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Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya

10. Dezember 2018
Nur 5 Wochen nach der letzten Selbstverbrennung in Ngaba [vergl. Tibet-Information vom 4. Dezember 2018; UM] setzte sich in der gleichen Region wiederum ein Jugendlicher in Flammen. Wegen der sofortige Nachrichtensperre mit Blockieren der Internetverbindungen ist es kaum möglich, weitere Details zu erfahren. Laut Informanten von Phayul und Radio Free Asia werden alle noch offenen Kommunikationsleitungen von Ngaba nach aussen von den Behörden überwacht. Tibeter in Ngaba haben ihre Verwandten und Bekannten im Ausland gebeten, bis auf weiteres von Kontaktversuchen abzusehen, um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen.

Soweit bekannt, handelt es sich um einen jungen Tibeter namens Drugkho (in anderer Schreibweise Dughko oder DrugKho, der etwa Anfang 20 Jahre alt sei und sich am Nachmittag des 8. Dezember anzündete und in Flammen stehend Slogans für die Freiheit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lama rief. Es ist nicht bekannt, ob er noch am Leben ist. Damit handelt es sich um die 155. Selbstverbrennung und allein die 42. Selbstverbrennung im Bezirk Ngaba.

Radio Free Asia, 9. Dezember 2018
Phayul, 9. Dezember 2018

Kampagne gegen „illegale Nachrichten“ belohnt Denunziation
Die chinesische Regierung hat eine neue Kampagne gegen „illegale Nachrichten“ lanciert, die Informanten mit Belohnungen lockt. Am 16. November wurde ein Dekret veröffentlicht mit dem Titel „Massnahmen zur Belohnung von Individuen, um Pornographie und illegale Nachrichten zu eliminieren“. Alle, die den Behörden Personen melden, welche derartige Nachrichten lesen, darüber sprechen oder sie weiter verbreiten, sollen belohnt werden. Nicht spezifiziert ist, welcher Art solche Belohnungen sein werden. Die Kampagne wird im ganzen Land durchgeführt, nicht nur in Tibet.

Speziell in Tibet zielt die Kampagne nicht nur gegen den Dalai Lama, sondern auch gegen Aktivisten, die sich zum Beispiel für den Erhalt der tibetischen Kultur und Sprache einsetzen. Die offizielle Parteizeitung Global Times wiederholte, dass der Kampf gegen den Dalai Lama von zentralem Interesse für das Land ist: „Die Verbreitung separatistischer Banden in Tibet ist sehr gross... eine Kampgne gegen diese Verbrecher wird sezessionistische Aktivitäten des Dalai abschrecken..“ In Lhasa wurden 30 Boxen aufgestellt, wo Informanten ihre Meldungen abgeben können.

Die Formulierung im Dekret ist so vage und offen, dass damit alle Inhalte ausser der offiziellen Propaganda als „verbrecherisch“ oder „illegal“ diskreditiert werden können. Der Begriff „Pornographie“ wird in der chinesischen Staatspropaganda gern in einem breiten Sinn verwendet und kann fast alle unliebsamen Inhalte umfassen. Als Beispiele im Erlass werden genannt alle Inhalte „die die nationale Einheit, Souveränität oder territoriale Integrität bedrohen; Staatsgeheimnisse verrraten, nationale Sicherheit bedrohen oder die nationale Ehre oder Interessen verletzen; ethnischen Hass oder Diskrimination fördern, ethnische Einheit stören; ethnische Bräuche beeinträchtigen; verwerflichen Kult und Aberglauben fördern, oder soziale Ordnung und Stabilität unterminieren“.

Bereits im März 2018 haben die Behörden in der Präfektur Yushu im Osten Tibets die Bevölkerung aufgerufen, ihnen Erkenntnisse über Aktivitäten von «Kräften der Unterwelt» mitzuteilen, und es wurden 19 „Kennzeichen“ genannt, wie man derartige „Kräfte erkennt [vergl. Tibet-Information vom 29. September 2018; UM].

International Campaign for Tibet, 3. Dezember 2018

„Killer-Drohnen“ an den Grenzen von Tibet und Xinjiang
Wie die offizielle Parteizeitung Global Times berichtet, hat China eine ungenannte Zahl von Drohnen an den Grenzen von Tibet und Xinjiang zu den Nachbarstaaten stationiert. Die Drohnen vom Typ GJ-2 sollen vor allem unwegsames Gebiet kontrollieren, das vom Boden schlecht erreichbar ist.

Die Drohnen können sich bis zu 20 Stunden in der Luft halten und erreichen eine maximale Geschwindigkeit von 370 km/h sowie eine maximale Höhe von 9000 m. Sie sind mit einem Radarsystem zur Erkundung ausgestattet, sowie mit Kommunikationssystemen und Störsendern. Sie können bis zu 12 Luft-Boden-Raketen tragen.

Tibeter fürchten, dass damit auch die Flucht aus Tibet nach Nepal nochmals erschwert, wenn nicht gar unmöglich wird. Im Jahr 2017 gelang gerade noch 50 Tibetern die Flucht über die Route nach Nepal.

Phayul, 6. Dezember 2018

 

4. Dezember 2018
Am 4. November setzte sich der 23-jährige Dopo in Flammen und starb. Nach Angaben von Informanten von Radio Free Asia rief er, während er in Flammen stand, der Dalai Lama solle noch lange leben. Weiteres ist von der Selbstverbrennung, die sich im Bezirk Ngaba ereignete, nicht bekannt. Ebenso ist unklar, wohin sein Leichnam überführt wurde.

Dopo habe vor wenigen Jahren seine Mutter verloren und lebte seitdem im Haushalt seines Onkels, sagten Informanten. Im Bezirk Ngaba ereigneten sich allein 41 Selbstverbrennungen. Die Stadt und das nahe gelegene Kloster Kirti gelten seit langem als Brennpunkt von Protesten gegen die chinesische Herrschaft.

Radio Free Asia, 8. November 2018

China exportiert Sicherheitstechnologie aus Tibet und Xinjiang
Beim 7. „UN-Forum on Business and Human Rights“ in Genf kam in einer Podiumsdiskussion der Export von Sicherheitstechnologie und Unterdrückungstechniken aus China zur Sprache. Die tibetische Delegierte, Kunchok Yaklha, wies darauf hin, dass das sogenannte „Rastermanagement-System“, das nun überall in Xinjiang zur Kontrolle der uigurischen Bevölkerung eingesetzt wird, ursprünglich in Tibet entwickelt wurde. Ebenso werden modernste Überwachungstechnologien mit künstlicher Intelligenz (KI) und automatischer Gesichtserkennung durch Kameras eingesetzt. Der lokale Parteivorsitzende in Xinjiang war zuvor im gleichen Amt in Tibet und setzt diese Techniken nun in Xinjiang in wesentlich grösserem Massstab um. China exportiere diese Technologien, nachdem sie „erfolgreich“ im eigenen Land entwickelt wurden, in andere interessierte autoritäre Staaten, sagte Kunchok Yaklha.

Beim „Rastermanagement-System“ handelt es sich um eine 2012 implementierte Massnahme, die tibetische Dörfer in kleineste soziale Einheiten einteilt, die jeweils minutiös von einem Parteifunktionär überwacht werden [vergl. Tibet-Information vom 11. November 2013; UM]. Gegenseitige Denunziation für „Fehlverhalten“ wird ausdrücklich gefördert. Es kann sogar vorkommen, dass sich Kader für mehrere Tage oder Wochen bei Familien einquartieren, um deren Lebenweise zu kontrollieren. Dazu werden öffentliche Orte in Tibet und besonders in Xinjiang lückenlos mit Kameras überwacht, die mittels KI Gesichter erkennen lernen. In Xinjiang wird jede Behausung mit einem Strichcode erfasst und in einer Datenbank registriert, nachdem sie kontrolliert wurde. Hinzu kommen noch DNA-Proben aller potenziell „verdächtigen“ Individuen.

War das Budget für Sicherheitsmassnahmen im Inland 2014 etwa gleich gross wie das Budget für die Armee, so war es 2016 schon um 13% grösser als das ohnehin sehr grosse Verteidigungsbudget. Verglichen mit dem Vorjahr stieg es um über 17%, die höchste Steigerung seit dem Jahr der Unruhen von 2008. Seitdem ist der pro-Kopf Betrag für Sicherheitsmassnahmen in Tibet der höchste in ganz China. Speziell in den westlichen Regionen der Provinz Sichuan, in die die ursprünglich tibetische Provinz Cham eingegliedert wurde, ist das Sicherheitsbudget dreimal so hoch wie im Rest von Sichuan.

The Diplomat, 22. September 2018
Phayul, 28. November 2018

Religiöser Gedenktag mit massiver Polizeipräsenz zur Einschüchterung
Tibeter hatten sich in grosser Zahl vor dem Jokhang-Tempel in Lhasa eingefunden, um des Todestages des grossen tibetischen Geleherten Tsongkapa am 2. Dezember 1419 zu gedenken. Dazu fiel auf den folgenden Tag der Todestag von Jamchen Choeje Yeshi , eines Schülers von Tsongkapa, der das nahe gelegene Kloster Sera gegründet hatte.

Augenzeugen berichten an beiden Tagen von einer grossen Menschenmenge, die sich mit Niederwerfungen und Butterlampen vor dem Jokhang versammelt hatte, um danach zu Gebeten in das Innere zu gelangen. Aussen waren sie umrundet von sowohl uniformierter bewaffneter Polizei als auch von Sicherheitskräften in ziviler Kleidung, die in demonstrativer Weise jegliche ihrer Bewegungen überwachten. Die Behörden hätten erklärt, die massive Präsenz sei für die „öffentliche Sicherheit“ notwendig und solle nicht einschüchternd wirken.

Radio Free Asia, Dezember 2018

 

10. November 2018
China benutzt tibetischen Buddhismus für lokale Expansionspläne
China bemüht die tibetisch-buddhistische Religion für seine ehrgeizigen lokalen Expansionspläne in Südasien im Rahmen der sogenannten «Belt and Road Initiative». Die Zielländer von „One Belt“ sind die Mongolei, mehrere Staaten der früheren Sowjetunion und Osteuropas; diejenigen von „One Road“ Länder in Südasien und dem Mittleren Osten. Dieses mit Milliarden-Investitionen geförderte Projekt soll mittels Darlehen die Infrastruktur in den ausersehenen Ländern verbessern, um Handelsrouten zu etablieren; hier nimmt Tibet eine zentrale Position als Chinas Zugang zu den unmittelbaren Zielländern in Südasien ein, nämlich Pakistan, Myanmar, Bangladesh und die Länder der indochinesischen Halbinsel. Bereits jetzt wird die Eisenbahnlinie in Tibet weiter ausgebaut mit Plänen, diese bis zur nepalischen Grenze zu verlängern.

Wie die kommunistische Parteizeitung Global Times berichtet, wurde im Oktober in der Provinz Qinghi im Norden Tibets ein zweitägiges Symposium abgehalten, um zu sehen, wie der tibetische Buddhismus dieses Projekt fördern könnte. Dazu waren auch buddhistische Mönche und Gelehrte eingeladen. Ein Vertreter der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften führte aus, dass der tibetische Buddhismus als eine Brücke zur Kommunikation zwischen China und buddhistischen Ländern in Südasien dienen könnte. Indien dagegen verweigere sich, was die Initiative erschwere. Ein Grund sei, dass der Dalai Lama dort eine «separatistische Basis» unterhalte. Die Förderung der Initiative durch den tibetischen Buddhismus sei daher von strategischer Bedeutung.

Weitere Redner betonten, dass die «sanfte Kraft» des tibetischen Buddhismus langfristig «harte Fakten» schaffe. Das Projekt habe bereits neue Energie für die chinesisch-nepalischen Beziehungen freigesetzt. Auch zur Mongolei würden neue Beziehungen aufgebaut, indem Gelehrte in den Lama-Tempel und das Tibetische-Buddhistische Kolleg in Beijing eingeladen wurden. Das Projekt würde «Separatismus, religiösen Extremismus und Terrorismus» bekämpfen, weil es «Harmonie» und «Gewaltfreiheit» fördere.

Indien hat gegen den geplanten Korridor zwischen China und Pakistan protestiert, weil dieser in Kaschmir durch von Indien beanspruchtes Gebiet führt.

The Indian Express, 30. Oktober 2018

Religiöses Fest in Larung Gar zum dritten Mal verboten
Wie schon in den Vorjahren haben die Behörden in der Präfektur Kardze das Dechen Shingdrup Fest im Kloster Larung Gar verboten. Auch ist es allen Auswärtigen untersagt, die weitläufige Klosterstadt zu besuchen. Die Klosterakademie war in den vergangenen Monaten von gross angelegten Wegweisungen von Mönchen, Nonne und Laien sowie erzwungenem Abriss von Unterkünften betroffen. Die Zugänge sind bereits seit mehreren Monaten nur noch durch spezielle Porten mit Personenkontrolle möglich, so dass sich alle Besucher leicht kontrollieren lassen.

Das Dechen Shingdrup Fest wird traditionell am 18. Tag des 9. Monats des tibetischen Kalenders gefeiert, dauert eine Woche, und zog in den Jahren, als es erlaubt war, zahllose Gläubige auch aus entfernten tibetischen Regionen an. Petitionen, das Fest in diesem Jahr zu gestatten, möglicherweise in kleinerem Massstab nur für die Bewohner von Larung Gar, blieben unbeantwortet. Gründe für das Verbot wurden laut Informanten von Radio Free Asia nicht genannt. Im letzten Jahr wurde das Fest verboten, weil die „Renovationen“ – sprich Abrissarbeiten - noch nicht abgeschlossen waren.

Radio Free Asia, 25.. Oktober 2018

Mönche und Nonnen werden für die „Sinisierung der Religion“ trainiert
Ausgewählte Mönche und Nonnen in Tibet werden in einer von Staatspräsident Xi Jinping lancierten Kampagne als Repräsentanten für die „Sinierung der Religion“ trainiert. Religiöse Würdenträger sollen sich gemäss der „Politik der vier Standards“ verhalten. Es ist nicht genug, religiös gebildet zu sein, sondern „politische Verlässlichkeit“,  „moralische Integrität“ und „aktives Bekämpfen“ von Protesten gegen die chinesische Herrschaft werden nun von ihnen gleichermassen verlangt. Für den höheren Titel eines Geshe, eines religiösen Gelehrten, wird jetzt auch eine Ausbildung „Politk, Jura, und Geschichte“ – selbstverständlich aus chinesischer Sichtweise – gefordert, um die staatliche Anerkennung zu erhalten.

Gemäss Beobachern wie Human Rights Watch ist diese neue Kampagne ein Eingeständnis, dass frühere Versuche, die Klöster zum Beispiel durch ein von aussen eingesetztes „Management-Komitee“ oder Denunziationskampagnen gegen den Dalai Lama unter staatliche Kontrolle zu bringen, nicht den gewünschten Erfolg brachten. Statt zahllose Kader von aussen in die Klöster zu delegieren, versuche man nun, die Religion quasi „von innen“ gefügig zu machen. Dieses wird indirekt auch durch die kommunistische Parteizeitung Global Times bestätigt, die in einem Bericht anmerkt, dass die Kampagne effektiver sein könnte als frühere, weil die trainierten religiösen Würdenträger „ein besseres Verständnis für die Denkweisen und Gewohnheiten in ihrer Gruppe“ hätten als die entsandten Kader.

Radio Free Asia, 1. November 2018

 

23. Oktober 2018
Neue Eisenbahnlinie nach Tibet: „Sichuan Railway“
Die staatliche Zeitung Global Times kündigte den Baubeginn für ein neues, ehrgeiziges Bahnprojekt an. Die „Sichuan-Tibet-Bahnlinie“ wird als Ost-West-Verbindung über 1‘700 km die Provinzhauptstadt Chengdu mit Lhasa verbinden. Der Bau soll insgesamt umgerechnet etwa 36 Milliarden US-Dollar kosten und Zugfahrten mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h ermöglichen. Die Linie, die die Fahrtzeit von Chengdu von 48 Stunden auf 13 Stunden verkürzen soll, wird 2026 fertiggestellt sein. Bisher war die lange Fahrt über die störungsanfällige Landstrasse nach Lhasa mühsam; diese war wegen Erdrutschen oder widrigen Wetterbedingungen mitunter bis zu 6 Monate im Jahr unbefahrbar.

Professor Sun Zhang, Eisenbahnexperte an der Tonji-Universität in Shanghai, sagte, diese neue Linie werde der tibetischen Wirtschaft „neues Leben einhauchen“. Global Times erwähnte weiter, dass die Linie „die ethnische Solidarität fördern, die nationale Einheit gewährleisen und die Stabilität der Grenze sichern“ würde. Skeptische Beobachter weisen darauf hin, dass auch die 2006 eröffnete Nord-Süd-Bahnlinie von Golmud nach Lhasa dafür gepriesen wurde, dass sie den Tibetern zu mehr Wohlstand verhelfen solle; stattdessen übertreffen die negativen Folgen mit Masseneinwanderung und wirtschaftlicher Marginalisierung der Tibeter eindeutig die geringen wirtschaftlichen Verbesserungen. Die Hinweise auf „nationale Einheit“ und „Stabilität der Grenze“ seien oft Euphemismen für mehr Repression gegen Tibeter und militärisches Drohgebaren gegenüber dem südlichen Nachbarn Indien.

Phayul, 12. Oktober 2018

Zwangsumsiedlung von Dorfbewohnern für Industrieprojekte
Bewohner von insgesamt 9 Dörfern im Bezirk Gonjo im Osten Tibets sind von Zwangsumsiedlung betroffen, um für Bergbau- und Kraftwerksprojekte Platz zu machen. Die Zahl der Betroffenen ist unklar; insgesamt hat der Bezirk Gonjo nach einer Erhebung von 2010 etwa 40‘000 Einwohner. Die betroffenen Tibetern sollen weiter nach Osten, teilweise aber auch in die weit entfernte Region Lhasa umgesiedelt werden. Viele hätten schon begonnen, ihre Viehherden schlachten zu lassen.

In der Region wächst der Raupenkeulenpilz. Dieser parasitische Pilz mit dem wissenschaftlichen Namen Cordyceps siniensis ist wegen seiner angeblichen medizinischen Wirkungen begehrt und erzielt auf dem Mark sehr hohe Preise, derzeit umgerechnet mehrere zehntausend Franken pro Pfund, und ist für viele Tibeter eine wichtige Einkommensquelle. Als Konzession soll es den Umgesiedelten für die nächsten 20 Jahre erlaubt sein, zum Pilzsammeln in die Region zurück zu kehren.

Bereits vor 10 Jahren waren Tibeter aus dieser Region zwangsweise umgesiedelt worden. Vor drei Jahren wurde in Gonjo ein Protest der Bewohner mit einer unbekannten Zahl von Verhaftungen und Verletzten gewaltsam unterdrückt [vergl. Tibet-Information 3. Mai 2015; UM]. Der Protest entzündete sich an Plänen, Minenarbeiten am heiligen Berg Mini zu beginnen. Danach wurden die Pläne zunächst auf Eis gelegt, jedoch wurde im April d.J. laut einem lokalen Informanten der Bau einer Zufahrtsstrasse zum Berg Mini wieder aufgenommen.

Radio Free Asia, 1. Oktober 2018

Tibeter fordern versprochene Kompensationen ein
Dutzende Tibeter harren seit dem 13. Oktober vor dem Gebäude der lokalen Verwaltung des Bezirks Chone im Osten Tibets aus. Der Protest richtet sich gegen versprochene, aber nie ausbezahlte Kompensationsleistungen für die Reduktion ihres Viehbestandes. Die meisten Tibeter hatten nach einem Aufruf der Bezirksregierung vor über drei Jahren ihre Herden ganz abgeschafft oder stark reduziert, weil diese angeblich durch Überweidung Umweltschäden verursachten. Ein betroffener Tibeter macht in einem Video, das in sozialen Medien zirkulierte, geltend, dass ihnen seinerzeit finanzielle und administrative Hilfen versprochen wurden. Die fehlende Beweidung hätte nach drei Jahren ihrerseits zu Umweltschäden geführt.

Aus Protest gegen das gebrochene Versprechen campieren Hirten seit Tagen auf dem Gehweg vor dem Bezirksgebäude. Die meisten tibetischen Familien besässen nun keine Yaks, Kühe und Schafe mehr und seien praktisch mittellos, so ein Informant.

Radio Free Asia, 18. Oktober 2018

 

29. September 2018
Präfektur Yushu: Kampf gegen «Kräfte der Unterwelt»
In der Präfektur Yushu im Osten Tibets haben die Behörden die Bevölkerung aufgerufen, ihnen Erkenntnisse über Aktivitäten von «Kräften der Unterwelt» mitzuteilen. Der Aufruf wurde bereits am 26. März von dem «Komitee für Sicherheit und Aufsicht» der Lokalregierung publiziert und kürzlich in ganzer Länge der Free Tibet Campaign zugänglich gemacht.

Vor allem Parteimitglieder sind zur aktiven Mitarbeit aufgerufen, um Aktivitäten an eine publizierte Kontaktadresse zu melden. Als «Kräfte der Unterwelt» werden beispielsweise Personen oder Gruppen bezeichnet, die Fotos des Dalai Lama zur Schau stellen oder sich in das chinesische Erziehungssystem im Namen des Schutzes der tibetischen Kultur, Sprache oder Umwelt «einmischen». Der Bezug auf den Schutz der tibetischen Sprache ist besonders bemerkenswert, weil kürzlich die Berufung gegen die Haftstrafe für den tibetischen Sprachaktivisten Tashi Wangchuk abgelehnt wurde. Tashi Wangchuk hatte sich im November 2015 von einem Kamerateam der New York Times auf seiner Reise nach Beijing begleiten lassen, wo er sich – streng im Rahmen der chinesischen Verfassung – für den Schutz der tibetischen Sprache einsetzen wollte. Er wurde zwei Monate später verhaftet und in einem Gerichtsverfahren im Januar 2018 wegen «Anstiftung zu Separatismus» zu 5 Jahren Haft verurteilt.

Insgesamt enthält der Aufruf der Behörden in Yushi 19 Kennzeichen für «Kräfte der Unterwelt». Darunter fallen unter anderem folgende Kriterien, die sich eindeutig auf Aktivitäten von Tibetern beziehen:

  • Druckausübung auf Dorfvorsteher mittels Einflussnahme durch Famlienclans oder Religion
  • Anstiften von Bauern oder Hirten, sich gegen Landkauf, Landverpachtung, Abbruch von Gebäuden, oder Industrieprojekte zu wehren
  • Überqueren internationaler Grenzen
  • Zurschaustellen von Seidenschals oder Bildern des Dalai Lama auf Motorrädern

Free Tibet Campaign und Tibet Watch, 16. August 2018

Chinesischer Spion in tibetischer Siedlung in Delhi verhaftet
Die indische Polizei hat in dem nördlich von Delhi gelegenen Bezirk Majnuka-Tilla einen Chinesen verhaftet, dem vorgeworfen wird, einen Spionagering gegen Tibeter anzuführen. Die Verhaftung des  39-jährigen Chinesen, dessen Namen mit Charlie Peng angegeben wird, sei in einer streng geheimen Aktion von einer Spezialeinheit der indischen Polizei am 13. September durchgeführt worden. Vor der Aktion sei der Chinese über längere Zeit überwacht worden, während er verdächtige Reisen in andere tibetisch besiedelte Gebiete in Himachal Pradesh machte.

Die Zeitung Times of India will erfahren haben, dass es sich um einen „hochtrainierten“ Agenten handele, der im Auftrag der chinesischen Regierung die tibetische Exilkolonie in Majnuka-Tilla ausspioniert habe. Der Verhaftete stamme aus Nanching und siedelte fünf Jahre vorher nach Indien um, wo er eine Inderin heiratete und einen indischen Pass erwarb. Er habe seine Tätigkeit getarnt als Geschäftsmann mit einem Geldwechselbüro in Gurgaon, südlich von Delhi.

Sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, wäre das in diesem Jahr bereits der zweite bekannt gewordene Fall von chinesischer Spionage gegen Tibeter im Exil. In Schweden wurde im Juni ein Tibeter zu 22 Monaten Haft wegen des gleichen Vergehens verurteilt [vergl. Tibet-Information vom 26. Juni 2018; UM].

Tibetexpress.net, 26. September 2018

 

31. August 2018
Reiterfestival in Lithang erstmals nach 11 Jahren erlaubt – alles nur Schein?
Im Bezirk Lithang im Osten Tibets wurde zum ersten Mal seit 2007 Jahren wieder ein populäres Reiterfestival zugelassen. Allerdings wurde es von ursprünglich neun Tagen auf drei Tage verkürzt und fand unter starker Präsenz von Sicherheitskräften statt. Informanten von Radio Free Asia stellten die Frage, ob es sich lediglich um eine Inszenierung gehandelt habe, um „Normalität“ vorzutäuschen. Während das Festval in der Vergangenheit traditionell von Freiwilligen organisert wurde, seien jetzt die aktiven Teilnehmer bezahlt worden. Sowohl Reiter als auch Mitglieder von Tanzgruppen hätten umgerechnet etwa Fr. 30 dafür erhalten. „Das war nur politische Propaganda, nicht mehr.“ zitiert Radio Free Asia einen Tibeter in Lithang.

Das Festival fand zuletzt vor 11 Jahren statt. Am 1. August 2007 hatte es einen Zwischenfall gegeben, als sich der Nomade Runggye Adak des Mikrofons bemächtigte. Eigentlich sollte ein Offizieller sprechen, um an den 80. Jahrestag der Gründung der Chinesischen Volksbefreiungsarmee zu erinnern. Runggye Adak forderte unter dem Beifall der Zuschauer die Rückkehr des Dalai Lama. „Wenn wir den Dalai Lama nicht zur Rückkehr einladen können, gibt es in Tibet keine Religionsfreiheit und kein Glück“, soll er laut Radio Free Asia gesagt haben. Ausserdem forderte er die Freilassung der vom Dalai Lama anerkannten Inkarnation des Panchen Lama. Danach stellte er einen anwesenden Lama zur Rede, warum dieser bei der „Patriotischen Umerziehungskampagne“ in Klöstern mitmache. Als die Polizei einschritt und Runggye Adak von der Bühne zerrte, soll er noch betont haben, dass er nichts Ungesetzliches begangen habe, denn die chinesische Verfassung garantiere doch Religionsfreiheit. Später soll sich vor der Polizeistation eine ärgerliche Menge versammelt haben, die seine Freilassung forderte, und die Polizei habe Warnschüsse in die Luft abgefeuert, um die Menge zu zerstreuen. Runggye Adak wurde zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt, in der Haft schwer misshandelt und im Juli 2015 freigelassen. Die lokalen tibetischen Parteikader wurden entlassen und durch Han-Chinesen ersetzt [vergl. Tibet-Information vom 7. August 2007; UM].

Radio Free Asia, 7. August 2018

Staatliche Unterstützung gestrichen – wegen Dalai-Lama-Foto
Einem bedürftigen Ehepaar im Bezirk Lithang wurde die staatliche Unterstützung aus einem staatlichen Programm zur Armutsbekämpfung gestrichen, weil bei ihnen zu Hause ein Foto des Dalai Lama gefunden wurde. Das Paar war einige Jahre zuvor nach Lithang gezogen, um Arbeit zu finden, und hatte bis zum Sommer als Tagelöhner Geld verdient. Sie wurden in ein staatliches Programm mit Geldleistungen zur Bekämpfung der Armut aufgenommen.

Bei einer unangekündigten Visite in ihrer Wohnung wurde ein Foto des Dalai Lama gefunden. Als sie ihr Geld am nächsten Tag bei der lokalen Behörde abholen wollten, wurde ihnen mitgeteilt, dass wegen „Sympathie für Separatismus“ sämtliche Zuwendungen gestrichen seien.

Behördenverteter nehmen dezeit in Lithang und Umgebung zahlreiche unangekündigte Hausbesuche vor und suchen gezielt nach „verdächtigen“ Habseligkeiten wie Fotos des Dalai Lama, weswegen die Bewohner dort in ständiger Furcht leben.

Auch das Feiern des Geburtstags des Dalai Lama im Juli ist in Lithang nur noch eingeschränkt möglich. Die Mönche des lokalen Klosters wurden Anfang Juli für 3 Wochen in die „Ferien“ geschickt und konnten daher nicht die sonst üblichen Debattierübungen abhalten.

Radio Free Asia, 15. August 2018

Militärischer Drill für Schulkinder
Schulkinder in Tibet müssen neuerdings militärische Übungen als Pflichtprogramm absolvieren, wie Voice of Tibet berichtet. Das vierwöchige Training begann am 18. August an einer Schule in Lhasa und soll überall in Tibet beim Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe zum Pflichtprogramm werden. Beim Fernbleiben werden Strafen angedroht.

In Lhasa trainierten Kinder, die nicht älter waren als 9 Jahre. Das Programm umfasst das Marschieren, Handhaben von Feuerwaffen, Schwimmen und Nahkampf. Die offiziellen Direktiven machen das Training nicht nur zum Pflichtprogramm, sondern erinnern Schüler und Schülerinnen auch daran, dass militärische Fertigkeiten „einem besseren China“ dienten.

Phayul, 24. August 2018

 

9. August 2018
Ehemalige Residenz der Eltern des Dalai Lama in Lhasa abgerissen
Die ehemalige Residenz der Eltern des Dalai Lama im Zentrum von Lhasa wurde abgerissen und durch einen Neubau aus Beton ersetzt. Bei dem Yabshi Takster-Haus handelte es sich um eines der grössten und bedeutendsten der wenigen noch verbliebenen historischen Gebäude in Lhasa. Der Abriss fand offenbar im Frühjahr statt, nur wenige Wochen vor der Sitzung des Welterbekomitees der UNESCO in Bahrain. Dieses befasste sich unter anderem mit dem Schutz der UNESCO-Weltkulturerbestätte „Potala Palast-Ensemble“, das neben dem Potala Palast auch den Jokhang-Tempel und dessen unmittelbare Umgebung in der Altstadt Lhasas umfasst. Das Yabshi Takster-Haus war im traditionellen tibetischen Stil eigens für die Eltern des Dalai Lama errichtet worden, die ihrem Sohn in die tibetische Hauptstadt gefolgt waren, wo er auf seine zukünftigen Pflichten als geistliches und politisches Oberhaupt Tibets vorbereitet werden sollte. Es lag in der Nähe des Potala Palasts, in dem der Dalai Lama bis zu seiner Flucht aus Tibet im Jahr 1959 lebte.

Während der Kulturrevolution in den sechziger Jahren wurde das Gebäude von den sogenannten Roten Garden in Beschlag genommen. Bis 1990 nutzte die chinesische Regierung das Yabshi Takster-Haus dann als Gästehaus, später wurde es Teil eines Hotels, in andere Teile des Gebäudes seien Händler eingezogen, so ein älterer, inzwischen online nicht mehr verfügbarer Beitrag einer tibetischen Bloggerin. In den letzten Jahren war das Yabshi Takster-Haus immer stärkerem Verfall preisgegeben. Tibeter, die sich um das Gebäude sorgten, hätten es aus Furcht vor möglichen Repressionen wegen der direkten Verknüpfung des Hauses mit dem Dalai Lama nicht gewagt, sich öffentlich für dessen Erhalt oder Renovierung einzusetzen..

Auszug aus Medienmitteilung der International Campaign for Tibet Deutschland, 1. August 2018

Chinas Flagge muss auf allen religiösen Bauwerken gehisst werden
Gemäss einer verbindlichen Resolution von mehreren religiösen Vereinigungen, die offiziell zugelassen sind und von der Kommunistischen Partei Chinas kontrolliert werden, muss auf sämtlichen religiösen Bauwerken an Feiertagen, an offiziellen Anlässen und bei Festivals die chinesische Flagge gehisst werden, um die „nationale Einheit zu stärken“. Vertreter von religiösen Organisationen, wie die Buddhistische Vereinigung, die Taoistische Vereinigung, die Islamische Vereinigung und die Katholische Bischofskonferenz in China, trafen sich Ende Juli in Beijing. Anwesend war auch ein Vertreter der staatlichen Administration für religiöse Angelegenheiten.

In der offiziellen Verlautbarung der Konferenz heisst es zu dieser Resolution: „Das Hissen der Flagge auf religiösen Bauwerken stärkt das nationale und bürgerliche Bewusstsein der religiösen Repräsentanten und Gläubigen, und erzeugt Gemeinschaftssinn für die chinesische Gesellschaft.“

Phayul, 3. August 2018

Nomaden wird Führerausweis für Motorräder verweigert
Nomaden im Bezirk Serthar, der im Osten Tibets liegt und als „Unruheregion“ bekannt ist, erhalten keine Führerausweise mehr für ihre Motorräder. Die Nomaden sind wegen der Abgelegenheit der Region dringend auf Motorräder angewiesen. Nun stellen die Behörden keine Dokumente mehr an Bewerber aus, und das mit fadenscheinigen Begründungen. Laut Informanten von RFA würde einmal behauptet, die Computer bei der ausstellenden Behörde würden nicht funktionieren, oder die Antragssteller würden gewisse Bedingungen nicht erfüllen. Manchmal würden die Schalter willkürlich schliessen, um keine Diskussionen mit abgelehnten Bewerbern aufkommen zu lassen. Ein Videoclip, der kurzzeitig in sozialen Medien kursierte, zeigt eine Gruppe zorniger Tibeter, die die Antragsdokumente und Einzahlungs-Quittungen für die Gebühr von umgerechnet Fr. 100 schwenken, während eine Frau hinter dem Schalter einer Polizeistation ruft, sie könne nichts für sie tun.

Radio Free Asia (RFA), 26. Juli 2018

Wieder werden tibetische Restaurants, Geschäfte und Gästehäuser am Koko-nor zerstört
Wie schon in den vergangenen Jahren werden in diesem Jahr wiederum Gebäude von Tibetern am Koko-nor (chin. Qinghai Lake) abgerissen [vergl. Tibet-Information vom 13. Mai und 26. Oktober 2015, 14. Juni 2016 und 26. Oktober 2017; UM]. Die Abrisse werden einmal mit „ökologischen Gründen“ gerechtfertigt, oder seien ohne Genehmigung errichtet, oder auch nur, weil diese die „schöne Aussicht“ auf den See störten.

Der Koko-nor ist unter Touristen sehr beliebt, und zahlreiche Tibeter haben Geld investiert, um vom Tourismus zu profitieren. Viele Tibeter sind hoch verschuldet, weil sie Darlehen von Banken oder Freunden aufgenommen haben, andere haben ihre Viehherden zur Finanzierung verkauft und stehen nun mittellos dar. Die Gebäude seien oft im guten Glauben errichtet worden, die Behörden würden es angesichts des Tourismus-Booms gutheissen, wenn noch mehr Restaurants, Gästehäuser oder Läden eröffneten.

Die Abrisse begannen Mitte Juli, und den Eigentümern sei gerade einmal Zeit gelassen worden, ihre persönliche Habe mitzunehmen. Ihnen würden harte Strafen angedroht, sollten sie sich dem Abriss widersetzen. Laut einem Informanten von RFA seien demnächst auch Abrisse der Privatunterkünfte von Tibetern geplant.

Radio Free Asia (RFA), 26. Juli 2018

 

23. Juli 2018
Mönche unter 15 Jahren müssen Kloster verlassen, Schülern werden während Sommerferien religiöse Aktivitäten verboten
Gemäss eines Regierungserlasses müssen aus mehreren Klöstern in der Region Kham im Osten Tibets Mönche unter 15 Jahren wieder austreten und werden zwangsweise in staatliche Schulen gesteckt. Von mehreren Klöstern in Dzachuka werden Wegweisungen von jungen Mönchen gemeldet, darunter am 10. Juli allein 200 im Kloster Dza Sershul. Ein Foto, das RFA zugespielt wurde, zeigt, wie die Mönche aus der Klosteranlage eskortiert werden. Den Klöstern wurde die Schliessung angedroht, sollten sie sich dieser Order widersetzen.

Ebenso verbot die Lokalregierung in Lhasa allen Schülern, während der demnächst beginnenden Sommerferien religiösen Aktivitäten nachzugehen. In einer Schule in Lhasa mussten die Eltern ein Dokument unterzeichnen, das mit «Richtlinien für die Sommerferien» betitelt ist, ohne dass sie eine Kopie davon erhielten. In dem Dokument werden die Eltern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie für das Verhalten ihrer Kinder verantwortlich sind. In Tibet gab es zahlreiche private Initiativen, die Kindern während der Sommer- oder Winterpause Unterricht in tibetischer Sprache, Kultur und Religion anboten; allerdings wurden diese Initiativen in den letzten Jahren immer mehr durch Verbote eingeschränkt.

Radio Free Asia (RFA), 10. Juli 2018
Phayul, 19. Juli 2018

Tibeter unterlaufen Verbote, den Geburtstag des Dalai Lama zu feiern
Trotz weitläufiger Verbote und Einschüchterungen haben Tibeter in mehreren Regionen den Geburtstag des Dalai Lama am 6. Juli feiern können.

Schon vor dem Geburtstag war in verschiedenen Städten von auffallender Präsenz von Sicherheitskräften berichtet worden. Dazu wurden Netzwerkadministratoren angewiesen, in sozialen Medien auf verdächtige Einträge zu «geheimen, internen Aktivitäten» zu achten und mögliche Verabredungen zu informellen Geburtstagsfeiern zu unterbinden.

Dennoch konnten sich vor allem in Qinghai und Gansu im Norden Tibets zahlreiche Menschen den Kontrollen entziehen und brachen zu privaten Feiern im Gras- und Weideland ausserhalb bewohnter Gebiete auf. Wiederum andere erklommen Hügel und Berge, verbrannten Weihrauch, assen nur vegetarische Speisen oder gaben Opfer dar. Ein Informant in Tsolho in Qinghai berichtete, dass trotz Zensur das soziale Netzwerk WeChat voller Glückwunschnachrichten war. Viele Tibeter hatten darauf ein Bild des jungen Dalai Lama mit Glückwünschen und Gedichten platziert, aber seinen Namen mit einem Akronym umschrieben, um den Filtern der Zensur zu entgehen.

Radio Free Asia (RFA), 10. Juli 2018

Tibeter müssen «patriotische Lieder» singen
Im Juni wurde überall in der sogenannten «Autonomen Region Tibet» eine neue Kampagne durchgeführt, die Familien dazu zwang, ein Familienmitglied zum Singen von patriotischen Liedern abzustellen. Diese mussten Lieder, in denen die Kommunistische Partei gepriesen wird, am 1. Juli, dem Gründungsdatum der Partei, an öffentlichen Anlässen vortragen. Für eine Verweigerung wurden Geldstrafen angedroht, die höchsten in Shigatse, der zweitgrössten Stadt in Tibet.

Ein Informant von RFA im Bezirk Choeshur berichtete, dass Funktionäre die Lieder einübten. Allerdings hätten mehrere Tibeter, die Analphabeten sind, die Texte nicht lesen können und um Dispens gebeten, was ihnen aber verweigert wurde. Die angedrohten Geldstrafen und der psychologische Druck, der auf sie ausgeübt wurde, sei unerträglich gewesen.

Radio Free Asia, 18. Juni 2018

Dorfbewohnern wird das Wasser abgegraben
Im Dorf Chumar in der Präfektur Tsoshar im Norden Tibets werden die Bewohner mit Drohungen davon abgehalten, sich gegen die Umleitung eines Flusses zu wehren. Das Wasser, das für die überwiegend landwirtschaftlich tätigen Bewohner essentiell ist, soll durch Umleitungen den Ländereien von Hui-Muslimen, die als regierungstreu gelten und nicht selten hohe Kaderpositionen innehalten, zugänglich gemacht werden. Keiner der Dorfbewohner sei vorab über die Erdarbeiten informiert worden, und niemandem wurde eine Kompensation angeboten.

Ein Video, das ins Ausland gelangte, zeigt, wie Bagger Kanäle zur Ableitung von Flusswasser anlegen. Daneben ist ein Banner aufgehängt mit dem Text «Verwende die Wasserresourcen gemäss dem Gesetz, unterstütze die lokalen Behörden gemäss dem Gesetz.» Dieser Spruch wurde von den Dorfbewohnern als verdeckte Drohung interpretiert, dass ihnen bei Protesten strenge Strafen drohen.

Phayul, 21. Juli 2018

 

10. Juli 2018
Nach dem 19. Volkskongress: wie die Kommunistische Partei den tibetischen Buddhismus kontrolliert
Der 19. Nationale Volkskongress im Oktober 2017 verabschiedete bahnbrechende Änderungen, wie die Verankerung der „Lehren“ von Präsident Xi Jinping in der chinesischen Verfassung, die ihn damit Mao Zedong gleich stellt, und eine Aufhebung der Amtszeitbegrenzung, so dass er theoretisch auf Lebenszeit im Amt bleiben kann. Nun ergibt sich auch ein Gesamtbild, wie die kommunistische Führung den tibetischen Buddhismus auf Dauer kontrollieren will.

Beim Volkskongress ging Xi Jinping in einer dreistündigen Marathon-Rede unter anderem auf die „Wiederbelebung“ der chinesischen Kultur ein, indem „fehlgeleitete Ideologien“ zurückgewiesen und Religionen, die „chinesische Orientierung“ haben, gefördert werden sollen.

Was das für Tibet bedeutet, zeigte sich kurz darauf. Direkt nach Abschluss des Volkskongresses wurden 20‘000 Kader in selbst die entlegensten tibetischen Dörfer entsandt, um die Einwohner über die Beschlüsse zu informieren. Dazu wurden nochmals 7‘000 Parteimitglieder aufgrund ihrer Loyalität zur Partei aus der lokalen Bevölkerung aufgeboten und permanent in Klöstern stationiert, um die Beschlüsse aus Beijing unter den Mönchen und Nonnen zu verbreiten.

Dem Entsenden von Kadern folgte eine Flut von neuen Dekreten. Mönche und Nonnen müssen nun „zentrale Werte“ des Sozialismus lernen. In Lithang wurden Mönche aus Klöstern weggewiesen, und ihnen wurde ferner jegliches Lehren des Buddhismus untersagt [vergl. Tibet-Information vom 9. Mai 2018; UM]. Eltern, die ihre Kinder zu buddhistischen Unterweisungen in Klöster schicken, wurden unter Druck gesetzt. Mönche und Nonnen müssen nicht nur die Lehren des Sozialismus über sich ergehen lassen, sondern werden auch noch darüber geprüft. Mehrere hundert Mönche der grossen Klöster Ganden, Sera und Drepung mussten eine Prüfung über die Inhalte des Marxismus, die „Lehren“ von Xi Jinping über den „Sozialismus mit chinesischer Charakteristik der Neuen Ära“ und die Verfassungsänderungen ablegen. Auch sonst in Tibet gibt es in religiösen Vereinigungen zahlreiche Vorträge von Parteikadern, Polizisten und Richtern, die mit Prüfungen enden. Die offizielle Zeitung „Tibet Daily“ berichtete von 25‘000 Geprüften, von denen 95% bestanden hätten.

Mehrere Klöster im osttibetischen Bezirk Themchen wurden zu einem „Wettbewerb“ aufgeboten. Sie wurden bewertet gemäss ihrem Wissensstand in Politik, Recht und „patriotischer Erziehung“ und erhielten dafür Preise.

Ein anonymer Informant von Free Tibet Campaign nannte diese Kampagne in ihrer Grösse „beispielslos“ seit 1949, dem Jahr der Invasion.

Free Tibet Campaign, 6. Juli 2018

Flüchtlingsstrom aus Tibet versiegt
Ein Bericht von Voice of America aus dem Tibetischen Empfangszentrum in Dharamsala, Indien, schildert die Folgen des erheblichen Rückgangs von Flüchtlingen. Kamen vor 10 Jahren noch 2‘500 Flüchtlinge aus Tibet dort an, so waren es im letzten Jahr gerade noch 80, und seit Anfang diesen Jahres nur noch 2 Flüchtlinge. Die Gründe für diesen Rückgang sind verschärfte Grenzkontrollen auch während der Winterzeit, in der viele Tibeter flohen, strengere Überwachung der Grenzregionen, sowie massive Einschränkungen der Bewegungsfreiheit innerhalb Tibets.

Das führt dazu, dass ausführliche und aktuelle Informationen aus Tibet aus erster Hand kaum mehr verfügbar sind. Die für die Aufnahme von Flüchtlingen errichtete Infrastruktur im Exil, wie Schulen, Klöster und Kulturzentren, die Kunst und Handwerk vermitteln, stehen leer. Und auch aus dem Exil in Indien wenden sich viele Tibeter ab und suchen ihr Heil in den Industrieländern, weil es in Indien extrem schwer ist, Arbeit zu finden.

Voice of America, 4. Juli 2018

 

26. Juni 2018
Schulungen zur politischen Indoktrinierung
Laut einem Bericht der Washington Post verstärkt China seine politische Indoktrinierung für Mönche und Laien mittels formeller «Schulungen». Die offizielle Homepage der Regierung der „Autonomen Region Tibet“ berichtete Anfang Juni, dass 35 Amtsträger für ein „Training“ nach Suzhou reisten. Ebenso musste eine nicht genau genannte Zahl von Mönchen und Nonnen für ein dreitägiges Training nach Lhasa kommen, um – so die offizielle Mitteilung – „verlässlicher in der Politik zu werden und einen klaren Standpunkt einzunehmen“. Ein chinesischer Funktionär wurde von der parteieigenen Zeitung Global Times zitiert, dass diese Trainings zusammen mit den vorgeschriebenen Schulungen in den Klöstern dazu dienen, die „Fähigkeiten der Amtsträger speziell in Regionen zu verbessern“, die „die Dalai-Clique penetrieren will“.

Parallel dazu wurden landesweit Schulungen organisiert, um die geänderte Verfassung zu studieren. Diese erhebt die Lehren von Präsident und Parteivorsitzendem Xi Jinping auf die gleiche Ebene wie die von Mao Zedong und verleiht ihm sein Amt auf Lebenszeit.

Washington Post, 6. Juni 2018

Spion in Schweden verurteilt
Ein Tibeter, der in Schweden im Auftrag Chinas die dortige exil-tibetische Gemeinschaft ausspioniert haben sollte, wurde zu einer Haftstrafe von 22 Monaten verurteilt. Der 49-jährige Tibeter Dorje Gyaltsen wurde bereits im Februar 2017 verhaftet und nun von einem Bezirksgericht wegen „Spionage“ für schuldig befunden [vergl. Tibet-Information vom 21. April 2018; UM].

Das Gericht bezichtigte ihn, von Juli 2015 bis zu seiner Verhaftung durch die Spionage «grossen Schaden für die Tibeter in Schweden und im Ausland» verursacht zu haben. Er habe sich mehrfach mit einem chinesischen Verbindungsoffizier in Polen getroffen, um Informationen über tibetische Familien in Schweden, deren politische Aktivitäten, Treffen und Reisen zu übermitteln. Dafür habe er umgerechnet etwa Fr. 6'000 Belohnung erhalten.

Der Verteidiger von Dorje Gyaltsen teilte mit, dass sein Mandant sich keiner Schuld bewusst sei; er habe nicht gewusst, dass es sich bei seinem Partner in Polen um einen Geheimdienstoffizier handelte.

National Post, 15. Juni 2018

Brand im Jokhang-Tempel: mehr Schaden als offiziell zugegeben?
Am 17. Februar kam es zu einem Brand im Jokhang-Tempel [vergl. Tibet-Information vom 21. Februar 2018; UM]. Zunächst kursierten einige Videos in sozialen Medien, die Rauchwolken über dem Dach zeigten. Kurz darauf wurden alle Berichte, Fotos und Videos in sozialen Medien von den Zensoren gelöscht, Mönchen und Nonnen zum Schweigen verpflichtet, und die Funktionen für Weiterleiten und Kommentieren in sozialen Medien deaktiviert. Die Staatsmedien berichteten nur, dass der Brand prompt gelöscht wurde und es keine Verletzten gab. Die Ursache des Brandes und das Ausmass der Schäden bleiben unklar. Der aus dem 7. Jahrhundert stammende Jokhang gilt als der heiligste Tempel in Tibet. Er ist grösstenteils aus Holz gebaut und sehr verwinkelt.

Die Free Tibet Campaign in London veröffentlichte nun, vor der Sitzung der Welterbe-Kommission der UN, die sich damit befassen will, einen Bericht. Dieser zeigt auf, dass die Schäden möglicherweise weitaus gravierender sind als von China zugegeben. Für diesen Bericht zieht Free Tibet Campaign Satellitenaufnahmen heran. Bereist früher hatte diese Organisation anhand von Satellitenaufnahmen das Ausmass der Zerstörungen in der buddhistischen Akademie Larung Gar aufzeigen können [vergl. Tibet-Information vom 26. Oktober 2017; UM].

Das Feuer brach offenbar in der Kapelle für Jowo Rinpoche, die aus dem 7. Jahrhundert stammende heiligste Statue in Tibet, aus, und wurde erst nach mehr als eineinhalb Stunden gelöscht. Nach regierungsoffziellen Angaben wurde der Brand von einer Belüftungsanlage verursacht, habe aber keine nenneswerten Schäden angerichtet. Die offiziellen Angaben sind widersprüchlich. Laut der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua brannte es auf einer Fläche von 50 m2. Diese Fläche wäre aber grösser als jede der einzelnen Kapellen. Hingegen zeigen Satellitenaufnahmen das beschädigte Dach einer Kapelle. Gläubige und Touristen wurden am Tag nach dem Brand wieder in den Jokhang eingelassen, um «Normalität» zu dokumentieren, aber niemand wurde der Zutritt in die Nähe des Brandortes gestattet.

Die Satellitenaufnahmen von Free Tibet Campaign, die eine Woche nach dem Brand aufgezeichnet wurden, zeigen, dass die Schadensfläche etwa dreimal so gross ist wie in den Staatsmedien angegeben. Es ist allerdings unklar, wie tief der Brandschaden in die Kapelle von Jowo Rinpoche reichte. Selbst die Bilder, die von den staatlichen Medien herausgegeben wurden, wecken Sorge über grosse Schäden. Hinter der Statue von Jowo Rinpoche sind nun gelbe Tücher angebracht, die es vorher nicht gab. Die Tücher verdecken die Statuen und Wand dahinter, und die Krone von Jowo Rinpoche sei verändert. Laut Augenzeugen sollen die Krone und die Gewänder der Statue vom Feuer zerstört worden sein. Dazu habe der Brand daneben gelegene Objekte massiv beschädigt. Mönche hätten die ganze Nacht nach dem Brand gearbeitet, um die schlimmsten Schäden zu beseitigen oder zu verdecken, damit am nächsten Tag die Besucher nichts bemerkten.

Free Tibet Campaign, 22. Juni 2018

 

31. Mai 2018
Tibeter nach Protesten gegen Abbau von Bodenschätzen verhaftet
Im Bezirk Driru in der tibetischen Präfektur Nagqu wurden 30 Tibeter verhaftet, die sich gegen den Abbau von Bodenschätzen wehrten. Die Arbeiten sollten an einem den lokalen Einwohnern heiligen Berg, Sebtra Dzagen, beginnen. Dieser Berg ist eine Pilgerstätte und Heimat von mehreren seltenen Tierarten.

Laut Informanten von RFA wurden im Februar die dort lebenden Tibeter von Funktionären gezwungen, mit ihrer Unterschrift ihr Einverständnis für die Arbeiten zu geben. Ein Dorfvorsteher verweigerte seine Unterschrift und ist seitdem in Haft und für Angehörige nicht erreichbar. Im März wurde begonnen, das Areal für die Unterkünfte der Bergarbeiter mit roten Fahnen zu markieren.

Nachdem Nachrichten über die Proteste in Driru das Ausland erreicht hatten, rückte die Polizei aus, um 30 Tibeter als angebliche „Informanten“ zu verhaften. Angeblich wurden alle verhafteten Tibeter misshandelt, wobei sich die Sicherheitskräfte auf diejenigen konzentrierten, die Verwandte oder Bekannte in Indien haben. Das Mobilfunknetz und das Internet sind in Driru seit den Verhaftungen blockiert.

Der Bezirk Driru war in den letzten fünf Jahren mehrfach Schauplatz von Protesten gegen erzwungene Loyalitätsbekundungen für China, „Umerziehungskampagnen“, den Abbau von Bodenschätzen und von Selbstverbrennungen.

Radio Free Asia (RFA), 27. April 2018

Tibeter müssen Weideland für Tourismusprojekt hergeben
Etwa 60 Nomadenfamilien appellieren an die Bezirksregierung in Nyemo, ihnen konfisziertes Weideland zurückzugeben, um ihren Lebensunterhalt nicht zu gefährden. Im dem westlich von Lhasa gelegenen Dorf Lhadul, Bezirk Nyemo, war bereits vorher Weideland der Nomaden umzäunt worden, um es in Ackeland umzuwandeln. Nachdem dort aber keine Erträge erzielt werden konnten, soll das Land nun für ein Tourismusprojekt genutzt werden.

Bereits in früheren Jahren beklagten die Nomaden, dass die Umzäunung von Weideland zum Sterben von Schafen und Ziegen geführt hat. Entscheidungen wie diese werden von Dorf- und Bezirksvorstehern getroffen, die von der Kommunistischen Partei ernannt sind. Die Behörden halten Tibeter von Kadern fern, die die jeweiligen Gebiete besuchen, damit sie sich nicht direkt bei ihnen beschweren können. Nicht selten sind die Tibeter von Haft bedroht, wenn sie sich dennoch an die Kader wenden. Daher haben sich die betroffenen Familien in Nyemo dazu entschieden, ihren Protest und Appell in einem Video festzuhalten, das RFA zugespielt wurde.

Radio Free Asia (RFA), 14. Mai 2018

Fünf Jahre Haft für ein Zeitungsinterview
Ein tibetischer Geschäftsmann in Yushu, in der heutigen Provinz Qinghai, wurde zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er sich in einem Zeitungsinterview für die New York Times für den Erhalt der tibetischen Sprache eingesetzt hatte. Das Interview mit einem Video-Statement von Tashi Wangchuk war Ende 2015 von der New York Times veröffentlicht worden. Zwei Monate später wurde er verhaftet. Die Gerichtsverhandlung fand im Januar 2018 statt, und die Haftstrafe wurde wegen „Anstiftung zum Separatismus“ verhängt. Zwar hatte Tashi Wangchuk zwei chinesische Strafverteidiger, diese wurden aber nicht zur Gerichtsverhandlung zugelassen. Lediglich zwei Familienmitglieder durften dazu erscheinen.

Das neunminütige Video der New York Times zeigt ihn auch, wie er nach Beijing reist, und vergeblich ein Gerichtsurteil erwirken will, das Offizielle in Yushu dazu zwingen soll, sich für die tibetische Sprache einzusetzen. Erfolglos war auch sein Versuch, im staatlichen Fernsehsender CCTV Gehör zu finden. Tashi Wangchuk sagte sowohl gegenüber der New York Times als auch vor Gericht, dass er nicht die Unabhängigkeit Tibets anstrebe, sondern lediglich die Förderung des tibetischen Sprachunterrichts für Kinder. Verhängnisvoll war möglicherweise eine Stellungnahme von ihm, als er von „systematischem Mord an unserer Kultur“ sprach. Dieses könnte als strafrechtlich relevanter Tatbestand ausgelegt worden sein.

Tashi Wangchuk, 33 Jahre alt, hatte zunächst für drei Jahre in einem Kloster buddhistische Studien betrieben, bevor er in Yushu ein Geschäft eröffnete. Später erweiterte er es mit einem Online-Angebot. Die chinesische Online-Firma Alibaba porträtierte ihn 2014 sogar in einem Vido als Musterbeispiel für erfolgreiches Unternehmertum.

Radio Free Asia, 22. Mai 2018

GAP muss sich für fehlerhafte Landkarte entschuldigen
Nun hat es auch die amerikanische Modekette GAP erwischt. Nach Protesten und Drohungen gegen zahlreiche ausländische Konzerne wegen falscher Länderlisten oder einem Dalai-Lama-Zitat von Mercedes Benz [vergl. Tibet-Information vom 23. Januar und 8. Februar 2018; UM] muss sich GAP für eine fehlerhafte Landkarte auf einem T-Shirt entschuldigen. Das Corpus Delicti wurde nicht in China, sondern im Ausland angeboten und zeigt auf der aufgedruckten chinesischen Landkarte weder Taiwan noch die von China beanspruchten Inseln im südchinesischen Meer. Das führte zu wütenden Kommentaren in sozialen Medien.

GAP nahm darauf das T-Shirt aus dem Handel und entschuldigte sich offiziell. Man werde künftig die Produkte „gründlich prüfen“, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholten. Wörtlich sagte GAP: „GAP Inc. respektiert die staatliche Eigenständigkeit und die territoriale Integrität Chinas… Wir entschuldigen uns aufrichtig für diesen unabsichtlichen Fehler.“

Tiroler Tageszeitung, 15. Mai 2018
Kurier, 15. Mai 2018

 

9. Mai 2018
Tibeter nach Protesten gegen Abbau von Bodenschätzen verhaftet
Im Bezirk Driru in der tibetischen Präfektur Nagqu wurden 30 Tibeter verhaftet, die sich gegen den Abbau von Bodenschätzen wehrten. Die Arbeiten sollten an einem den lokalen Einwohnern heiligen Berg, Sebtra Dzagen, beginnen. Dieser Berg ist eine Pilgerstätte und Heimat von mehreren seltenen Tierarten.

Laut Informanten von RFA wurden im Februar die dort lebenden Tibeter von Funktionären gezwungen, mit ihrer Unterschrift ihr Einverständnis für die Arbeiten zu geben. Ein Dorfvorsteher verweigerte seine Unterschrift und ist seitdem in Haft und für Angehörige nicht erreichbar. Im März wurde begonnen, das Areal für die Unterkünfte der Bergarbeiter mit roten Fahnen zu markieren.

Nachdem Nachrichten über die Proteste in Driru das Ausland erreicht hatten, rückte die Polizei aus, um 30 Tibeter als angebliche „Informanten“ zu verhaften. Angeblich wurden alle verhafteten Tibeter misshandelt, wobei sich die Sicherheitskräfte auf diejenigen konzentrierten, die Verwandte oder Bekannte in Indien haben. Das Mobilfunknetz und das Internet sind in Driru seit den Verhaftungen blockiert.

Der Bezirk Driru war in den letzten fünf Jahren mehrfach Schauplatz von Protesten gegen erzwungene Loyalitätsbekundungen für China, „Umerziehungskampagnen“, den Abbau von Bodenschätzen und von Selbstverbrennungen.

Radio Free Asia (RFA), 27. April 2018

Welle von Restriktionen in Lithang
Wie Tibet Watch berichtet, sind in Lithang im Südosten Tibets in denvergangenen Monaten zahlreiche Regelungen implementiert worden, die das religiöse und kulturelle Leben stark einschränken.

Aus dem Kloster Lithang wurden ältere Mönche zwangsweise weggewiesen, und es wurde ihnen verboten, im Kloster oder in den umgebenden Ortschaften religiöse Unterweisungen abzuhalten. Ebenso wurden junge Novizen aus dem Kloster weggewiesen, damit sie stattdessen lokale staatliche Schulen besuchen. Etliche Eltern wurden massiv unter Druck gesetzt, damit ihre Kinder das Kloster verlassen. Das Kloster Lithang hat in der Region einen guten Ruf für Unterricht in tibetischer Grammatik und Literatur, so dass während der Winterferien viele Kinder freiwillig die Lehrveranstaltungen besuchten.

Weiterhin mussten mehrere Pferderennen, für die Lithang bekannt ist, auf Veranlassung der Behörden abgesagt werden. Einige prominente Reiter seien sogar verhaftet und misshandelt worden. Auch wurde von den Behörden ohne Kompensation an die tibetischen Inhaber ein grosses Stück Land zwangsweise konfisizert, angeblich um dort Bäume zu pflanzen.

Tibet Watch, 4. Mai 2018

 

21. April 2018
Geldprämien für Informanten über «kriminelle Vereinigungen»
Das Büro für Öffentliche Sicherheit (PSB) hat im Bezirk Nagchu Geldprämien für Informanten ausgelobt, die ihnen Aktivitäten sogenannter „krimineller Vereinigungen“ übermitteln. Mit letzterem werden oft Personen oder Vereinigungen umschrieben, die „separatistischen Aktivitäten“ nachgehen. Diese Mitteilung folgt auf eine ähnliche Order von Februar 2018, die die Bevölkerung aufruft, der Polizei alle Personen zu melden, die den Dalai Lama und seine „üblen Gefolgsleute“ unterstützen [vergl. Tibet-Information vom 21. Februar 2018; UM].

In einem mit 13. März 2018 datierten Dokument verspricht das PSB allen Informanten über „kriminelle Vereinigungen“ eine beträchtliche Prämie von umgerechnet etwa Fr. 15‘000. Etwa die Hälfte dieser Prämie wird auch versprochen für das Melden von Aktivitäten unter anderem über „den Missbrauch der Religion“, womit sich jegliche nicht staatliche erwünschte Aktivitäten in Klöstern sanktionieren liessen. Weitere Vergehen, deren Meldung belohnt wird, sind laut dem RFA vorliegenden Dokument Spendensammlungen und Aktivitäten für den Umweltschutz.

Das im Februar publizierte Dokument des PSB hatte bereits Klöster als Orte identifiziert, die „die Religion dazu benutzen, die Massen zum Widerstand gegen die Kommunistische Partei und die Regierung anzustacheln.“ Personen, die den Erhalt der tibetischen Kultur und Sprache unterstützen, seien „reaktionär und engstirnig nationalistisch“. Explizit wird gewarnt vor Kontakten mit dem Umkreis des Dalai Lama und den „feindlichen ausländischen Kräften“, die ihn unterstützen.

Radio Free Asia (RFA), 4. April 2018

Tibetische Pilger nach Rückkehr aus Indien und Nepal verhaftet, Strafen für Pilger
Im März wurde eine grössere Gruppe von tibetischen Pilgern an der Grenze verhaftet, die von einer Pilgerreise zu heiligen Stätten in Indien und Nepal zurückkehrten. Etwa 60 Pilger, die aus der Präfektur Kardze stammen, sind laut Informationen von Tibet Watch nach ihrer Verhaftung geschlagen und einem „Umerziehungsprogramm“ unterzogen worden. Alle hätten gültige Pässe und Visa besessen und hätten lediglich mehrere heilige Orte besucht.

Bereits im Januar wurden Tibeter unter Androhung von Strafen aus dem benachbarten Ausland zurückgerufen, weil die Behörden glaubten, sie würden an den Belehrungen des Dalai Lama im indischen Bodhgaya teilnehmen [vergl. Tibet-Information vom 8. Februar 2018; UM].

Unterdessen wurde auch bekannt, dass Behörden in den osttibetischen Orten Lhagong and Dartsedo alle Tibeter bestrafen, die Mani-Steine anfertigen oder buddhistische Mantras auf Steine und Felswände gravieren. Tibeter, die zu Fuss nach Lhasa pilgern wollen, werden mit Yuan 3‘000 (umgerechnet etwa Fr. 500) pro Tag gebüsst.

Tibet Watch, 22. März 2018
Inszenierte «Geständnisse» in chinesischen Staatsmedien
Die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders hat in einem umfassenden Bericht die chinesische Praxis kritisiert, Angeklagte zu inszenierten „Geständnissen“ zu zwingen, die dann im staatlich kontrollierten Fernsehen gezeigt werden.

Betroffen sind nicht nur Häftlinge, die wegen verschiedener Vergehen wie Betrug, Drogenmissbrauch oder Drogenhandel, „Terrorismus“ und „anti-chinesischer Aktivitäten“ angeklagt sind, sondern auch Menschenrechtsaktivisten, Strafverteidiger und Journalisten. Der Bericht von Safeguard Defenders basiert auf der Auswertung von insgesamt 45 im Fernsehen gezeigten „Geständnissen“. Die Angeklagten würden nicht selten dazu gezwungen, zur Steigerung des Effekts zu weinen. Die Auftritte würden teilweise stundenlang geprobt, bis sie in der gewünschten Weise aufgezeichnet werden können.

Der Bericht schliesst mit der Forderung, Exponenten der chinesischen Staatsmedien mit Vermögensarrest oder Reiseverboten zu sanktionieren. Der Europäische Gerichtshof hat vor fünf Jahren beispielsweise derartige Sanktionen gegen die iranische Agentur Press TV erlassen, die ebenfalls erpresste „Geständnisse“ im Fernsehen übertrug. Einige Satellitenkanäle entfernten danach Press TV wegen „flagranter Verletzungen der Freiheit der Rede“ aus ihrem Service

Globe and Mail, 10. April 2018

Spion in Schweden verhaftet
Die Staatsanwaltschaft in Stockholm hat eine Person verhaftet und unter Anklage gestellt, die tibetische Flüchtlinge in Schweden ausspioniert haben soll. Über die Identitiät der Person machte der Staatsanwalt keine weiteren Angaben. Der Spion soll Informationen über die häusliche und finanzielle Situation sowie die politischen Aktivitäten von in Schweden lebenden Tibetern beschafft haben. Diese hätte er dann an einen chinesischen Agenten weitergegeben.

In Schweden leben insgesamt 130 Tibeterinnen und Tibeter. Die chinesische Botschaft in Stockholm gab gegenüber Reuters keinen Kommentar ab.

Reuters, 11. April 2018

 

3. April 2018
Verbrennungsöfen sollen Niederschläge in Tibet vermehren
China plant den Bau von tausenden von Verbrennungsöfen in Tibet, um dort die Niederschlagsmenge zu steigern. Laut Prognosen soll Tibet wegen der Klimaerwärmung über die nächsten Jahrzehnte eine Dürreperiode bevorstehen. Nun wird getestet, ob die Verbrennungsöfen, die an den steilen Südhängen des Himalaya stationiert werden sollen, die feuchten Monsunwinde von Süden zum vermehrten Abregnen in Tibet bringen könnten. Die Öfen sollen mit festem Brennmaterial gespeist werden und Silberjodid-Partikel in die Atmosphäre ausstossen. Die kristallinen Partikel binden dann Wassertropfen in der Luft und führen zum Regnen. Diese Technologie wurde punktuell schon oft eingesetzt, so zum Beispiel, um bei den Olympischen Spielen in Beijing 2008 Wolken zum Abregnen zu bringen, bevor sie die Wettkämpfe stören konnten. Allerdings wurden hier die Partikel von Flugzeugen ausgestreut.

Die Technologie wurde aus dem chinesischen Verteidigungsprogramm entlehnt. Das Militär nicht nur in China, sondern auch in Russland und den USA, entwickelt schon länger Methoden zum künstlichen Regen, um bei Feinden Naturkatastrophen auszulösen. Die grosse Herausforderung in Tibet bestand darin, Verbrennungsöfen zu entwickeln, die über lange Zeit auch in der dünnen Höhenluft funktionieren. Diese Hürde sei nun genommen, sagte ein ungenannter Forscher in der Chinese Aerospace and Technology Corporation; diese staatliche Behörde ist auch verantwortlich für Chinas Raumfahrt- und Rüstungsprogramme.

Die Verbrennungsöfen könnten die jährliche Niederschlagsmenge um 10 Milliarden Kubikmeter steigern, das sind 7% von Chinas jährlichem Wasserverbrauch. Wenn die Öfen wie geplant auf den südlichen Steilhängen positioniert werden, könnten sie die Silberjodid-Partikel über 1000 Meter in die Höhe schiessen und eine Fläche von 1.6 Millionen Quadratkilometern, im Vergleich etwa das dreifache von Spanien, mit Regen versorgen.

Bisher sind etwa 500 Öfen im Probelauf getestet, angeblich mit Erfolg. Die Technologie sei soweit entwickelt, dass sich die Öfen computergesteuert über das Internet mit Daten aus 30 Wettersatelliten regulieren liessen. Nicht alle sind begeistert; einzelne chinesische Wissenschaftler warnen auch, dass sich das Wetter nicht so einfach steuern lasse und die Öfen möglicherweise weiter nördlich noch mehr Dürre erzeugen.

South China Morning Post, 26. März 2018

Morddrohungen für Sympathie mit «ethnischen Minderheiten»
Angehörige sogenannter «Minderheiten» in China sehen sich immer mehr Misstrauen, Diskriminierung und sogar Drohungen ausgesetzt. Schon seit Längerem gibt es Berichte, dass Gästehäuser Reisende abweisen oder zumindest verstärkt überwachen, wenn diese tibetischer oder uigurischer Nationalität sind.

Kürzlich wurde der Fall einer 23-jährigen Lehrerin für Englisch bekannt, die sich auf einer Internet-Plattform über die Behandlung in einer chinesischen Jugendherberge beschwerte. Aufgrund ihres Ausweises, der sie mit Herkunft in der Inneren Mongolei identifizierte, wurde ihr die Übernachtung verweigert. Die lokale Polizei verbiete die Aufnahme, wenn sie aus der Inneren Mongolei, Tibet oder Xinjiang käme, hiess es an der Reception. „Wie lächerlich ist dieses Land,“ fragte sie, „wenn es die Bürger mit der einen Hand fragt, es zu lieben, und sie mit der anderen Hand sticht?“

Dieser Beitrag, der wie viele andere Diskussionen über „nationale Minderheiten“ von den Zensoren rasch gelöscht wurde, provozierte in kurzer Zeit über 4‘000 Kommentare mit Beschimpfungen bis hin zu Todesdrohungen. „Meine Landsleute starben durch das Messer oder Explosionen…also ist es mir egal, wie man euch behandelt…alle Angehörigen anderer Ethnien sollten sterben,“ schrieb einer. „Hast du dir überlegt, dass es genau diese Terroristen sind, die du unterstützt? Wenn du mit ihnen sterben willst, dann mache es doch,“ schrieb ein weiterer.

Viele Chinesen sind der Meinung, dass man die oft undankbaren „Minderheiten“ noch viel zu gut behandle. Beispielhaft zitierte die Lehrerin einen Kommentar, der sie als „Dorfhexe“ bezeichnete, die „verdorben“ sei und ein „viel zu gutes Leben“ führe. Ein anderer bemerkte, sie könne nur „wie ein verrückter Hund“ bellen.

Behörden würden inzwischen Spitzel auf Uiguren ansetzen, um zu sehen, ob diese ein Kopftuch tragen, im Koran lesen oder beten, bemerkte die betroffene Lehrerin.

Während dessen rühmt sich das offizielle China wegen seiner ethnischen Vielfalt. Ein Sprecher des Aussenministeriums sagte kürzlich, „China hat sich immer jeder Form von Rassendiskrimination widersetzt“. Die Reporter von Globe and Mail baten in China mehrere Experten für Soziologie und religiöse Studien um Stellungnahme zu diesem Fall; niemand von ihnen antwortete.

The Globe and Mail, 26. März 2018

 

12. März 2018
Erste Selbstverbrennung in diesem Jahr
Am 7. März zündete sich der 44-jährige Tsekho Tukchak in der Ortschaft Meruma im Bezirk Ngaba an und starb auf der Stelle. Während er in Flammen stand, rief er nach Berichten von Augenzeugen „Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama“. Er hinterlässt Frau und zwei Töchter.

Insgesamt ist es die 153. Selbstverbrennung in Tibet. Die Ortschaft Meruma in der Unruheregion Ngaba war bereits mehrfach seit 2015 Schauplatz von Selbstverbrennungen.

Tsekho Tukchak war zunächst Mönch im Kloster Namtso nahe Meruma, bevor er heiratete. Nach Berichten von Personen, die ihn kannten, habe Tsekho Tukchak sehr aufmerksam politische Ereignisse in Tibet verfolgt, und man habe ihn oft in Teehäusern oder auf dem Markt mit anderen diskutieren gesehen. In der Region war er sehr bekannt und genoss hohes Ansehen. Noch wenige Tage vor seiner Selbstverbrennung habe er sich kritisch zur Situation in Tibet geäussert. Die Nachricht von seinem Tod habe sich entsprechend schnell verbreitet, und man habe viele Tibeter für ihn beten sehen.

Ein Halbbruder von ihm, ebenfalls Mönch im Kloster Namtso, starb an den Folgen von Haft. Er wurde während der Unruhen 2008 verhaftet und derart schwer misshandelt, dass er kurz nach seiner Haftentlassung daran starb. Sein Schicksal wurde wegen der strengen Zensur von Nachrichten aus der Region erst jetzt bekannt. Ein weiterer Halbbruder wurde ebenfalls während der Unruhen verhaftet und sitzt angeblich noch in Haft, ohne dass weitere Details bekannt sind.

Radio Free Asia, 7. März 2018
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD, 8. März 2018

Entschuldigt sich nun auch der Deutsche Fussball-Bund (DFB) in China?
Am 19. November kam es zu einem Eklat beim Fussballspiel des deutschen Viertligisten TSV Schott Mainz mit der chinesischen U20-Nationalmannschaft. Eine Handvoll Tibet-Aktivisten hatte auf den Zuschauerrängen Tibet-Flaggen entrollt. Darauf weigerte sich die chinesische Auswahl, das Spiel fortzusetzten. Nach längerem Unterbruch wurde das Spiel fortgesetzt, nachdem die Flaggen eingerollt worden waren. China protestierete wütend gegen die „antichinesischen Aktivitäten“ und forderte den DFB auf, weitere Aktionen bei Spielen der U20-Mannschaft zu verhindern. Der DFB dagegen wies China auf die Meinungsfreiheit hin. Nachdem zunächst ein weiteres Spiel abgesagt wurde, entschloss sich China schliesslich, die Mannschaft endgültig zurückzurufen und verzichtete auf weitere Spiele.

Die Tournee war ein Kooperationsprojekt, bei dem die chinesische U20-Auswahl auf das Fussballturnier bei der Olympiade 2020 in Tokyo vorbereite werden sollte. Es waren mehrere Begegnungen mit deutschen Viertligisten geplant, die gerade spielfrei hatten und dafür je EURO 15‘000 vom DFB erhalten sollten.

In der vergangenen Woche reiste eine DFF-Delegation, angeführt von Generalsekretär Friedrich Curtius nach Beijing. Dort sollte eine Vereinbarung mit dem Online-Medienpartner NetEase unterzeichnet werden. Nach Informationen der deutschen Zeitung WirtschaftsWoche soll dieses aber nicht der einzige Anlass der Reise gewesen sein, sondern Profivereine hätten den DFB dazu gedrängt, sich in China für die Aktion formell zu entschuldigen.

Vor allem die Bundesligavereine Borussia Dortmund, FC Bayern München und VfL Wolfsburg, die sehr intensive Marketingaktivitäten in China planen oder unterhalten, hätten darauf gedrängt. Angeblich hätten ihnen die chinesischen Geschäftspartner mit der Kündigung von Marketingvereinbarungen gedroht. Der DFB dementierte diese Meldungen hingegen.

WirtschaftsWoche, 8. März 2018

 

21. Februar 2018
Denunziation: Unterstützer des Dalai Lama sind „Gangster“ und müssen der Polizei gemeldet werden
In einem Memorandum des Büros für Öffentliche Sicherheit werden Tibeter aufgefordert, der Polizei alle Personen zu melden, die den Dalai Lama und seine „üblen Gefolgsleute“ unterstützen. Für die Meldung wurde ihnen Anonymität zugesichert. Das Memorandum nennt die Unterstützer eine „kriminelle Bande von separatistischen Kräften.“ Diese wirkten „wie eine Krebserkrankung für eine gesunde wirtschaftliche und soziale Entwicklung; ... eine chronische Krankheit, die die Öffentlichkeit anekelt.“ Besondere Aufmerksamkeit scheint Personen zu gelten, die in Tibet Geldspenden für den Dalai Lama sammeln. Diese „kriminelle Banden“ würden illegal handeln und die Öffentlichkeit zu Spenden zwingen.

Die Parteizeitung „Global Times“ doppelte nach und schrieb, diese „Gangster“ würden „die Stabilität der Gesellschaft bedrohen und die Politik infiltrieren“, um unter dem „Deckmantel von Religion ethnischen Extremismus anzustacheln.“ Die chinesische Regierung sei „entschieden gegen alle sezessionistischen Aktivitäten der Rädelsführer der Dalai-Lama-Clique in jedem Land, in jeder Form, unter jedwedem Namen“, und lehne „jegliche Kontakte von ausländischen Offiziellen mit den Anführern der Clique ab.“

The Times, 12. Februar 2018

Zensur (1): Theaterstück über Tibet in London abgesetzt
Der preisgekrönte Dramaturg Abhishek Majumdar hat das Royal Court Theatre in London beschuldigt, sein Theaterstück „Pah-la“ aus Angst vor Reaktionen aus China abgesetzt zu haben. Das Stück resultierte aus einem Workshop des Theaters und beinhaltete auch einen Studienaufenthalt des Autors in Indien, wo er Tibeter im Exil traf. Das Stück zeigt Szenen aus deren Leben im Exil und sollte eigentlich von Anfang Oktober bis Anfang November 2017 aufgeführt werden.

Zur gleichen Zeit lief jedoch ein vom British Council und Royal Court Theater in Beijing finanziertes Künstlerprogramm. Majumdar verdächtigte den British Council, das Theater zur Absetzung gedrängt zu haben.

Der Royal Court stritt ab, dass politische Gründe zur Absetzung führten, sondern dieses sei aus „finanziellen Erwägungen“ geschehen,  fügte dann aber doch schuldbewusst hinzu, dass man für die „Freiheit der Rede“ eintrete, dieses aber „in einem internationalen Kontext“ mitunter schwierig sei.

Scroll.in, 5. Februar 2018

Zensur (2): Berichte über Brand im Jokhang-Tempel unterdrückt
Am 17. Februar brach ein Feuer im Jokhang-Tempel in Lhasa aus. Zunächst kursierten einige Videos in sozialen Medien, wie zum Beispiel auf Weibo (dem chinesischen Pendant zu Twitter), die Rauchwolken über dem Dach zeigten.

Kurz darauf wurden alle Berichte auf Weibo von den Zensoren gelöscht und die Funktionen für Weiterleiten und Kommentieren deaktiviert. Die Staatsmedien berichteten nur, dass der Brand prompt gelöscht wurde und es keine Verletzten gab.

Die Ursache des Brandes und das Ausmass der Schäden bleibt unklar. Der aus dem 7. Jahrhundert stammende Jokhang gilt als der heiligste Tempel in Tibet. Er ist grösstenteils aus Holz gebaut und sehr verwinkelt. Ein CNN-Team, das für einen Bericht über den Tempel vor zwei Jahren in Lhasa war, bemerkte, dass man so gut wie keine Brandschutzvorrichtungen sah und die verwinkelten und vollgestellten Räumlichkeiten eine Brandbekämpfung sehr schwierig erscheinen liessen.

CNN, 19. Februar 2018

 

8. Februar 2018
Mercedes entschuldigt sich für Dalai-Lama-Zitat
Nur wenige Wochen nach dem Sturm der Entrüstung, der sich über Delta Airlines, Marriott und Zara wegen der separaten Aufführung von Taiwan, Tibet, Macao und Hongkong in der Länderliste ergoss [vergl. Tibet-Information vom 23. Januar 2018; UM] traf es nun auch den Automobilkonzern Mercedes-Benz. Am 5. Februar postete scheinbar ahnungslos das Social-Media-Team von Mercedes-Benz den an sich unverfänglichen Ausspruch des Dalai Lama „Betrachte eine Situation von allen Seiten und du wirst offener“ mit dem Hashtag «Monday Motivation» und der Einstimmung „Beginn deine Woche mit einer frischen Perspektive aufs Leben vom Dalai Lama“ auf Instagram.

Nur einen Tag später war nach massiven Protesten im Internet der Spruch wieder verschwunden. Stattdessen erschien auf der offiziellen China-Homepage von Mercedes-Benz auf der chinesischen Plattform Weibo eine Entschuldigung.  Man bedauere„falsche Informationen“, die „die Gefühle des chinesisches Volkes verletzet“ hätten und werde „sofort Schritte unternommen, um unser Verständnis für die chinesische Kultur und Werte zu vertiefen.“ Die Botschaft sei «extrem falsch» gewesen.

Dieses vermochte aber die Proteste nicht zu besänftigen. Nach Publikation der Entschuldigung empörte sich ein Nutzer auf Weibo: „Sie wollen sich nicht aufrichtig entschuldigen, sie sind nur besorgt um ihren Autoabsatz». Andere Nutzer forderten gar ein Verkaufsverbot von Mercedes-Fahrzeugen. Der Chefredakteur der parteieigenen „Global Times» kommentierte auf Weibo, dass das Zitat «das Image auf dem chinesischen Markt beschädigen“ werde. Er hoffe, Mercedes werde in Zukunft „vorsichtiger“ sein. Man habe sich "zum Feind des chinesischen Volkes gemacht". Das einflussreiche Nachrichtenportal „Sina News“ schrieb, man enhalte den Chinesen „Schlüsselinformationen“ über den Skandal vor und fragte: „Hilft eine Entschuldigung wirklich?“

Rätselhaft bleibt, wie chinesische Nutzer das inkriminierte Zitat überhaupt entdecken konnten, da eigentlich Instagram durch die Internetzensur blockiert ist. Mercedes-Benz konnte oder wollte diese Frage nicht beantworten. Umgehen lässt sich die Blockade nur durch inzwischen nicht mehr genehmigte Software.

Handelsblatt, 6. Februar 2018
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Februar 2018
Süddeutsche Zeitung, 7. Februar 2018

Behörden verbieten Teilnahme an Belehrungen des Dalai Lama
Behörden in der Region Kham im Osten Tibets haben im Januar überraschend Tibeter, die nach Indien gereist waren, unter Androhung von Strafen zurück gerufen. Vielfach wollten die Tibeter an den Belehrungen des Dalai Lama während des Monats Januar in Bodhgaya teilnehmen. Betroffen waren aber auch Geschäftsleute, die mit anderen Anliegen unterwegs waren.

Im Bezirk Tawu wurde der Rückruf am 12. Januar publiziert, mit der Aufforderung bis spätestens 16. Januar zurückzukehren. Im Bezirk Lithang hatte die Rückkehr bis 19. Januar zu erfolgen. Reisende hatten sich zur Bestätigung bei den lokalen Behörden zu melden. Bei Missachtung wurden nicht näher spezifizierte «Konsequenzen» angedroht. Überrascht wurden auch Tibeter, die erst kürzlich ihren Reisepass erhalten hatten. Ebenso wurde explizit verboten, mit Tibetern in Indien in Kontakt zu treten oder Audio- und Video-Aufnahmen der Belehrungen zu verbreiten. Dieses würde unter dem Tatbestand des «Separatismus» mit Gefängnis bestraft.

Nahmen bei Beginn der Belehrungen noch 2'600 Pilger aus Tibet teil, schrumpfte nach dem Rückruf deren Zahl auf 200.

Schon im letzten Jahr wurden Tibeter aus Indien zurückgerufen, die im Januar 2017 an der Kalachakra-Zeremonie des Dalai Lama teilnehmen wollten [vergl. Tibet-Information 7. Januar 2017; UM]. Diejenigen, die zu spät zurückkehrten, mussten mit ansehen, wie ihr Pass vor ihren Augen bei der Grenzkontrolle vernichtet wurde. Ein Pass ist 10 Jahre gültig und kostet eine beträchtliche Geldsumme, umgerechnet etwa Fr. 800. In anderen Fällen wurden Ende 2016 bereits vor der Zeremonie Pässe eingezogen, da angeblich Regierungsstempel erneuert werden mussten [vergl. Tibet-Information vom 9. Dezember 2016; UM]. Die meisten Betroffenen warten bis heute auf die Rückgabe der Pässe.

Radio Free Asia, 22./24. Januar 2018

 

23. Januar 2018
Chinas langer Arm der Zensur
Seit Amtsantritt von Präsident Xi Jinping haben Regierungsstellen ihre Bemühungen, jegliche unliebsame Inhalte im Internet zu zensieren und Dissidenten im Ausland unter Druck zu setzen, deutlich intensiviert. Beobachter konstatieren wesentlich verfeinerte Überwachungsmethoden und stärker koordinierte Massnahmen, wobei die Behörden bei der Überwachung im Internet auch von zahlreichen privaten Nutzern unterstützt werden.

“Fehlbare” internationale Firmen in China werden kritisiert
Internationale Firmen wie die Fluggesellschaft Delta Airlines, die Modekette Zara, die Luxuskette Bulgari und der Hersteller für medizinische Geräte, Medtronic, wurden öffentlich gerügt, weil sie in ihren Länderlisten im Internet Taiwan, Tibet, Hongkong und Macau als separate Länder ausgewiesen hatten. Von diesen Firmen wurden ultimativ “sofortige und öffentliche” Entschuldigungen und entsprechende Korrekturen bis gleichentags um 18 Uhr gefordert, dem die Firmen auch nachkamen. Vertreter von Delta Airlines wurden zur Behörde zitiert, die ihnen androhte, bei Ausbleiben einer Korrektur die Geschäftstätigkeit in China zu verbieten. Prompt entschuldigte sich Delta für den “schwerwiegenden Fehler”, der "ohne geschäftliche oder politische Absichten" geschehen sei. Bulgari schloss die chinesische Homepage für “Wartungsarbeiten”, während etliche private chinesische Internet-Nutzer von sich aus nach weiteren “fehlbaren” Firmen forschten.

Bemerkenswert ist, dass die gleichen Rügen von ganz unterschiedlichen Regierungsstellen kamen, wie etwa der Flugaufsichtsbehörde oder Tourismusbehörde, was auf ein zentral koordiniertes Vorgehen gegen diese “unliebsamen” Inhalte hinweist. Die Flugaufsichtsbehörde wies alle internationalen Fluggesellschaften an, sämtliche öffentlich zugänglichen Internetseiten, Apps und Kundendokumente zu überprüfen und die Länderlisten falls nötig entsprechend zu korrigieren. Ein Sprecher des Aussenministeriums erklärte, dass alle Firmen “Chinas Souveränität und Integrität wahren” und die “Gefühle des chinesischen Volkes respektieren” müssten; das sei das “Minimum”, was man von ausländischen Firmen erwarten könne.

Schlimmer noch traf es die Hotelkette Marriott. Nachdem die Tourismusbehörde entdeckt hatte, dass Taiwan, Tibet, Hongkong und Macau in einem Kundenfragebogen als separate Länder auftauchten, wurde die chinesische Homepage von Marriott für eine Woche blockiert und damit die Funktion für Online-Buchungen deaktiviert. Nicht einmal eine öffentliche Entschuldigung konnte den nationalistischen Proteststurm im Internet besänftigen; zahlreiche chinesische Internetnutzer riefen zum Boykott der Hotelkette auf. Kunden stornierten Hotelbuchungen, und Reisebüros entfernten Marriott von ihren Apps. Mehr noch, ein Mitarbeiter von Marriott hatte ein “like” für einen Twitter-Kommentar von “Friends of Tibet” abgegeben. Die Organisation gratulierte Marriott, dass es zu Recht Tibet als unabhängiges Land aufführe. Craig Smith, Generaldirektor für die Region Asien, äusserte in einem Meeting mit der Nationalen Tourismusbehörde sein Bedauern über die Vorfälle und kündigte an, den Mitarbeiter zu entlassen. Der Vizedirektor der Tourismusbehörde, Wang Xiaofeng, kritisierte die Länderliste von Marriott, weil sie “die Gefühle des chinesischen Volkes verletze” und rief die Hotelkette auf, “von den Fehlern zu lernen”.

Reuters, 12. Januar 2018
South China Morning Post, 14. Januar 2018
The Times, 15. Januar 2018

Zahlreiche Webmaster verhaftet und Internetseiten gesperrt
Die Gesellschaft für bedrohte Völker bezeichnet China als den “grössten Feind der Internetfreiheit”. Seit 2015 seien etwa 10 Millionen Internet-Nutzer suspendiert und 13’000 Webseiten gesperrt worden; dieses jeweils mit dem Vorwurf, sie würden “Gewalt” und “Pornografie” konsumieren oder verbreiten. Allerdings wird dieses häufig als Vorwand benutzt, um politisch missliebige Inhalte zu unterdrücken. Allein das Berichten über Selbstverbrennungen in Tibet kann mehrjährige Haftstrafen kosten.

Besonders ausgeprägt sei die Unterdrückung in den uigurischen Gebieten in der Provinz Xinjiang. Dort wurden in den letzten Jahren mehrere Webmaster verhaftet und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti erhielt eine lebenslange Haftstrafe, weil er auf chinesischsprachigen Webseiten in chinesischer Sprache über die Menschenrechtsverletzungen an Uiguren informierte.

Epoch Times Deutschland, 27. Dezember 2017

Verfolgung von Dissidenten im Ausland
Nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland sind zunehmend systematische Aktivitäten zu erkennen, unliebsame Organisationen und Dissidenten zum Schweigen zu bringen.

In Kanada wiesen mehrere Menschenrechtsorganisationen, angeführt von Amnesty International Canada, die Regierung in einem vertraulichen Bericht auf die systematische Verfolgung von kanadischen Repräsentanten der von China sogenannten “fünf Gifte” (Uiguren, Tibeter, Taiwanesen, chinesische Dissidentenbewegung und Falun Gong) hin.

Besonders betroffen ist Falung Gong. Von gefälschten Accounts, die eindeutig nach China lokalisiert werden konnten, wurden kanadischen Parlamentarieren Mitteilungen versandt, die die Falun Gong in provokanter Weise glorifizierten, und eine Parlamentarierin wurde ohne ihre Erlaubnis mit Foto aufgeführt.

Politiker und Repräsentanten werden regelmässig von der chinesischen Botschaft unter Druck gesetzt, Veranstaltungen der “fünf Gifte” in ihrer Region zu untersagen. Der Gründer der Kanadisch-Uigurischen Vereinigung gab an, er werde von chinesischen Agenten “beschattet”. Sein Anruf bei einer entfernten Verwandten in der chinesischen Provinz Xinjiang führte zu ihrer verübergehenden Verhaftung. Der chinesisch-stämmigen Miss Canada, Anastasia Lin, wurde die Teilnahme am Miss World Wettbewerb in China verweigert, weil sie einen Kommentar über die Unterdrückung der Falung Gong abgegeben hatte, und ihr in China lebender Vater wurde über längere Zeit von der Polizei behelligt. Ihr Bekleidungssponsor, ein von einem Chinesen geführtes Geschäft in Toronto, entzog ihr die Unterstützung, nachdem das chinesische Konsulat beim Eigentümer interveniert hatte.

Anastasia Lin kommentierte resigniert, dass viele Chinesen in Kanada noch Verwandte in China hätten, und diese würden effektiv als “Geiseln” verwendet.

National Post, 5. Januar 2018