt tödliche Schüsse bei den Unruhen von 2008
TCHRD präsentiert einen geheimen Polizeibericht aus Lhasa, der belegt, dass Tibeter während der Unruhen vom März 2008 in Lhasa durch Gewehrfeuer umkamen. Das vom 21. März 2008 datierte Dokument wurde von Forensikern des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) verfasst und kürzlich ins Exil geschmuggelt.

Der Bericht handelt von insgesamt 26 toten Personen, darunter ausführliche Obduktionsberichte von vier Tibetern. Die meisten von ihnen starben am 14. März 2008, kurz nach Beginn der Unruhen. Insgesamt 15 Personen starben laut dem Bericht an Schussverletzungen. Die obduzierten Tibeter wiesen bis zu 17 Schussverletzungen auf, die sich am ganzen Körper befanden, und legen damit den Verdacht nahe, dass wahllos mit Maschinengewehren gefeuert wurde.

Dieser Bericht straft öffentliche Stellungnahmen Lügen. Am 17. März 2008 hatte der damalige Gouverneur von Tibet, Jampa Phuntsok, während einer Pressekonferenz gesagt, die Sicherheitskräfte „...haben keine tödlichen Waffen verwendet. Sie haben nie auf Protestierende geschossen.“

Auch weitere öffentliche Stellungnahmen scheinen Lügen zu enthalten. Am 1. April 2008 gab PSB die Namen von sechs unbeteiligten Tibetern bekannt, die angeblich durch Plünderer getötet wurden. Nun tauchen zwei dieser Namen im Obduktionsbericht auf – mit Schussverletzungen als Todesursache.

Schliesslich scheinen die Behörden auch die wahre Zahl der Todesopfer während der Proteste zu verheimlichen. Pema Thinley, Vize-Parteisekretär in China, erklärte 2008 bei einer Pressekonferenz in Hongkong, abgesehen von den Opfern von Plünderungen seien lediglich drei „Kriminelle“ ums Leben gekommen, und zwar auf der Flucht durch Sprünge von Hausdächern. Im jetzt publizierten Bericht tragen die Obduzierten die Nummern 92, 93, 94 und 101. Da anzunehmen ist, dass die Todesopfer in aufsteigender Reihe nummeriert wurden, dürfte die Zahl der Getöteten mindestens bei 101 liegen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia RFA

 

18. August 2014
Behörden publizieren neue Verordnungen in Driru
Im Bezirk Driru, in dem sich mehrere Selbstverbrennungen ereignet hatten, haben die Behörden einen ganzen Katalog von Verordnungen erlassen, der zahlreiche Tatbestände unter Strafe stellt. Die Verordnungen sind in einem Handbuch in vier Kapiteln und 26 Artikel aufgeführt, das Ende Juli veröffentlicht wurde.

Tibeter dürfen nicht am jährlich stattfindenden Grossen Gebetsfest (Monlam Chenmo) teilnehmen, keine „Gerüchte verbreiten“, Mönche und Nonnen nicht in Klösern und Instituten ausserhalb des Bezirks studieren, und alle müssen zur „Harmonie und Stabilität“ beitragen. Strafen werden angedroht für solche, die „zu Separatismus anstacheln“, Informationen an Ausländer weitergeben, öffentliche Diskussionen und Vorträge organisieren, Lieder für den Dalai Lama singen oder seine Lehren weiter verbreiten. Die Verordnung droht auch Familienmitgliedern der „Täter“ Haft an.

Ebenfalls im Monat Juli war der angesehene buddhistische Gelehrte Tenzin Lhundup festgenommen worden, während er einen Vortrag über „die Situation der tibetischen Sprache und Nationalität“ hielt. Driru war bereits früher Schauplatz heftiger Unruhen, nachdem sich die Bewohner den auferlegten Loyalitätsbekundungen für China verweigert hatten und es zu zahlreichen Verhaftungen kam [vergl. Tibet-Informationen vom 9. Oktober, 11. November 2013 und 7. Januar 2014; UM].

Tibeter wegen Protesten gegen tödlichen Verkehrsunfall misshandelt
Am 23. Juli kam es im Bezirk Dharlak im Norden Tibets zu einem tödlichen Verkehrsunfall, als ein chinesischer Lastwagenfahrer einen tibetischen Motorradfahrer überfuhr und tötete. Die Verwandten des Opfers mit Namen Sobey gaben an, der Lastwagenfahrer sei verhaftet und zu einer Entschädigung von umgerechnet etwa Fr. 60‘000 an die Familie verurteilt worden.

Kurz darauf wurde der Fahrer aber wieder freigelassen, nachdem er nur ein Achtel der Summe bezahlt hatte. Darauf marschierten zahlreiche Einwohner von Dharlak zur Polizeistation, um die Polizisten zur Rede zu stellen. Die von der Wache zur Hilfe herbeigerufene Bewaffnete Volkspolizei (PAP) schlug auf die Tibeter ein und verletzte mehrere von ihnen, darunter auch Freunde und Angehörige des Opfers, und nahm 40 Personen fest. Acht Tibeter sind noch immer in Haft und nach Angaben von Anghehörigen, die sie besuchen durften, schwer misshandelt worden.

10 protestierende Tibeter durch Schüsse verletzt
Am 12. August eröffnete die Polizei das Feuer auf eine Gruppe von etwa 100 Tibetern, die gegen die Verhaftung ihres Dorfvorstehers protestierten. Der Vorfall ereignete sich in Denma im Bezirk Sershul in der osttibetischen Präfektur Kardze. Über die Gründe der Verhaftung des Tibeters mit Namen Wangdak gibt es je nach Quelle unterschiedliche Angaben.

Phayul gibt an, Wangdak habe sich für die Mädchen einer Tanzgruppe eingesetzt, die von chinesischen Offiziellen nach einer Aufführung belästigt worden seien. TCHRD erwähnt, die Offiziellen hätten die Mädchen gezwungen, anlässlich des Besuches eines hohen Offiziellen einen Willkommenstanz aufzuführen. Laut TCHRD sei der Hauptgrund der Verhaftung Wangdaks aber gewesen, dass er gegen die behördliche Absage des jährlich stattfindenen Festivals mit Reiterspielen protestiert hatte.

Durch die Schüsse in die protestierende Menge wurden 10 Tibeter, darunter Wangdaks Sohn und Bruder, verletzt. Am Abend sei eine unbekannte Zahl Dorfbewohner verhaftet worden. Am Tag danach umringten Sicherheitskräfte das Dorf, jedoch sei es einer Anzahl jüngerer Tibeter gelungen, in die umliegenden Berge zu flüchten.

Fotos des Dalai Lama bei Reiterfestival
Bei einem ebenfalls in der Präfektur Kardze stattfindenden Festival mit Reiterspielen konnte hingegen ein Foto des Dalai Lama öffentlich ausgestellt werden, und die Zuschauer wurden sogar aufgefordert, vor dem Portrait zu beten. Ein von Radio Free Asia veröfffentlichtes und auf den 27. Juli datiertes Foto zeigt den Festzug im Bezirk Bathang, auf dem das Portrait des Dalai Lama zu sehen ist, das von geschmückten Pferden getragen wird.

Die Organisatoren trotzten damit allen Restriktionen und ermunterten die Besucher, das Foto anzusehen und mit weissen Schärpen zu schmücken. Viele Tibeter hätten Gebete für ein langes Leben des Dalai Lama verrichtet. Die Behörden schritten offenbar nicht dagegen ein

Quellen: Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia

 

23. Juli 2014
Trotz Restriktionen: überall in Tibet Geburtstagsfeiern für den Dalai Lama
ICT hat Berichte, Videos und Fotografien aus allen Teilen Tibets zusammengestellt, die zeigen, dass überall in Tibet trotz scharfer Restriktionen am 6. Juli der 79. Geburtstag des Dalai Lama gefeiert wurde.

Ein Video aus Tawu im Osten Tibets zeigt, wie von Klöstern und Häusern Weihrauch aufsteigt und Tibetern mit lauten Rufen den Geburtstag feiern. Noch vor einem Jahr hatten Sicherheitskräfte in die feiernde Menge geschossen und 9 Tibeter schwer verletzt [vergl. Tibet-Information vom 11. Juli 2013; UM]. Auch in zahlreichen anderen Regionen feierten Tibeter den Geburtstag bei Picknicks, stellten Dalai-Lama-Bilder auf, entzündeten Weihrauchfeuer und boten Opfergaben. Mönche des Labrang-Klosters im Nordosten Tibets zelebrierten auf den Weiden unterhalb des Klosters ein Langlebensgebet. Auf Internetplattformen wurden eigens für den Dalai Lama komponierte Lieder und Gedichte publiziert.

In Lhasa dagegen wurden deutlich mehr Sicherheitskräfte als üblich an „sensitiven“ Punkten wie der Altstadt und dem Norbulingka, dem Sommerpalast der Dalai Lamas, postiert. In von Tibetern bewohnten Gebieten der Provinz Sichuan waren öffentliche Zusammenkünfte von mehr als drei Familien verboten, Sicherheitskräfte wurden auf Märkten stationiert, und das populäre soziale Netzwerk WeChat ausgeschaltet.

Fotos der Feieren und Übersetzungen von Liedern und Gedichten sind zu finden auf http://www.savetibet.org/tibetans-celebrate-dalai-lama-birthday-in-tibet-despite-intensified-surveillance-and-military-presence/.

Protest gegen gefälschte Twitter-Accounts
Die Free Tibet Campaign hat einen Protestbrief an Twitter-CEO Dick Costolo verfasst, in dem sie gegen aus China gefälschte Twitter-Accounts protestiert und Twitter auffordert, gegen diese vorzugehen. Nach Recherchen von Free Tibet Campaign und New York Times wurden etwa 100 aus China manipulierte Accounts identifiziert, die verfälschende Nachrichten über Tibet verbreiten und den Dalai Lama verunglimpfen. Dazu gibt es Verdachtsfälle auf „hunderte“ weitere gefälschte Accounts.

Die Urheber der gefälschten Accounts bedienen sich dabei meist erfundener westlicher Namen kombiniert mit Profilfotos und –beschreibungen realer Personen, Firmen oder Organisationen, die davon nichts ahnen. So wurden bei der Recherche Fotos von Schulkindern gefunden, die den Webseiten von Fotostudios entnommen wurden, sowie Fotos von Webseiten prominenter Persönlichkeiten und Models. Twitter-Profile wurden entwendet unter anderem von einem Sportjournalisten, einem schottischen Choreografen und einem Möbelgeschäft.

Dazu „streuen“ die Urheber der gefälschten Accounts auch den Begriff „#Tibet“ in andere Tweets, die gar nicht von Tibet handeln, um so die Online-Suche nach pro-tibetischen Mitteilungen zu erschweren.

Aufwändige Renovation der Geburtshäuser von Dalai Lamas
ICT hat einen ausführlichen Bericht über aufwändige Renovationen der Geburtshäuser der Dalai Lamas publiziert. Darin wird die These aufgestellt, dass die kostspieligen Renovationen der Häuser, die ironischerweise unter chinesischer Regie während der Kulturrevolution zerstört wurden, vor allem propagandistischen Zwecken dient. So wolle die chinesische Regierung zeigen, dass sie das „kulturelle Erbe“ bewahrt, und konterkariert damit den Vorwurf des Dalai Lama nach „kulturellem Genozid“. Verbunden damit ist auch eine dramatische Urbanisierung der Region um das Geburtshaus des 14. Dalai Lama im Norden Tibets mit dem Ziel, die Infrastruktur der Region für den Abbau von Bodenschätzen zu verbessern und „Hightech“-Industrie anzusiedeln.

Die Renovationen umfassen nicht nur den Geburtsort des jetzigen Dalai Lama, sondern auch seiner Vorgänger. Besonders delikat ist der Geburtsort des 6. Dalai Lama in der zwischen China und Indien umstrittenen Grenzregion Tawang. Laut offiziellen chinesischen Medien soll dieser Ort durch die Renovationen „zurückgewonnen“ werden, wobei offenbar gemeint ist, dass die Renovation den Gebietsanspruch Chinas untermauert.

China steht hier in dem Dilemma, sich auf der einen Seite als „Bewahrer der Kultur“ darzustellen, um so Einfluss auf die Identifikation des 15. Dalai Lama zu gewinnen, andererseits es aber zu vermeiden, dass diese Orte zu viele Pilger anziehen und sie zu Identifikationsorten einer tibetischen Bewegung werden. So kann es vorkommen, dass zu „sensitiven“ Daten der Besuch der Geburtsorte der Dalai Lamas nicht erlaubt wird und auch die Wegbeschreibungen relativ spärlich und ungenau sind. ICT fand mehrere Blogs von Ausländern und auch Chinesen, die Mühe hatten, die Orte zu finden und zu „sensitiven“ Zeiten wie etwa nach den Unruhen im Jahre 2008 vom Personal unwirsch aus den Gebäuden komplimentiert wurden.

Der detaillierte Bericht mit Fotos kann auch heruntergeladen werden auf http://www.savetibet.org/chinese-policy-and-the-dalai-lamas-birthplaces/.

Quellen: International Campaign for Tibet ICT; Free Tibet Campaign/New York Times

 

18. Juli 2014
Junger Mönch erhängt sich aus Protest
Am 9. Juli hat sich der 24-jährige Mönch Thabke aus dem Kloster Labrang im Nordosten Tibets erhängt. Er wurde an einem Baum unmittelbar ausserhalb des Klosters gefunden. Thabke hatte laut Informanten von Phayul vorher engen Freunden anvertraut, dass er sich aus Protest gegen die Restriktionen im Klosteralltag das Leben nehmen wolle.

Besonders habe er die Obergrenze von 999 Mönchen kritisiert, die von China in dem 1709 gegründeten Kloster verhängt wurde. Die Zahl der Mönche betrug vor der chinesischen Besetzung bis zu 4000. Thabke erwähnte Freunden gegenüber auch, dass er darunter leide, dass die Behörden in das buddhistische Curriculum eingriffen und selbst das Aufstellen von Fotos verehrter Lehrer verbieten.

Protest gegen Kupfermine gewaltsam beendet
Wiederum protestierten Tibeter gegen den Abbau von Bodenschätzen, und auch dieser Protest wurde von Sicherheitskräften gewaltsam beendet. Eine Gruppe von tibetischen Frauen hatte sich am 30. Juni in der Präfektur Dechen eingefunden, um gegen eine Kupfermine zu protestieren, die ihrer Meinung nach mit gefälschten Bewilligungen arbeitet.

Sie warfen dem Betreiber, der chinesischen Firma Huicheng, vor, die Landschaft zu verwüsten und grosse Mengen Abraum direkt an ihrem Dorf aufzuschichten. Ausserdem würden die Arbeiten den ihnen heiligen Berg Ganglha berühren. Nachdem wiederholte Appelle an die Behörden erfolglos geblieben waren, protestierten die Frauen direkt auf dem Gelände der Mine. Herbeigerufene Sicherheitskräfte beendeten den Protest mit Schlägen, wobei zwei Frauen nach Angaben von Informanten erheblich verletzt wurden.

Mehrere Männer, die sich später dem Protest anschlossen, wurden verhaftet. Die Sicherheitskräfte hätten den Protestierenden gesagt, sie hätten Order, nötigenfalls auch tödliche Schüsse abzugeben. Unterdessen hat Huicheng bekräftigt, trotz der Proteste alle Arbeiten weiterzuführen. Nachdem weitere Kupfervorkommen in der Region entdeckt wurden, sind bereits Strassen zur Erschliessung im Bau.

Polizei verprügelt Tibeter an Kontrollpunkt
Mehrere Tibeter wurden an einem Kontrollpunkt im Bezirk Dzoege im Osten Tibets von Polizisten verprügelt. Der Konflikt entzündete sich, als einem Lastwagenfahrer, der Baumaterial für eine Klosterrenovation geladen hatte, am Kontrollpunkt die Weiterfahrt verweigert wurde. Er wurde auch nicht durchgelassen, nachdem er gültige Passierscheine zeigte. Darauf wollten ihm zwei Dorfvorsteher eines nahe gelegenen Dorfes und weitere Tibeter helfen und bestanden gegenüber der Polizei auf seinem Recht zur Durchfahrt.

Plötzlich seien weitere Polizisten erschienen, die auf die Tibeter einschlugen. Mehrere Tibeter wurden so schwer verletzt, dass sie in ein Spital eingewiesen wurden. Einer der beiden Dorfvorsteher, ein 65-jähriger Mann, wurde so schwer verletzt, dass er in das Spital der Provinzhauptstadt von Sichuan, Chengdu, gebracht werden musste.

Quellen: Phayul, Radio Free Asia RFA

 

30. Juni 2014
Tibetischer Regierungsangestellter erschossen
Am 14. Juni wurde ein tibetischer Regierungsangestellter, dessen Name in den chinesischen Medien mit Zhang Wei angegeben wird, erschossen. Dieser war auf dem Rückweg von einer Reise aus der osttibetischen Präfektur Kardze, wo er Sammeln und Verkauf des Raupenkeulenpilzes kontrolliert hatte. Dieser parasitische Pilz mit dem wissenschaftlichen Namen Cordyceps siniensis ist wegen seiner angeblichen medizinischen Wirkungen begehrt und erzielt auf dem Mark sehr hohe Preise, derzeit etwa umgerechnet Fr. 30‘000 – 35‘000 pro Pfund. Schon in den vergangenen Jahren war es immer wieder zu Streitigkeiten gekommen, weil sich verschiedene Gruppen um die besten Sammelgebiete einen harten Konkurrenzkampf liefern [vergl. Tibet-Information vom 9. Mai 2012; UM]. Das Sammeln des Raupenkeulenpilzes ist gerade für verarmte, sesshaft gemachte Nomaden oft die einzige Einkommensquelle. In diesem Jahr zeichnet sich ab, dass die Ernte besonders gering ausfällt. Im vergangenen Jahr gab es wegen Streigkeiten um die Pilze zwei Tote und vier Verletzte. Auch der Dalai Lama rief aus dem Exil zur Zurückhaltung auf. Die Regierung entsandte Kontrolleure in die Sammelgebiete.

Laut chinesischen Medien sei der Mord an dem Regierungsangestellten ein geplanter Racheakt gewesen, und ein Tibeter werde als Tatverdächtiger gesucht.

Wiederum Streit wegen Ausbeutung von Bodenschätzen
In Tongbar in der osttibetischen Präfektur Chamdo haben sich die Befürchtungen der Bewohner bestätigt, dass hier in grossem Stil nach Gold geschürft werden soll. Noch im März d.J. war den Bewohnern erklärt worden, dass die Erdarbeiten einem Dammbau dienten. Aus Protest gegen die Arbeiten hatte sich Anfang Mai ein Tibeter durch den Sprung von einem Hausdach das Leben genommen [vergl. Tibet-Information vom 13. Mai 2014; UM]. Im Nachgang zu den Protesten hatten Sicherheitskräfte 60 Tibeter verhaftet, die noch immer nicht freigelassen sind. Jetzt würden nach Angaben von Informanten von RFA die Arbeiten noch beschleunigt: eine Brücke über den Salween sei fast fertig gebaut, Stollen würden getrieben, und die Häuser der Tibeter würden durch unterirdische Sprengungen beschädigt.

Im Bezirk Chabcha im Nordosten Tibets wurden am 7. Juni insgesamt 27 Tibeter verhaftet, die gegen den Abbau von Marmor nahe ihrem Dorf protestieren. Angeblich sei die 1989 erteilte Genehmigung dazu schon im Mai abgelaufen, aber die Betreibergesellschaft hätte dieses ignoriert. Inzwischen nähern sich die Arbeiten einem Friedhof und einem religiösen Ort, an dem die Bewohner zu den lokalen Gottheiten beten, Opfergaben darbringen und Weihrauch verbrennen. Von den festgenommen 27 Bewohnern wurden 4 freigelassen; einigen sei in der Haft der Kopf kahlgeschoren worden.

US-Gesetzesentwurf für Einreisebeschränkungen gegen chinesische Politiker
Die beiden US-Kongressabgeordneten Jim McGovern (Demokraten) und Joseph Pitts (Republikaner) haben einen Gesetzesentwurf eingebracht, der chinesischen Politikern die Einreise in die USA verweigern soll, wenn diese an Einreiserestriktionen für US-Diplomaten nach Tibet beteiligt sind. Beide Abgeordnete beklagen sich darüber, dass allein in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt 10 Anfragen für die Einreise von diplomatischem Personal nach Tibet abgelehnt wurden. Die US-Diplomaten wollten sich ein unabhängiges Bild von der Menschenrechtslage verschaffen. Das Aussenministerium wird in dem Gesetzesentwurf aufgefordert, eine Namensliste von denjenigen chinesischen Politikern anzufertigen, die entscheidend an diesen Ablehnungen beteiligt sind. Sobald sie mehr Reisegesuche nach Tibet als in andere Regionen Chinas ablehenen, würden sie umgekehrt mit Einreiseverbot in die USA belegt.

Quellen: Radio Free Asia RFA; International Campaign for Tibet ICT

 

6. Juni 2014
4 Jahre nach dem Erdbeben von Yushu: „Profitiert haben die Mächtigen und Gierigen“
Ein Reporter der New York Times konnte die Präfektur Yushu besuchen, die vor 4 Jahren von einem Erdbeben der Stärke 7.1 heimgesucht worden war. Die Zahl der Todesopfer wird auf über 3‘000 geschätzt, und mehr als 100‘000 Bewohner, zu 97% Tibeter, wurden obdachlos. Der Eindruck von dem Wiederaufbau fällt zwiespältig aus.

Auf der einen Seite hat die Zentralregierung in Beijing umgerechnet fast 7 Milliarden Franken für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt, so dass neue Häuser, Schulen, Regierungsgebäude, mehrere Museen und sogar ein Zentrum für Darstellende Künste entstanden. Auf der anderen Seite beklagen sich die Tibeter, dass die Gelder nur denjenigen mit „guten Verbindungen“ zugute kamen und die ohnehin grassierende Korruption noch verstärkt hätten. Mitglieder der Kommunistischen Partei und Regierungskader lebten nun in grossen Apartments, während tibetische Familien sich manchmal zu zwölft eine aus Fertigteilen zusammengesetzte Dreizimmer-Wohnung teilen müssen. Die Mönche des Jiegu-Klosters leben nach wie vor in Zelten, nachdem der Bautrupp im letzten September schlagartig die Baustelle für neue Behausungen verliess, als das Geld ausging.

Auch Han-Chinesen beklagen sich über Fehlplanungen wie fehlende öffentliche Toiletten, die bei der Planung vergessen wurden, Unterbrüche in der Stromversorgung und exorbitante Mieten. Viele chinesische Migranten wurden für den Wiederaufbau aus den Nachbarprovinzen angelockt, sind jetzt aber mittellos, weil die versprochenen Zuschüsse ausblieben.

Im April waren laut einem Informanten von Radio Free Asia mehrere tibetische Ziegeleien von den Behörden zerstört worden. Die Betroffenen behaupten, dass die Betreiber von han-chinesischen Ziegeleien die Behörden bestochen haben, um damit unliebsame Konkurrenz bei Aufträgen für den Wiederaufbau auszuschalten.

Geplant war, Yushu nach dem Erdbeben von einem Handelsplatz für tibetische Nomaden zu einem Tourismuszentrum umzugestalten, jedoch blieben die Touristen bis jetzt aus. Keines der neu gebauten Museen hat bis jetzt geöffnet.

Unmittelbar nach dem Erdbeben hatten in der sehr entlegenen Stadt zunächst Mönche mit den Rettungsarbeiten begonnen und zum Teil mit blossen Händen in den Trümmern nach Lebenden gesucht. Nachdem offiziell entsandte Rettungstrupps eintrafen, wurden die Mönche davongejagt, weil sich das nicht mit dem offiziellen Bild der „faulen“ und auf Kosten der Allgemeinheit lebenden Mönche vertrug [vergl. Tibet-Information vom 23. April 2010; UM]. Die Rettungstrupps posierten dann vor laufenden Fernsehkameras und zogen, nicht selten höhenkrank, gleich wieder ab [vergl. Tibet-Information vom 4. Mai 2010; UM]. Später protestierten Tibeter gegen Zwangsenteignungen von Land und Häusern an attraktiven Lagen, weil diese Platz machen sollten für den Bau von Regierungsgebäuden, Hotels und Shopping Malls [vergl. Tibet-Information vom 13. April 2011; UM].

Religiöse Aktivitäten im heiligen Monat eingeschränkt
Die Behörden haben im für Buddhisten heiligen Monat, dem vierten Monat des tibetischen Mondkalenders, das Reisen für religiöse Aktivitäten stark eingeschränkt. Am 15. Tag dieses Monats, der auf den 15. Juni fällt, wird das Saka Dawa Fest begangen, das an Geburt, Erleuchtung und Eingang Buddhas in das Nirwana erinnert.

Die Region um den heiligen Berg Kailash in Westtibet ist für Touristen und Pilger gesperrt. Regierungskadern wurde befohlen, von April bis September keinen Urlaub zu nehmen, ansonsten könnten sie ihre Arbeit verlieren. Tibeter, die zur Kalachakra-Zeremonie, die am 4. Juli im indischen Ladakh vom Dalai Lama durchgeführt wird, reisen wollen, erhielten eine Warnung, dass ihnen ihre Wohnsitzregistrierung entzogen würde.

Quellen: New York Times; Radio Free Asia

 

3. Juni 2014
Behörden besorgt über privaten Sprach- und Religionsunterricht
Im osttibetischen Bezirk Kardze haben die Behörden angeordnet, dass lokale Kader eine private Initiative genau beobachten, die mit Erfolg Unterricht in tibetischer Sprache und Religion anbietet. Aus dem indischen Exil in das Kloster von Kardze zurück gekehrte Mönche hatten ein Programm gestartet, das diesen Unterricht anbietet und mittlerweile unter den Tibetern sehr populär ist. Der Unterricht wird von Mönchen und Nonnen auf freiwilliger Basis erteilt.

Kürzlich wurden die Dorfvorsteher zu einer Beprechung gerufen, in der die Bezirksregierung sie dazu drängte, diese Zusammenkünfte genau zu beobachten und die Bevölkerung möglichst von einer Teilnahme abzuhalten, weil sie „zu rentinten Akten und Problemen“ führen könnten.

Interventionen dieser Art gegen Initiativen, die die tibetische Sprache und Religion erhalten wollen, sind nicht neu. Erst im April war eine Schule für tibetische Mönche im nordtibetischen Bezirk Golog geschlossen worden [vergl. Tibet-Information vom 18 April 2014; UM]. Im gleichen Monat verboten die Behörden einen Sprachwettbewerb in Sichuan, der anlässlich des UNESCO-Tages der Muttersprache abgehalten werden sollte. Der Wettbewerb, bei dem reines Tibetisch ohne chinesische Zusätze gesprochen werden sollte, könnte „zu Opposition“ gegen die Regierung führen.

Schule für Nomadenkinder soll geschlossen werden
In der Präfektur Golog im Osten Tibets soll eine Schule für tibetische Nomadenkinder geschlossen werden, weil sie Plänen zur Sesshaftmachung der Nomaden im Weg steht. Die 1970 in der Stadt Tsokyareng gegründete Schule unterrichtet zurzeit etwa 50 Kinder von Nomaden in den ersten vier Schuljahren und ist die einzige weit und breit.

Am 20. Mai wurden Tibeter zu einer Sitzung nach Tsokyareng einberufen, in der sie von Regierungskadern über die baldige Schliessung informiert wurden. Wenn die Schule einmal geschlossen sei, würde es weniger Widerstand gegen die Umsiedlung der Nomaden geben, so die Begründung.

Tibeter zu Teilnahme an Feuerwehrübungen gegen Selbstverbrennungen gezwungen
Im Bezirk Kardze, Schauplatz der meisten Selbstverbrennungen, haben die Behörden am 26. Mai Feuerwehreinsätze gegen Selbstverbrennungen geübt und dazu tibetische Regierungsangestellte zur Teilnahme gezwungen. Die Tibeter mussten teilweise Protestierende mimen, die mit Bannern versehen auf chinesische Sicherheitskräfte zustürmen. Auch wurde das Löschen einer brennenden Puppe geübt.

Fotos der Übungen sind bei Phayul publiziert: http://www.phayul.com/news/article.aspx?id=34921&article=Drill+against+self+immolation+protests+in+Kardze&t=1&c=1

Ein Informant teilte Phayul mit, dass die Tibeter mit der Drohung zur Teilnahme gezwungen, dass andernfalls ihre Familienmitglieder zum Verhör einbestellt warden.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Phayul

 

26. Mai 2014
Mutige Einzelproteste von Tibetern
Im April kam es zweimal zu Protestaktionen einzelner Tibeter.

Am 8. April lief ein junger Tibeter, dessen Name nicht bekannt ist, durch die Strassen von Manikengo in der Präfektur Kardze im Osten Tibets. Er verstreute Gebetsfahnen auf der Strasse und rief „Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama“. Auf dem kurzen Video (siehe: http://freetibet.org/news-media/na/footage-lone-protester) ist auch zu hören, wie die Passanten seine Aktion mit Worten wie „Mögen die Götter siegen“ oder „Was für ein mutiger junger Mann“ begleiten. Der unbekannte Tibeter wurde von der Polizei verhaftet; weiteres ist nicht bekannt.

Ausgerechnet im schwer bewachten Bezirk Ngaba, Schauplatz der grössten Zahl von Selbstverbrennungen, lief der 19-jährige Mönch Lobsang Tenpa aus dem Kloster Kirti am 26. April mit einem Portrait des Dalai Lama und einer um die Stirn gewickelten selbstgefertigten tibetischen Fahne durch eine Strasse. Er rannte auf das Gebäude der Bezirksverwaltung zu und rief Protestparolen gegen die chinesische Herrschaft, bevor er festgenommen wurde. Ein kurzes Video seiner Aktion ist zu sehen unter http://freetibet.org/news-media/na/dalai-lama-and-tibetan-flag-protest-monk?utm_source=General+signups&utm_campaign=04d04ca65a-May_Newsletter5_20_2014&utm_medium=email&utm_term=0_8b3b75e260-04d04ca65a-49802621.

Seine Mönchszelle im Kloster Kirti wurde danach durchsucht. Es haben sich bereits mehrere Mönche aus dem Kloster Kirti selbst verbrannt; seitdem steht das Kloster unter scharfer Bewachung.

Tibeter müssen sich zur Loyalität verpflichten
In der Präfektur Golog im Osten Tibets müssen sich Tibeter neuerdings schriftlich zur Loyalität gegenüber dem Staat verpflichten. Gemäss einem Regierungsdokument vom 13. Mai, das laut Informanten von Radio Free Asia speziell auf Klöster im Bezirk Pema abzielt, werden dort alle Mönche zur Unterschrift einer entsprechenenden Verpflichtungserklärung gezwungen. Damit erklären sie ihre Loyalität zur Kommunistischen Partei und verpflichten sich, an keinerlei Protestaktionen teilzunehmen oder diese zu unterstützen.

Es wird sogar verlangt, dass die Tibeter beim Unterzeichnen mit ihrem Gesichtsausdruck bezugen, dass sie die Regeln ernsthaft befolgen wollen. Wer sich der Unterschrift verweigert, verliert die Wohnberechtigung für den Heimatort und erhält keine neuen Identitätsdokumente ausgestellt. Mönche dürfen für 4 Jahre die Region nicht verlassen. Weiterhin erklären sich die Unterzeichner unter Androhung von Strafen bei Zuwiderhandeln damit einverstanden, dass sie ihre Mobiltelefone und das Internet nicht für Kontakte ausserhalb der Region verwenden und keine ausländischen Sender empfangen.

Im April hatten die Behörden im Bezirk Pema eine private tibetische Schule geschlossen. Die Schule mit dem Namen „Schule für Liebe und Selbstlosigkeit“ war ordinierten Mönchen des nahe gelegenen Klosters Dunda vorbehalten und wurde durch die Mönchsgemeinschaft auf eigene Kosten betrieben [vergl. Tibet-Information vom 18. April 2014; UM]. Im Dezember wurden nach der Selbstverbrennung von Tsering Gyal [vergl. Tibet-Information vom 12. November 2013; UM] zwei Mönche bei einer nächtlichen Razzia in Pema verhaftet und eine Regierungsmitarbeiterin schwer misshandelt, weil bei ihr ein Foto von Tsering Gyal auf dem Mobiltelefon gefunden wurde.

Quellen: Radio Free Asia RFA

 

22. Mai 2014
Proteste gegen Minenarbeiten gewaltsam niedergeschlagen
Im osttibetischen Chamdo wurden in zwei verschiedenen Ortschaften Proteste von Tibetern gegen Minenarbeiten gewaltsam niedergeschlagen.

In der Ortschaft Lathok wurden bereits im März zahlreiche Tibeter misshandelt und gefangen genommen, jedoch erreichten aufgrund der blockierten Kommunikationswege die Nachrichten erst jetzt RFA. In Lathok erschienen bereits vor 8 Jahren chinesische Kader zur Exploration von Eisenerz-Vorkommen und versuchten, die Tibeter mit dem Versprechen von „Kompensationen“ auf ihre Seite zu bringen. Diese widersetzten sich jedoch den Versuchen. In den vergangenen Monaten wurden die Strassen zu den Minen fertiggestellt, während Offizielle bei Widerstand mit „drastischen Strafen“ drohten. Im März entschlossen sich die Bewohner von Lathok, eine Petition an die Zentralregierung in Beijing zu richten. Gleichlautende Petitionen wurden auch an die Regierungen der „Autonomen Region Tibet“ und die Lokalregierung in Chamdo gerichtet. Nur wenige Tage später wurden 30 Tibeter verhaftet, die als Anführer des Protests identifiziert wurden. Alle seien in der Haft misshandelt worden, am schlimmsten die beiden Unterzeichner der Petition an die Zentralregierung, die über 20 Tage nur minimale Mengen an Nahrung in der Haft erhielten. Ausserdem wurden 500 Soldaten in die Region verlegt, die alle Aktivitäten der Bewohner eng kontrollieren.

In der benachbarten Ortschaft Tongbar, wo sich am 7. Mai der 32-jährige Phakpa Gyaltsen durch einen Sprung von einem Gebäude das Leben genommen hatte [vergl. Tibet-Information vom 13. Mai 2014; UM], halten unterdessen trotz Repressionen und Drohungen die Proteste gegen Minenarbeiten an. Ein weiterer Tibeter habe sich aus Protest Stichwunden zugefügt und wird im Spital behandelt. Sowohl das Spital als auch die Ortschaft selbst werden von paramilitärischen Kräften engmaschig überwacht. Telefongespräche würden abgehört, sofern die Kommunikationsleitungen nicht unterbrochen sind, und Tibetern werden „ernste Konsequenzen“ angedroht, wenn sie Nachrichten über die Proteste nach aussen tragen.

China verschärft Kontrolle über tibetische Klöster
Die chinesische Regierung hat in einem bedeutenden Kloster im Osten Tibets das komplette Verwaltungskommittee ausgewechselt. Diese Kommittees, die die weltliche Administration der Klöster zur Aufgabe haben, hatten schon immer nur begrenzte Bewegungsfreiheit, wurden aber jeweils lokal im Kloster gewählt. Dieser direkte Eingriff in die semi-autonome Verwaltung der tibetischen Klöster ist der erste seit mehreren Jahren.

Das Verwaltungskommittee des Klosters Nyatso Zilkar wurde am 10. Mai zu einer Sitzung nach Dzatoe bestellt, das in den Jahren 2012 und 2013 Schauplatz einer Selbstverbrennung und Protesten gegen Minenarbeiten war [vergl. Tibet-Informationen vom 17. Oktober 2012 und 26. August 2013; UM]. Man warf dem Kommittee vor, in diese „separatistischen Proteste“ verwickelt zu sein und drängte alle Mitglieder zum Rücktritt. Danach wurde eine Liste mit zuerst 32 Kandidaten erstellt, die später auf 28 und dann auf 9 Personen, sowohl Mönche als auch Laien, reduziert wurde. Diese 9 Personen wurden schliesslich gewählt, ohne dass das Kloster selbst mitbestimmen konnte. Ein Dorfvorsteher, der gegen 2 Kandidaten protestierte, wurde für 2 Tage festgenommen.

Auch benachbarte Klöster im gleichen Bezirk kommen nun verstärkt unter Druck, und Tibeter befürchten, dass die Auswechselung des Kommittees als Vorbild für weitere Aktionen dienen könnte.

Quellen: Radio Free Asia RFA

 

13. Mai 2014
Tibeter stürzt sich aus Protest zu Tode
Aus Protest gegen Minenarbeiten hat sich am 7. Mai der 32-jährige Phakpa Gyaltsen durch einen Sprung von einem Gebäude das Leben genommen. Bevor er sich vom Dach eines Gebäudes in Dzogang in der osttibetischen Präfektur Chamdo stürzte, stach er noch zweimal mit dem Messer auf sich ein.

Ein Informant von RFA gab an, er habe vor seiner Tat gegenüber Freunden bemerkt, er würde „etwas“ aus Protest gegen die Minenarbeiten in der Region unternehmen. Nachdem er das Dach des Gebäudes betreten hatte, rief er Parolen für die Freiheit Tibets. Versuche, ihn am Sturz zu hindern, waren erfolglos; er sei nach dem Sturz sofort tot gewesen.

Zwei Monate zuvor hatten am nahe gelegenen See Madok Tso Arbeiten begonnen, die nach regierungsoffiziellen Angaben einem Dammbau dienten. Die Tibeter misstrauten jedoch diesen Angaben und waren der Überzeugung, dass dort Bodenschätze abgebaut werden sollen. Sie organisierten rund um die Uhr im Schichtbetrieb Wachen, die die Arbeiten genau beobachteten. Einige der Beobachter wurden festgenommen, aber nach einigen Tagen wieder freigelassen. Die Behörden boten den lokalen Bewohnern erfolglos je Yuan 10‘000 (ca. Fr. 1‘400) als „Kompensation“ an, wenn sie die Proteste unterliessen.

Seit der Tat sind alle Kommunikationwege nach Dzogang unterbrochen. Phakpa Gyaltsen hinterlässt drei kleine Kinder und seine Frau, die gerade ihr viertes Kind erwartet.

China spioniert Studenten im Ausland aus
Laut einem Hintergundartikel der australischen Fairfax Media unterhält China ein komplexes Netzwerk unter chinesischen Auslandsstudenten, das die Aufgabe hat, diese zu überwachen und unliebsame politische Tätigkeiten zu unterbinden. Details sind aus Australien bekannt, jedoch gibt es kaum Zweifel, dass solche Netzwerke auch in anderen Ländern unterhalten werden. Chinesische Offizielle bestätigten gegenüber Fairfax Media diese Aktivitäten, die dazu dienten, Chinas „Kerninteressen“ zu wahren.

Sogenannte „Bildungsberater“ der chinesischen Gesandtschaften in Australien sind bemüht, an allen Universitäten des Landes Studentenvereinigungen für die insgesamt 90‘000 chinesischen Auslandsstudenten, die sich in Australien oft wenig heimisch fühlen, zu gründen und zu unterhalten. Ein nach Australien übergelaufener ehemaliger chinesischer Diplomat gab an, dass diese „Berater“ nicht nur die Anführer der Vereinigungen ernennen, sondern diese auch mit Geldmitteln unterstützen. Die Mitglieder haben dann die Aufgabe, chinesische Staatsgäste in Australien am Flughafen zu begrüssen und unerwünschte Proteste zu unterbinden. Darüber hinaus sollen sie Informationen über Studentengruppen sammeln, die sich mit Falun Gong oder Tibet befassen, und diese infiltrieren.

Eine chinesischsstämmige Dozentin an der Universität in Sydney gab an, sie sei bei einer Reise nach China von den Behörden viermal befragt worden, weil sie zuvor an einem Seminar der Universität von New South Wales kritische Bemerkungen zur Demokratie in China gemacht habe. Ihr sei ein komplettes Dossier über sie sogar mit dem Namen der Informantin vorgehalten worden. In einem anderen Fall wurden die in China lebenden Eltern eines Studenten ermahnt, sie sollten ihren Sohn zur „Mässigung“ anhalten, weil dieser beim Australien-Besuch des Dalai Lama beobachtet wurde.

Angehörige eines Selbstverbrennungsopfers werden belästigt
Die Mutter und der ältere Bruder von Thinley Namgyal, der sich am 15. April selbst verbrannte [vergl. Tibet-Information vom 15. April 2014; UM] sind erheblichen Pressionen durch die Behörden ausgesetzt. Beide wurden wiederholt zu Verhören geladen und bedrängt, sie sollten rein persönliche Gründe für die Tat angeben, was sie jedoch verweigerten. Selbst Geld bot man ihnen an, wenn sie die erwünschte Darstellung weitergäben.

Auch die Nachbarn der Familie sowie die Mönche und der Abt des Gongthal-Klosters, in das der Leichnam für die Totenrituale gebracht worden war, wurden verhört. Einige Mönche des Klosters sind inzwischen untergetaucht. Das Kloster und die Verwandten wurden damals bedrängt, den Leichnam so schnell wie möglich „loszuwerden“. Ein Verwandter, der die Selbstverbrennung fotografierte und die Bilder verbreitete, war zwei Tage lang für Verhöre festgehalten worden.

Tibetische „Aushilfslehrer“ protestieren gegen mangelnde Entlohnung
Am 30. April protestierten in der nordtibetischen Präfektur Malho etwa 160 tibetische Lehrer und Lehrerinnen vor dem Regierungsgebäude gegen diskriminierende Löhne. Sie leiden unter dem Trend, vor allem auf der Primar- und Mittelstufe mehr und mehr „Aushilfskräfte“einzustellen, die mitunter nur ein Sechstel des Lohnes von Festangestellten erhalten. Unter ihnen finden sich überwiegend Tibeter, die von chinesischen Lehrkräften verdrängt werden. Diese erhalten nicht nur höhere Löhne, sondern auch Mietzuschüsse und eine Krankenversicherung.

Immer weniger tibetische Absolventen finden noch eine Arbeit, vor allem, wenn sie nicht die chinesische Sprache beherrschen. Sie müssen dann notgedrungen auf schlecht entlohnte Aushilfsjobs ausweichen. Einer von ihnen klagte, dass sie bei niedrigem Lohn auch noch „wie Sklaven“ behandelt werden.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Fairfax Media

 

18. April 2014
Weitere Selbstverbrennung – insgesamt 131
Am 15. April setzte sich der 31-jährige Thinley Namgyal in Brand und starb kurz darauf. Er setzte sich zur Mittagszeit im Bezirk Tawu in der Region Kardze in Osttibet in Brand. Tibeter brachten seinen Leichnam in das nahe gelegene Kloster Gangthel, später dann zu seiner Familie.

Über Thinley Namgyal ist weiter nichts bekannt, ausser dass er in der Region Kardze bei seinen Eltern lebte. Er ist damit der 131. Tibeter, der sich in Brand setzte.

China sagt Menschenrechtsdialog mit britischer Regierung ab
Die chinesische Regierung hat ein für den 15. April angesetztes Treffen im Rahmen des Menschenrechtsdialogs aus Protest gegen eine angebliche „Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten“ abgesagt. Den Anlass für die Absage lieferte der jährliche Menschenrechtsbericht der britischen Regierung. In diesem wurde China als eines der Länder aufgelistet, in dem die Menschenrechtssituation Anlass zu „Besorgnis“ gebe. Speziell werden die Provinzen Xinjiang und Tibet genannt, wo man zunehmende Einschränkungen der Meinungs-, Bewegungs- und Versammlungsfreiheit verzeichne.

Ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums beschuldigte die britische Regierung, sie gebe „unverantwortliche Kommentare“ von sich und benutze diese als Vorwand, um sich „in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen“. Diese Vorgänge seien den bilateralen Beziehungen nicht förderlich.

Der britische Premierminister Cameron hatte nach seinem China-Besuch im Dezember letzten Jahres die Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs als wesentlichen Erfolg bezeichnet, nachdem die Beziehungen zu China nach dem Empfang des Dalai Lama bei ihm im Vorjahr stark belastet waren.

Behörden schliessen Schule für tibetische Mönche, weitere Restriktionen
Am 10. April ordneten die lokalen Behörden die Schliessung einer privaten Schule im der Präfektur Golog in Osttibet an. Die Schule mit dem Namen „Schule für Liebe und Selbstlosigkeit“ war ordinierten Mönchen des nahe gelegenen Klosters Dunda vorbehalten und wurde durch die Mönchsgemeinschaft auf eigene Kosten betrieben.

Die ungefähr 70 jungen Mönche sind nun gezwungen, öffentliche Schulen in der Region zu besuchen, wo sie keinen traditionellen tibetischen Unterricht mehr erhalten. Darüber hinaus müssen jetzt die Mönche oder ihre Eltern das Schulgeld aufbringen.

Ebenfalls wurden in dieser Region nach Berichten von RFA „hunderte“ Tibeter verhaftet, weil sie spezielle tibetische Armbänder trugen oder Bilder von religiösen Würdenträgern bei sich hatten, die als loyal zum Dalai Lama gelten. Die Bauern in der Region würden gezwungen, im Rahmen einer Aufforstungskampagne Bäume ausgerechnet auf den Feldern zu pflanzen, die sonst immer für den Ackerbau genutzt wurden.

Quellen: Phayul; Radio Free Asia RFA

 

14. April 2014
China feiert 7 km tiefes Bohrloch in Tibet
Chinesische Medien feiern das mit 7 km bisher tiefste Bohrloch zur Erkundung von Öl- und Gasvorkommen in Tibet. Professor Li Haibing von der Chinesischen Akademie für Geologische Wissenschaften gab an, dass dieses von ihm geleitete Projekt eine grosse Herausforderung darstellte, weil man nicht nur mit dem Permafrostboden zu kämpfen hatte, sondern auch mit labilen Erdschichten. Dazu hätten die grosse Höhe und der Sauerstoffmangel den Arbeitern zu schaffen gemacht.

Die genaue Position des Bohrloches bleibt geheim. Auch wollte Professor Li nicht die Erdöl- und Gaskonzerne nennen, die sich an der Bohrung beteiligt hatten. Die beiden grössten staatlichen chinesischen Konzerne, CNPC und Sinopec, die schon seit 1995 in Tibet aktiv sind, antworteten nicht auf entsprechende Anfragen der South China Morning Post.

Li kündigte an, dass die Regierung gerade Vorschläge für weitere, bis zu 10 km tiefe Erkundungsbohrungen untersuche, prioritär in Tibet. Allerdings gibt es auch warnende Stimmen. Professor Wei Wenbo von der Chinesischen Universität für Geowissenschaften warnte vor irreversiblen Umweltschäden und forderte, dass kommerzielle Projekte erst nach einer Abschätzung der ökologischen Risiken genehmigt werden dürften.

Angela Merkels Fauxpas mit China-Karte
Das Geschenk, das Bundeskanzlerin Merkel dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping anlässlich seines Staatsbesuches in Deutschland überreichte, hat in China kritische Kommentare ausgelöst. Bundeskanzlerin Merkel schenkte Xi Jinping eine 1735 vom französischen Kartografen Jean-Baptiste Bourguignon d’Anville nach Angaben von Jesuitenpatern, die China bereist hatten, angefertigte Karte. Diese zeigt laut Legende das chinesische Kernland, jedoch ohne Tibet, Xinjiang, die Mongolei und die Mandschurei. Auch werden die Inseln Taiwan und Hainan mit einer anderfarbigen Grenze dargestellt. Jedes Schulkind lernt heute in China, dass alle diese Regionen „seit ältesten Zeiten untrennbare Bestandteile Chinas“ sind.

Entsprechend fielen die Reaktionen der chinesischen Medien aus. Die Zeitung People’s Daily, die sonst minutiös über Xi Jinpings Staatsbesuch berichtete, erwähnte das Geschenk mit keinem Wort. Andere Medien zeigten einen kreativen Umgang mit dem Vorfall: sie präsentierten ihren Lesern als Geschenk eine andere Version, nämlich eine 1844 vom Engländer John Dowell erstellte und vom Londoner Verlagshaus Teesdale & Co. publizierte Karte. Diese zeigt China im Zenit seiner territorialen Ausdehnung, einschliesslich Tibet, der Mongolei und weiter Teile Sibiriens.

In den sozialen Medien, wo sich die Nachricht von dem Fauxpas dennoch verbreitet hatte, setze es kritische Kommentare. Ein Kommentator nannte das Geschenk „seltsam“, ein weiterer beschuldigte Merkel, sie wolle die Unabhängigkeit von Tibet und Xinjiang propagieren, ein dritter verdächtige Deutschland, „verstecke Pläne“ zu hegen.

Umgekehrt feierten diejenigen, die die Kartenversion von John Dowell für das wirkliche Geschenk hielten, die dargestellte territoriale Grösse Chinas. Einer jubelte „unsere Vorfahren waren grossartig“, ein anderer schrieb, Staatspräsident Xi möge sich durch die Karte „ermuntert fühlen, zu realisieren, was die wahre Wiederauferstehung Chinas bedeutet“.

Quellen: South China Morning Post (Hong Kong); Sydney Morning Herald

 

11. April 2014
Behörden verbieten Gebetsmühlen wegen „politischer Implikationen“
Die lokalen Behörden im Bezirk Matoe, in der Region Golog im Nordosten Tibets, haben angeordnet, dass in einem Spital angebrachte Gebetsmühlen zu entfernen und zu zerstören sind. Die Zentrale Klinik für Herzkrankheiten in der Ortschaft Dzora hatte im Jahre 2010 insgesamt 24 Gebetsmühlen errichtet. Diese waren mittels Spenden der Patienten finanziert worden. Sie enthielten Texte mit Mantras des Medizin-Buddhas, die nach traditionellem Glauben die Genesung der Patienten fördern sollen.

Kürzlich trafen Funktionäre in der Klinik ein und ordneten an, dass alle Gebetsmühlen sofort zu entfernen und zu zerstören seien. Sie begründeten die Anordnung mit „politischen Implikationen“ der Gebetsmühlen und drohten mit Strafen, wenn man der Anordnung nicht sofort nachkomme.

Die Klinik in Dzora ist die grösste in der Region und praktiziert sowohl traditionelle als auch moderne Medizin

... und planen Minenarbeiten an einem heiligen Berg
Die lokalen Behörden im Bezirk Matoe wollen auch Minenarbeiten an dem für Tibeter heiligen Berg Rishor beginnen. Nach tibetischem Glauben sind in diesem Berg antike Waffen und Rüstungen verborgen und dürfen nicht angetastet werden.

Die Minenarbeiten, die laut Plänen der Behörden von Firmen „ausserhalb Tibets“ begonnen werden sollen, waren schon seit einiger Zeit in der Diskussion, trafen aber auf Widerstand unter der lokalen Bevölkerung. Die Tibeter befürchten, dass bei einer kürzlichen Sitzung von Funktionären beschlossen wurde, sich über ihre Bedenken hinwegzusetzen.

Konflikte um den Abbau von Bodenschätzen, der oft an für Tibeter heiligen Orten stattfindet und nach ihren Angaben zu massiven Umweltschäden führt, sind häufige Konfliktquellen. Erst am 2. April hatten mehrere hundert Tibeter in der Nachbarprovinz Gansu gegen die Konfiszierung ihres Weidelandes protestiert, um einer Goldmine Platz zu machen. Die Tibeter führten zwei Wochen nach dem Beschluss zur Konfiszierung im Bezirk Sangchu in Gansu einen Protestzug durch, bei dem sie auch Banner mit Parolen trugen. Der Protestmarsch rief sofort die Polizei auf den Plan; es ist nicht bekannt, ob es zu Verhaftungen oder zu Gewalt kam.

Tibeter wegen Austausch von Mitteilungen auf Mobiltelefonen verhaftet
Im Bezirk Sog sind in diesem Monat zweimal jeweils zwei Tibeter verhaftet worden, weil sie Fotos und Mitteilungen mit politischem Inhalt mittels einer Messaging-App auf ihren Mobiltelefonen austauschten.

Der Bezirk steht seit einem Vorfall im März unter besonders scharfer Kontrolle. Unbekannte „Schurken“, wie sie in offiziellen Verlautbarungen genannt wurden, hatten die Parole „Tibet ist unabhängig“ auf eine Brücke gemalt. Seitdem werden alle Bewegungen der Bevölkerung und auch die Kommunikationsmittel streng überwacht. Der Informant von Phayul gab allerdings nicht an, wie die Polizei genau den Austausch von den politischen Mitteilungen auf den Mobiltelefonen der Verhafteten ermittelte.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Phayul

 

1. April 2014
Tibetische Nonne setzt sich in Flammen
Am 26. März setzte sich die 31-jährige Nonne Dolma in Brand. Sie tat dieses am Nachmittag während der rituellen Umwandlung des Klosters Ba Choede im Bezirk Bathang in der osttibetischen Präfektur Kardze. Andere Tibeter, die sich ebenfalls auf dem Umwandlungsweg befanden, konnten die Flammen löschen und Dolma in das Krankenhaus von Bathang bringen. Über ihren Zustand ist nichts bekannt.

Sicherheitskräfte riegelten sowohl das Kloster als auch das Krankenhaus ab und erlaubtem niemandem Zutritt. Laut Radio Free Asia wurden kurz darauf 6 Nonnen verhaftet, die Dolma nahe standen. Auch wurden alle Kommunikationskanäle in die Region abgeschaltet.

Bevor sie sich in Flammen setzte, hatte sich Dolma für mehrere Monate in ein Retreat in einem kleinen Kloster in der Nähe zurückgezogen. Sie stammt aus der Familie Thonglaka Tsang, die in der Region wegen ihrer Teilnahme am Kampf gegen die chinesische Invasion in den 50-er Jahren sehr bekannt ist. Mehrere Mitglieder der Familie, darunter auch ihr Vater, kamen bei den Kämpfen ums Leben. Dolma hat noch drei Brüder, die alle hochrangige Mönche sind.

Schmerzsteigernde Injektionen – eine neue Foltermethode?
Am 19. März starb in seinem Haus in Machu in der nordost-tibetischen Präfektur Kanlho der 41-jährige politische Gefangene Goshul Lobsang an den Folgen schwerster Folter. Er war im Mai 2010 nach zweijähriger Flucht wegen angeblicher Verwicklung in den Aufstand vom März 2008 festgenommen und danach für 6 Monate systematischer Folter unterzogen worden, bevor er zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde. Im Oktober 2013 wurde er aber „aus medizinischen Gründen“ vorzeitig nach Hause entlassen. Fotos, die von TCHRD unter http://www.tchrd.org/2014/03/tibetan-political-prisoner-on-medical-parole-dies-of-torture-injuries/ publiziert wurden, zeigen einen bis auf die Knochen abgemagerten Mann. Seine Angehörigen berichten, dass er vor seinem Tode weder laufen noch essen, trinken oder sprechen konnte.

Es ist eine bekannte Praxis der Behörden, misshandelte Gefangene vorzeitig nach Hause zu entlassen, wenn sich deren Gesundheitszustand so sehr verschlechtert, dass sie bald sterben werden.

TCHRD erreichten kürzlich Berichte von mehreren Informanten aus dem gleichen Dorf, dass Lobsang Goshul während der Folter Injektionen erhielt, die den erlittenen Schmerz noch erheblich steigerten. Ausserdem seien ihm Schlaf und Essen vorenthalten worden. Eine weitere Foltermethode bestand darin, ihm mit Kraft Zahnstocher und andere zugespitzte Gegenstände unter die Fingernägel zu stechen, so dass er zeitweise seine Hände nicht gebrauchen konnte.

Auch liegt TCHRD ein Dokument vor, das Lobsung Goshul im September 2012 in Haft verfasst hatte und wenige Wochen vor seinem Tode einigen Freunden zugänglich machte. In dem Dokument, das TCHRD vollständig übersetzt hat, erklärt er, dass er trotz aller Qualen nicht bereit sei, sich der Repression zu beugen und den eingeschlagenen Weg nicht bedauere. Das einzige, was ihn schmerze, sei die mangelnde Solidarität unter Tibetern.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul; Radio Free Asia RFA

 

18. März 2014
Die 128. und 129. Selbstverbrennung
Am 16. März setzte sich der 20-jährige Mönch Lobsang Palden aus dem Kloster Kirti in Brand. Er tat dieses in der Stadt Ngaba auf der von den Tibetern so genannten „Strasse der Märtyrer“; hier hatten sich in der Vergangenheit bereits mehrere Selbstverbrennungen ereignet. Nachdem er sich selbst angezündetet hatte, lief er Parolen rufend noch einige Schritte weiter, bevor er zusammenbrach. Sicherheitskräfte löschten sofort die Flammen und fuhren ihn in einem Fahrzeug weg. Es ist nicht bekannt, ob er überlebte und wo er sich zur Zeit befindet. Als Zeichen der Solidarität schlossen die Tibeter alle Geschäfte und Restaurants in der Stadt.

Der 16. März ist der Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Proteste, die in Ngaba im Jahr 2008 ausbrachen. Nachdem Sicherheitskräfte das Feuer auf die Protestierenden eröffneten, soll es nach damaligen Angaben 39 Tote gegeben haben [vergl. Tibet-Information vom 20. März 2008; UM]. Auch in den Jahren 2011, 2012 und 2013 setzten sich in Ngaba am gleichen Tag Tibeter in Flammen.

Neben seinen Eltern hinterlässt Lobsang Palden noch einen jüngeren Bruder, der ebenfalls Mönch im Kloster Kirti ist. Er schrieb vor der Selbstverbrennung einen längeren Brief [nach anderen Quellen war es kein Brief, sondern eine Nachricht auf seinem Mobiltelefon; UM] an seine Angehörigen und alle „Brüder und Schwestern“ in Tibet, den TCHRD in voller Länge übersetzt hat. Darin ruft er die Tibeter zu Einigkeit und Solidarität auf.

Nach Angaben von Phayul und RFA setzte sich am Morgen des gleichen Tages ein weiterer Tibeter vor dem Kloster Sonang im Bezirk Tsekhor im Norden Tibets in Brand. Sein Name ist bisher nicht bekannt. Sicherheitskräfte schalteten sofort alle Kommunikationskanäle in die Region aus. Nach dem Bericht eines Informanten von RFA soll das Kloster Sonang komplett abgeriegelt sein; niemand komme heraus oder herein.

Massive Präsenz von Sicherheitskräften am 10. März
Am 10. März, dem Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes von 1959, kam es in verschiedenen Regionen Tibets zu einer massiven Zurschaustellung von Sicherheitskräften. Besonders in den unruhigen nördlichen und östlichen Regionen von Tibet waren grosse Truppenaufmärsche und Konvois von gepanzerten Fahrzeugen zu sehen, die offensichtlich die Tibeter einschüchtern und von Protestaktionen abhalten sollten.

Angehörige der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) und paramilitärische Kräfte marschierten in Kampfausrüstung auf. An den Zufahrtsstrassen zu allen grösseren Städten waren Strassensperren errichtet, wo Tibeter durchsucht und teilweise auch verhört wurden. Schon am 9. März waren in der Autonomen Region Tibet paramilitärische Kräfte zu sehen, die Übungen zur „Aufrechterhaltung der Stabilität“ durchführten.

Die tibetische Bloggerin Woeser fragt ironisch, warum der Oberkommandierende der Sicherheitskräfte in Tibet zu ständiger Wachsamkeit und Kampfbereitschaft aufruft, wenn auf der jährlichen Sitzung des Nationalen Volkskongresses Funktionäre die tibetische Hauptstadt Lhasa als die Stadt „mit dem höchsten Glücks-Index“ bezeichnen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul; Radio Free Asia RFA

 

24. Februar 2014
Verhaftungen nach Selbstverbrennung
Nach der Selbstverbrennung von Phagmo Samdup am 5. Februar (nach anderen Informationen am 6. Februar) [vergl. Tibet-Information vom 10. Februar 2014; UM] wurden fünf Tibeter festgenommen, darunter sein jüngerer Bruder und ein weiteres zur Familie gehörendes Ehepaar. Bis auf einen Tibeter wurden alle nach einem Tag mit Verhören wieder freigelassen. Die Verhaftungen folgen der Linie eines im Bezirk Ngaba veröffentlichten Dekrets, das Familienangehörige nach Selbstverbrennungen in eine Art von „Sippenhaft“ nimmt [vergl. Tibet-Information vom 17. Februar 2014; UM].

Beide Tibeter, die sich am 5. (oder 6.) Februar und 13. Februar in Flammen setzten, sind kurz darauf verstorben. In beiden Fällen wurden die Leichname ohne Information der Angehörigen von den Behörden kremiert. Erst danach erhielten die Familien die Asche.

Im Fall von Phagmo Samdup durften die Angehörigen die Totengebete nur ohne Besuch und hinter verschlossenen Türen sprechen, während vor ihrem Haus Sicherheitskräfte Wache standen. Danach wurde die Familie gezwungen, die Asche in einen Fluss zu streuen.

Jugendliche verhaftet, weil sie einen Slogan schrieben
Sechs Jugendliche im Bezirk Sog in Zentraltibet wurden verhaftet, weil sie den Slogan „Bringt Unabhängigkeit für Tibet“ schrieben. Die Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren waren von Spitzeln oder Offiziellen offenbar beobachtet worden, wie sie diesen Slogan mit Sand auf das Eis eines zugefrorenen Flusses schrieben.

Gruppen von Kadern sind überall in Dörfern stationiert, um „verdächtige“ Aktivitäten zu entdecken, ganz besonders in als „sensitiv“ angesehenen Regionen. Sog liegt in der Nähe des Bezirks Driru, in dem sich von wiederholte Proteste gegen Minenarbeiten ereigneten.

Quellen: Phayul

 

17. Februar 2014
Selbstverbrennung bei einem Gebetsfest in Ngaba
Während der religiösen Cham-Tänze in Ngaba, dem Schauplatz der meisten Selbstverbrennungen der letzten Monate, setzte sich am 13. Februar der 25-jährige Lobsang Dorje in Brand. Es war insgesamt die 127. Selbstverbrennung. Lobsang Dorje war früher Mönch im Kloster Kirti, das seit der Serie der Selbstverbrennungen und anderer Protestaktionen de-facto unter Belagerung durch Sicherheitskräfte steht.

Kurz nachdem er in Flammen stehend Slogans rief, eilten Sicherheitskräfte herbei und versuchten, die Flammen zu löschen. Danach umhüllten sie ihn mit einer Decke und zerrten ihn in ein Fahrzeug. Nach Berichten von Augenzeugen soll er versucht haben, seinen Kopf hochzuhalten und die Hände zu falten, wurde aber umgestossen und fortgefahren. Ob er noch lebt und wo er sich befindet, ist nicht bekannt.

Lobsang Dorje hatte, nachdem er das Kloster Kirti verlassen hatte, zunächst im Bezirk Golog in einer Autowaschanlage gearbeitet und war kürzlich nach Ngaba zurückgekehrt, um die Viehherde seiner Familie zu hüten.

Drastische Sanktionen und Sippenhaft bei Selbstverbrennungen
Bereits im November 2012 hatten die Behörden Angehörigen und Institutionen Kollektivstrafen angedroht, wenn sich Tibeter aus ihren Reihen selbst verbrennen [vergl. Tibet-Information vom 22. November 2012; UM]. Nun ist TCHRD ein Regierungsdokument zugespielt worden, das eine ganze Reihe von drastischen Strafmassnahmen gegen Familienangehörige, ganze Dörfer und Klöster ausspricht, wenn sich jemand selbst verbrennt.

Das mit 8. April 2013 datierte Dokument der Bezirksverwaltung Dzoege in der Präfektur Ngaba beinhaltet insgesamt 16 Artikel.

Familienangehörige von Tibetern, die sich selbst verbrennen, kommen auf eine Schwarze Liste. Ihnen werden alle politischen Rechte entzogen, sie bekommen keine Arbeit mehr in Regierung und Verwaltung, erhalten für 3 Jahre alle Sozialleistungen gestrichen, ihre Häuser und ihr Land werden enteignet, sie dürfen keine Geschäfte eröffnen, und dürfen nicht nach Lhasa oder in das Ausland reisen.

Die Dörfer oder Klöster, deren Bewohner sich selbst verbrannten, erhalten ebenfalls keine finanziellen Leistungen der Regierung mehr und müssen zwischen 10‘000 und 500‘000 Yuan (Fr. 1‘500 – 80‘000; das ein- bis knapp achtzigfache eines Jahreseinkommens in der Region) Kaution hinterlegen, die verfällt, wenn sich dort eine neue Selbstverbrennung ereignet; danach muss eine neue Kaution hinterlegt werden. Dorfbewohner dürfen keinen Ackerbau und keine Viehzucht mehr betreiben. Die Finanzbuchhaltung von Dörfern und Klöstern wird streng kontrolliert, und alle Amtsträger in Dörfern und Angehörige von Klöstern müssen sich einer Schulung in „Rechtsfragen“ unterziehen.

Amtsträger und Kader sind verpflichtet, diesen Erlass überall in der Region kommunizieren.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

10. Februar 2014
Weitere Selbstverbrennung
Am 6. Februar ereignete sich die erste Selbstverbrennung des Jahres 2014. In der Ortschaft Dokarmo in der osttibetischen Präfektur Malho setzte sich abends der 27-jährige (nach anderen Quellen 29-jährige) tantrische Lehrer Phagmo Samdup in Brand. Nur wenige Minuten später seien Sicherheitskräfte erschienen, die den verbrannten Körper fortschafften. Es ist nicht bekannt, ob er überlebte und in welchem Zustand er sich befindet. Am nächsten Morgen wurden laut Berichten von Informanten von RFA die Sicherheitsmassnahmen in der gesamten Region, die schon früher Schauplatz von Selbstverbrennungen war, erheblich verstärkt. Die Kommunikationskanäle in die Region sind unterbrochen.

Junger Tibeter stirbt an Misshandlungen in Haft
Ein junger Tibeter, Konchok Dakpa, dessen genaues Alter nicht bekannt ist, soll nach Informanten von TCHRD mutmasslich an Misshandlungen in Haft gestorben sein. Konchok Dakpa wurde in der Region Driru im Dezember verhaftet, ohne dass seine Angehörigen wussten, wo er festgehalten wurde. Am 20. Januar wurde sein Leichnam der Familie mit der strikten Weisung übergeben, mit niemandem über seinen Tod zu reden. Laut den Informanten soll sein Körper Spuren von Misshandlungen aufgewiesen haben.

Konchok Dakpa wurde sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Protest von mehreren tausend Tibetern gegen eine Mine am Berg Naglha Dzambha verhaftet [vergl. Tibet-Information vom 30. Mai 2013; UM]. Die Tibeter befürchteten, dass die am 24. Mai letzten Jahres beobachteten Arbeiten nicht einem “hydroelektrischen Projekt” galten, wie ihnen erzählt wurde, sondern in Wirklichkeit Bodenschätze an dem heiligen Berg abgebaut werden sollten.

Tibeter wegen Dalai-Lama-Bildern verhaftet und gefoltert
Am 14. Januar wurde ein Tibeter namens Norgay, der aus Region Dingri südwestlich von Lhasa stammt und dessen Alter nicht bekannt ist, anlässlich einer Routinekontrolle von Mobiltelefonen in Lhasa verhaftet. Bei der Kontrolle wurden auf seinem Mobiltelefon Fotos und Tonaufzeichnungen des Dalai Lama gefunden. Die Audiodatei soll von den kürzlichen Belehrungen des Dalai Lama in Südindien stammen.

In der Haft wurde er laut einem Informanten von RFA schwer misshandelt und bei der Haftentlassung eindringlich ermahnt, alle Kontakte in das Ausland abzubrechen.

Quellen: Voice of America; Radio Free Asia RFA; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

31. Januar 2014
Sesshaftmachung von tibetischen Nomaden nahezu beendet
Die chinesische Regierung hat mitgeteilt, dass das 2006 begonnene Programm zur Sesshaftmachung von tibetischen Nomaden kurz vor der Beendigung steht. In der Autonomen Region Tibet sind laut einer Meldung des regierungsoffiziellen Fernsehsenders Tibet TV praktisch alle 2.3 Millionen Nomaden in neu gebauten Siedlungen sesshaft gemacht worden, und in der nördlich angrenzenden Provinz Qinghai sollen gemäss dem Fünfjahresplan bis Ende Jahr 90% aller Nomaden sesshaft geworden sein. Die Nomaden werden dazu aufgefordert, ihre Viehherden in „Kooperativen“ zusammenzufassen.

Das Nachrichtenportal Qinghai Online News feierte diese Entwicklung mit folgenden Worten: „Die lokalen Nomaden freuen sich nun über ein neues, modernes Leben in blitzsauberen neu gebauten Häusern, während ihre Herden auf dem endlosen Grassland unter der Regie einer Kooperative gehegt werden.“

Offiziell wird die Sesshaftmachung mit ökologischen Aspekten begründet, zum Beispiel dem Risiko von Überweidung. Kritiker entgegnen, dass in Wirklichkeit die Regierung ein starkes Interesse nach leichterer sozialer Kontrolle der Nomaden und Ausbeutung von Bodenschätzen im früheren Weideland hat. Die chinesische Journalistin und Umweltaktivistin Wang Yongchen, die für die Organisation Green Earth Volunteers spricht und die Kultur der Nomaden studierte, merkt an, dass die Nomaden in der Vergangenheit immer in der Lage waren, das ökologische Gleichgewicht zu wahren. Einmal in genormten Siedlungshäusern sesshaft gemacht, werden sie ihrer traditionellen Lebens- und Arbeitsweise beraubt und sind oft nicht mehr in der Lage, neue Erwerbsquellen zu finden. Stattdessen verarmen sie und verfallen nicht selten dem Alkohol.

Die Tibetische Regierung im Exil hat beobachtet, dass, wenn die Nomaden ihre Herden in Kooperativen einbringen, diese de facto ihrer Kontrolle entzogen sind und die chinesischen Angestellten in der Kooperative die Bewirtschaftung übernehmen.

Verhafteter tibetischer Gelehrter in kritischem Gesundheitszustand
Der am 6. Dezember letzten Jahres verhaftete Gelehrte Khenpo Kartse [vergl. Tibet-Information vom 7. Januar 2014; UM] soll sich wegen einer Lebererkrankung in kritischem Zustand befinden. Khenpo Kartse ist wegen seines sozialen Engagements hoch angesehen und hatte sich bei dem grossen Erdbeben in Yushu im April 2010 einen Namen gemacht, als er Rettungsarbeiteten anleitete. Sicherheitsoffiziere waren ihm aus dem osttibetischen Chamdo extra in die mehrere hundert Kilometer entfernte Provinzhauptstadt von Sichuan, Chengdu, hinterher gereist, um ihn festzunehmen. Ihm wird vorgeworfen, an Protestaktionen in Chamdo beteiligt gewesen zu sein. Die 16 Mönche, die gegen seine Verhaftung protestiert hatten und ebenfalls inhaftiert wurden, wurden inzwischen freigelassen.

Khenpo Kartse durfte seit seiner Verhaftung keinen Besuch erhalten. Zwar hatte die Polizei seinen Verwandten mitgeteilt, diese dürften ihm Medikamente bringen, jedoch mussten sie alles dem Gefängnispersonal übergeben und durften ihn nicht persönlich sehen. Die Information über seinen Gesundheitszustand stammt von einem Informanten von RFA. Dieses widerspricht einem im Dezember angeblich von Khenpo Kartse verfassten Brief aus der Haft, es gehe ihm gut, und er bitte darum, von weiteren Protestbekundungen gegen seine Verhaftung abzusehen.

Die aus der Haft entlassenen Mönche gaben an, dass das Interesse bei ihren Verhören vor allem der Frage galt, ob Khenpo Kartse Kontakte ausserhalb der Region hatte und diesen Informationen über die Situation in Tibet und Protestaktionen zukommen liess.

Quellen: Voice of America; Radio Free Asia RFA

 

20. Januar 2014
TCHRD veröffentlicht Menschenrechtsbericht für 2013
Das TCHRD kommt in seinem Menschenrechtsbericht für 2013 zu dem Schluss, dass sich die Reformhoffnungen, die sich an den neuen Präsidenten der Volksrepublik China, Xi Jinping, geknüpft haben, für Tibet nicht in Erfüllung gingen, sondern dass sich die Situation dort nochmals verschlimmert hat. Hier sind die wichtigsten Auszüge:

  • Im April 2013 erliess das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei (KP) eine vertrauliche Direktive mit der offiziellen Bezeichnung „Dokument Nr. 9“. Darin wird den Mitgliedern untersagt, Themen wie konstitutionelle Demokratie, Universalität der Menschenrechte, die Zivilgesellschaft, oder unabhängige Medien anzusprechen. Diese würden allesamt als „subversive“ Ideen angesehen. Der KP-Parteisekretär in Tibet identifizierte zwei neue „Schlachtfelder“, um Tibet zu kontrollieren: traditionelle Medien wie Zeitungen, Fernsehen und Radio, sowie das Internet.
  • Die Politik der „Massenlinie“ vereinigte mehrere bereits existierende Praktiken der Massenpropaganda und Massenüberwachung unter einem einheitlichen Konzept. Schwerpunkt der Implementierung war die Region Driru, nördlich der Haupstadt Lhasa. Etwa 18‘000 Kader erschienen dort im Herbst 2013 und wollten alle Haushalte dazu veranlassen, die chinesische Flagge auf den Hausdächern zu hissen, die eigentlich den Gebetsfahnen vorbehalten sind. Nach massenhaften Verweigerungen reagierten die Behörden mit Gewalt; es gab Massenverhaftungen, Verletzte und Tote nach Schusswaffengebrauch. Insgesamt wurden bislang etwa 60‘000 Kader nach Tibet entsandt, d.h. im Schnitt kontrolliert ein Kader etwa fünfzig Einwohner.
  • In Lhasa wurde das „Rastermanagement“ eingeführt, das die Stadt in Planquadrate einteilt und jeweils einem Polizeiposten zuweist; dieser kontrolliert jede Bewegung der Anwohner rund um die Uhr, speziell solcher aller als „verdächtig“ eingestuften Tibeter.
  • Bis Ende 2013 waren schätzungsweise 90% der Nomaden in der nördlichen Provinz Qinghai zwangsweise sesshaft gemacht. Weder wurden sie um ihre Meinung gefragt, noch erhielt die Mehrheit die versprochenen Kompensationen. Für die so angesiedelten Nomaden bedeutet das den Ruin, da sie ihr traditionelles Leben nicht mehr führen können, keine Arbeit in den neuen Siedlungen finden und sich mitunter auch noch für ihre neuen Behausungen verschulden mussten. Offiziell werden die Umsiedlungen mit ökologischen Gründen gerechtfertig, viel wahrscheinlicher werden sie aber durch die Interessen der staatlichen Minen getrieben, die in den Nomadenregionen grosse Vorkommen an Öl, Gold, Lithium, Kupfer, Chrom und anderen Edelmetallen vermuten.
  • Proteste der Tibeter gegen den Abbau von Bodenschätzen werden gewaltsam niedergeschlagen. Das zeigt beispielhaft, wie China gegen die eigenen Behauptungen verstösst, das Recht auf freie Meinungsäusserung zu achten. Allein im Jahr 2013 zählte TCHRD 119 Tibeter, die aus politischen Gründen verhaftet oder verurteilt wurden. Die Familien von Tibetern, die sich selbst verbrannt haben, oder sogar ihr gesamtes Dorf, werden speziellen Umerziehungsprogrammen unterzogen. Im vergangenen Jahr wurden die ersten Tibeter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, die in irgendeiner Weise Selbstverbrennungen unterstützt haben sollen. Totenrituale oder Beileidskundgebungen werden meistens verboten. Umerziehungskampagnen und Verhaftungen treffen ganz gezielt auch hochrangige Mönche und buddhistische Gelehrte, sowie bekannte Dichter, Schriftsteller und Künstler. Im letzten Jahr wurden allein 8 Künstler verhaftet.
  • Das System der „Umerziehung durch Arbeit“, das der Polizei ohne Angabe von Gründen die Deternierung in Lagern für bis zu 4 Jahre erlaubte und das laut Xi Jinping abgeschafft wird, wurde bisher in Tibet rigoros angewendet, ohne dass es Anzeichen einer Änderung gibt.
  • Die Zerstörung der tibetischen Kultur schreitet voran. Im vergangenen Jahr wurden Pläne publik, dass in Lhasa rings um den Jokhang-Tempel und entlang des traditionellen Pilgerweges Barkhor eine Shopping Mall mitsamt einem Parkhaus gebaut werden soll. Weitere Hotels sind im Bau, um die schätzungsweise 15 Millionen chinesischen Touristen pro Jahr aufzunehmen.
  • Chinas Menschrechtsdokumente streichen grosse Erfolge heraus, fokussieren aber fast ausschliesslich auf wirtschaftliche Kennzahlen. Es werden nur grobe Statistiken für die gesamte Nation produziert, die keine speziellen Daten für ethnische Minderheiten enthalten. Zum Beispiel erwähnen Statistiken, dass die Müttersterblichkeit bei Geburten um zwei Drittel gesunken sei, erwähnen aber nicht, dass diese Rate in Tibet 13-16 mal höher ist als der nationale Durchschnitt.

Quellen: Tibetan Center for Human Rights and Democracy TCHRD

 

16. Januar 2014
20 Tibeter wegen Protests gegen Tunnelbau verhaftet
In der osttibetischen Ortschaft Pondha im Bezirk Dege wurden vor einer Woche bei einem massiven Einsatz der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) 20 Tibeter verhaftet. Diese hatten gegen den Bau eines Tunnels im Rahmen eines Strassenbauprojekts protestiert.

Bereits im Mai letzten Jahres hatten sich die lokalen Bewohner gegen das Projekt gewandt, das zwei benachbarte Dörfer durch einen Strassentunnel verbinden sollte, weil sie Schäden an der Umwelt und an Gebäuden befürchteten. In der Tat sind jetzt mehrere Gebäude in der Nähe des Tunnel eingestürzt, und an anderen Häusern zeigen sich Risse. Erbost darüber, dass ihr Protest über sieben Monate ignoriert wurde, besetzten etwa 100 Tibeter die Baustelle und blockierten die Bauarbeiten, während sich andere zur Bezirksregierung von Dege begaben und forderten, diese müsse endlich ihre Bedenken Ernst nehmen.

Einen Tag später erschienen etwa 1‘000 Polizisten in Pondha, durchsuchten den gesamten Ort und nahmen 20 Tibeter mit, die als Anführer des Protests ausgemacht wurden. Über ihr Schicksal ist weiter nichts bekannt.

6 Jahre Haft für Zeugen einer Selbstverbrennung
Über ein Jahr nach seiner Verhaftung wurde der 47-jährige Mönch Gedun Gyatso wegen „vorsätzlicher Tötung“ zu 6 Jahren Haft verurteilt. Der Mönch aus dem Kloster Bora war zugegen, als sich am 2. Dezember 2012 der 29-jährige Familienvater Sungdue Kyap nahe dem Kloster anzündete und starb [vergl. Tibet-Information vom 12. Dezember 2012; UM]. Laut Informanten von TCHRD soll Gedun Gyatso in dem Strafprozess bis zuletzt alle Vorwürfe einer aktiven Rolle bei der Selbstverbrennung abgestritten haben. Der Vorwurf des „Totschlages“ gründe sich allein auf die Aussage zweier Feuerwehrmänner, die behaupteten, er habe sie beim Löschen gehindert.

Damit setzt die Regierung die massiven Strafen um, die allen Tibetern im Rahmen der „Patriotischen Umerziehung“ angedroht werden. Laut einem Regierungsdekret werden diejenigen, die andere „zu Selbstverbrennungen anstiften, verleiten oder drängen“, der vorsätzlichen Tötung angeklagt. Ebenso machen sich solche, die „Sicherheitskräfte, medizinisches Personal oder andere, die die Selbstverbrenner schützen wollen“, bei der Ausübung ihrer Pflichten behindern, des gleichen Vergehens schuldig [vergl. Tibet-Information vom 22. Februar 2013; UM].

Initianten einer sozialen Initiative verhaftet
Acht Tibeter, die eine soziale Initiative in ihrem Heimatdorf Karma im osttibetischen Bezirk Chamdo gegründet hatten, wurden Anfang Januar verhaftet. Sie hatten Ende letzten Jahres eine Bewegung gegründet, die Streit unter Tibetern in der Region schlichten und den Analphabetismus bekämpfen wollte. Die Verhaftungen, die an zwei aufeinander folgenden Tagen vorgenommen wurden, ereigneten sich nach Hausdurchsuchungen, die Sicherheitskräfte im Dorf vornahmen. Mehrere weitere Mitglieder der Initiative, die als äusseres Zeichen ihrer Verbundenheit ein Halskette trugen, wurden später zu einer Vernehmung auf die örtliche Polizeistation geladen, einige von ihnen dabei geschlagen.

Es ist unklar, ob die Hausdurchsuchungen und Verhaftungen im Zusammenhang mit der Verhaftung des angesehenen Gelehrten Kenpo Kartse am 6. Dezember l.J. stehen. Dieser war verhaftet worden, als er im mehrere hundert Kilometer entfernten Chengdu weilte, um eine Statue für sein Kloster zu kaufen [vergl. Tibet-Information vom 7. Januar 2014; UM].

Quellen: Tibetan Center for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia RFA

 

7. Januar 2014
Teenager verhaftet, insgesamt über 1‘000 Inhaftierte in Driru
Im Bezirk Driru, das seit Oktober Schauplatz mehrerer Proteste, Verhaftungen und „Umerziehungskampagnen“ ist, nachdem sich Anwohner den erzwungenen Loyalitätskundgebungen für China verweigert hatten [vergl. Tibet-Informationen vom 8. und 9. Oktober sowie 11. November 2013; UM], werden jetzt sogar Teenager verhaftet.

Vor wenigen Tagen wurde Bumchok, ein 16-jähriger Junge verhaftet, weil er eine chinesische Flagge verbrannt haben soll. Fünf Tage später wurden Choedron, ein 16-jähriges Mädchen und die 27-jährige Yangchen unter gleichem Verdacht in Haft genommen. Bumchok wurde einige Tage später, eskoriert von etwa 20 Polizisten mit vorgehaltener Waffe, nach Hause gebracht. Die Polizisten durchsuchten das Haus und nahmen Bumchok wieder mit, weil sie dort ein Foto des Dalai Lama fanden. Über das Schicksal der Verhafteten ist weiter nichts mehr bekannt.

Laut RFA sind seit Beginn der Proteste in Driru über 1‘000 Personen verhaftet worden. Der Jüngste soll ein 10-jähriger Junge sein. Der Name eines 12-jährigen verhafteten Jungen ist RFA bekannt. Der älteste Häftling ist laut RFA 72 Jahre alt. Auch soll die Mutter eines erst ein Monat alten Kindes in Haft sein.

Kloster in Driru geschlossen, Mönch verhaftetEbenfalls im Bezirk Driru wurde das Kloster Drongna geschlossen und der Debattierlehrer Kalsang Dhondup verhaftet. Nachdem sich die Nachrichten über die Verhaftung des angesehenen Mönches und Gelehrten Ngawang Jamphel am 23. November im Kloster Tarmoe und die Proteste der dortigen Mönche verbreitet hatten, wurden die Kloster Drongna und Rabten von Sicherheitskräften umstellt. Ob auch das Kloster Rabten geschlossen wurde, ist nicht bekannt. Bereits vorher waren 8 Mönche von Rabten verhaftet worden, die in angrenzenden Provinzen studierten.

Der verhaftete Ngawang Jamphel starb am 17. Dezember mutmasslich an erlitteten Misshandlungen in Haft [vergl. Tibet-Informationen vom 19. Dezember 2013; UM]. Die chinesische Regierung beobachtet die Lage in Driru mit grosser Sorge und greift hart ein, um eine Ausweitung der Proteste auf andere Regionen zu verhindern.

16 protestierende Mönche in Chamdo verhaftet
Auch in der osttibetischen Präfektur Chamdo wurden Mönche verhaftet. Sie hatten gegen die Inhaftierung des in der Region sehr angesehenen Gelehrten Khenpo Kartse (38) protestiert. Dieser war am 6. Dezember im mehrere hundert Kilometer entfernten Chengdu, der Hauptstadt von Sichuan, verhaftet worden, als er gerade eine Statue für sein Kloster kaufen wollte. Ihm wurde vorgeworfen, an Protestaktionen in Chamdo beteiligt gewesen zu sein. Offenbar waren ihm Sicherheitsoffiziere aus Chamdo extra hinterher gereist, um ihn festzunehmen.

Die verhafteten 16 Mönche hatten am 18. Dezember eine Protestdemonstration veranstaltet. Regierungsvertreter hatten sie beruhigt und versprochen, sich des Falles anzunehmen. Drei Tage darauf wurden die Mönche aber verhaftet.

Unterdessen rief Khenpo Kartse in einem Schreiben aus dem Gefängnis die anderen Mönche aus seinem Kloster dazu auf, Ruhe zu bewahren und nicht weiter zu protestieren. Ihm gehe es gut, und er sei nicht misshandelt worden. Ob das Schreiben echt ist, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Khenpo Kartse hatte sich bei dem grossen Erdbeben in Yushu im April 2010 einen Namen gemacht, als er Rettungsarbeiteten anleitete.

Quellen: Phayul; Radio Free Asia RFA